Steu­er­re­for­men: Und wer redet von den Mehr­ein­nah­men?

Steu­er­aus­fäl­le auf­zu­rech­nen ist grund­sätz­lich le­gi­tim, häu­fig aber schwie­rig, weil spe­ku­la­tiv. So wur­den bei der Un­ter­neh­mens­steu­er­re­form I von 1997 Steu­er­aus­fäl­le pro­gnos­ti­ziert, die spä­ter nicht ein­tra­fen. Auch bei der To­tal­re­vi­si­on der Mehr­wert­steu­er von 2010 wer­den heute noch Min­der­ein­nah­men ge­nannt, ob­wohl die Mehr­wert­steu­er im Jahre der Ein­füh­rung der Re­form ein All­zeit­hoch er­reich­te. Beim der­zeit teil­wei­se kri­ti­sier­ten Ka­pi­tal­ein­la­ge­prin­zip weiss letzt­lich nie­mand, wie hoch die Min­der- bzw. Mehr­ein­nah­men am Ende sein wer­den.

Wenn den­noch Steu­er­aus­fäl­le auf­ge­rech­net wer­den, soll­te dies nicht se­lek­tiv ge­sche­hen. So bringt auch der Aus­gleich der kal­ten Pro­gres­si­on – eine Re­form, die im Par­la­ment un­um­strit­ten war und auch von lin­ken Par­tei­en un­ter­stützt wurde – in den nächs­ten Jah­ren Steu­er­aus­fäl­le. Im Ge­gen­satz zur Un­ter­neh­mens­steu­er­re­form sind die Aus­wir­kun­gen hier zudem sehr gut zu schät­zen. Sie wer­den den Bun­des­etat jedes Jahr um meh­re­re Hun­dert Mil­lio­nen Fran­ken schmä­lern. An­ders als bei der Un­ter­neh­mens­steu­er­re­form wer­den die Aus­fäl­le nicht durch Mehr­ein­nah­men in­fol­ge von Wachs­tums­wir­kun­gen kom­pen­siert. Ähn­li­ches gilt für die Re­form der Fa­mi­li­en­be­steue­rung und die Mil­de­rung der Hei­rats­stra­fe, die mit Ein­nah­men­aus­fäl­len von je­weils über 600 Mil­lio­nen Fran­ken alle in der­sel­ben Grös­sen­ord­nung ste­hen. 

Mehr­ein­nah­men dank Steu­er­re­for­men
Aus­fäl­le auf­zu­rech­nen ist das eine – die Mehr­ein­nah­men tot­zu­schwei­gen das an­de­re. In den letz­ten zwan­zig Jah­ren wurde eine Reihe von neuen Steu­ern ein­ge­führt, die dem Bund al­le­samt zu kräf­ti­gen Mehr­ein­nah­men ver­hol­fen haben. Die gröss­te und er­gie­bigs­te von allen, die Mehr­wert­steu­er, hat seit ihrer Ein­füh­rung (1995) Er­trä­ge von 270 Mil­li­ar­den Fran­ken ge­ne­riert. Die LSVA, die 2001 ein­ge­führt und mehr­fach an­ge­ho­ben wurde, hat bis­her zu Ein­nah­men von 11 Mil­li­ar­den Fran­ken ge­führt. Hinzu kom­men die CO2-Ab­ga­be, die wie­der­hol­te An­he­bung der Ta­bak­steu­er sowie die Er­hö­hung der Mehr­wert­steu­er zur Un­ter­stüt­zung der de­fi­zi­tä­ren IV, die bis 2017 Mehr­ein­nah­men von jähr­lich 1 Mil­li­ar­de Fran­ken schafft. Wo ist das „ge­hei­me Pa­pier“, das diese Ef­fek­te ein­mal im De­tail auf­zeigt?

Ver­dop­pel­te Bun­des­ein­nah­men
Tat­säch­lich zei­gen die Zah­len, dass trotz Steu­er­re­for­men die Ein­nah­men des Bun­des im Saldo über die letz­ten Jahre nicht ab-, son­dern im Ge­gen­teil stark zu­ge­nom­men haben. So haben sich die Ein­nah­men des Bun­des seit 1990 fast ver­dop­pelt. Bei der di­rek­ten Bun­des­steu­er haben die Er­trä­ge um fast 170 Pro­zent zu­ge­nom­men. Ins­ge­samt stie­gen die Ein­nah­men des Bun­des deut­lich stär­ker als die Volks­wirt­schaft (vgl. Gra­fik). Ein­nah­men­aus­fäl­le auf­grund von Steu­er­re­for­men las­sen sich aus die­sen Zah­len keine ab­le­sen.




Staats­aus­bau nicht -abbau
Die steu­er­po­li­ti­schen Ent­wick­lun­gen der letz­ten Jahre haben auch nicht zu einem Staats­ab­bau ge­führt. Der So­zi­al­be­reich ist der seit Lan­gem mit Ab­stand gröss­te Aus­ga­ben­be­reich des Bun­des. Er ex­pan­diert seit Jah­ren kräf­tig. Der Ver­kehrs­be­reich ist zwar aus­ga­ben­mäs­sig we­ni­ger ex­pan­siv, mit jähr­lich 8,2 Mil­li­ar­den Fran­ken ist er den­noch der zweit­gröss­te Auf­ga­ben­be­reich des Bun­des (ohne Fi­nan­zen und Steu­ern). Zu­sam­men ma­chen die bei­den Auf­ga­ben 45 Pro­zent der Bun­des­aus­ga­ben aus.

Steu­er­re­for­men sind kein Selbst­zweck
Steu­er­re­for­men sind nie­mals Selbst­zweck, auch wenn die ver­folg­ten Ziele un­ter­schied­lich sein mögen. Beim Aus­gleich der kal­ten Pro­gres­si­on, der Mil­de­rung der Hei­rats­stra­fe, der Mehr­wert­steu­er­re­form oder der Teil­be­steue­rung von Di­vi­den­den stan­den Ver­bes­se­run­gen des Steu­er­sys­tems im Vor­der­grund. Die Re­for­men waren rich­tig, weil sie er­kann­te Miss­stän­de und De­fi­zi­te be­ho­ben. An­de­re Re­for­men, wie die Un­ter­neh­mens­steu­er­re­form I und das Ka­pi­tal­ein­la­ge­prin­zip bei der Un­ter­neh­mens­steu­er­re­form II, zie­len mehr auf die Stand­ort­at­trak­ti­vi­tät. Ver­bes­se­run­gen sol­len hel­fen, den Stand­ort Schweiz für die Un­ter­neh­men noch at­trak­ti­ver zu ma­chen oder gute Rah­men­be­din­gun­gen zu er­hal­ten. Es geht letzt­lich um Wachs­tum und Ar­beits­plät­ze – und damit auch wie­der um Steu­er­sub­strat. Von den auf­ge­zähl­ten Re­for­men pro­fi­tie­ren sehr viele Steu­er­pflich­ti­ge.