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Ri­si­ken einer früh­zei­ti­gen Schwei­zer Min­dest­steu­er sind zu hoch

Drei Vier­tel der Staa­ten, die sich auf die Ein­füh­rung einer Min­dest­steu­er ge­ei­nigt haben, set­zen die neue Steu­er 2024 noch nicht um. Auch die Schweiz soll­te die In­kraft­set­zung ver­schie­ben. Ob die Be­din­gun­gen für eine Ein­füh­rung ge­ge­ben sind, soll­te im nächs­ten Jahr er­neut ge­prüft wer­den.

Die in­ter­na­tio­na­le Min­dest­steu­er funk­tio­niert nach dem Grund­satz, dass Staa­ten ihre gros­sen Un­ter­neh­men in Zu­kunft zu min­des­tens 15 Pro­zent be­steu­ern. Ist die Be­steue­rung tie­fer, kön­nen an­de­re Staa­ten die Dif­fe­renz als Zu­satz­steu­er er­he­ben.

In der Schweiz ist die Be­steue­rung heute teil­wei­se tie­fer als 15 Pro­zent. So­fern eine Zu­satz­steu­er nötig wird, soll sie die Schweiz er­he­ben und kein an­de­rer Staat. Des­halb hat die Schweiz die recht­li­chen Grund­la­gen ge­schaf­fen für die Ein­füh­rung einer Min­dest­steu­er.

Der Bun­des­rat muss ent­schei­den, ob er die Min­dest­steu­er per 2024 in Kraft setzt. Aus Sicht der Schwei­zer Wirt­schaft sind die Be­din­gun­gen dafür noch nicht ge­ge­ben. Die Ri­si­ken einer früh­zei­ti­gen Ein­füh­rung der Min­dest­steu­er sind ak­tu­ell noch zu hoch.

Was hat sich seit der Volks­ab­stim­mung ver­än­dert?

Die Stimm­be­völ­ke­rung hat die recht­li­chen Grund­la­gen für die Min­dest­steu­er am 18. Juni an­ge­nom­men. Dass die Min­dest­steu­er in den USA auf Ak­zep­tanz­pro­ble­me stösst, war da­mals be­kannt. Das Ak­zep­tanz­pro­blem hat sich seit­her aus­ge­wei­tet. Drei Vier­tel der 140 Staa­ten, die 2021 den Be­schluss zur Ein­füh­rung einer Min­dest­steu­er ge­fasst haben, sind heute noch nicht be­reit, den Be­schluss um­zu­set­zen. Zu die­sen Staa­ten ge­hö­ren neben den USA auch China, In­di­en, Bra­si­li­en und viele Schwel­len- und Ent­wick­lungs­län­der. Auch Wirt­schafts­stand­or­te wie Sin­ga­pur, Hong Kong, die Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­te und Saudi-Ara­bi­en set­zen die Min­dest­steu­er per 2024 nicht um. Mit einer so zag­haf­ten Um­set­zung war nicht zu rech­nen. Die OECD hat durch eine wich­ti­ge Re­gel­än­de­rung im Som­mer dazu bei­ge­tra­gen, dass viele Staa­ten auf der Brem­se ste­hen.

Wie hat die OECD die Re­geln der Min­dest­steu­er ver­än­dert?

Die OECD hat im Juli 2023 den so­ge­nann­ten «Tran­si­tio­nal UTPR Safe Har­bour» be­schlos­sen. Die Re­gel­än­de­rung be­wirkt, dass Staa­ten mit or­dent­li­chen Steu­er­sät­zen über 20 Pro­zent (Hoch­steu­er­staa­ten) bis Ende 2026 teils vor aus­län­di­schen Zu­satz­steu­ern ge­schützt sind. Der Schutz gilt am Haupt­sitz der Kon­zer­ne die­ser Län­der, auch wenn die Steu­er­be­las­tung auf­grund von Ver­güns­ti­gun­gen dort ef­fek­tiv unter 15 Pro­zent liegt. Die Mass­nah­me ist auf die USA zu­ge­schnit­ten, wo Steu­er­be­las­tun­gen von deut­lich unter 15 Pro­zent mög­lich sind, u.a. auf­grund von För­der­mass­nah­men für die US-In­dus­trie. Das Ri­si­ko aus­län­di­scher Zu­satz­be­steue­run­gen für US-Kon­zer­ne wurde in der US-Po­li­tik stark kri­ti­siert. Auf Druck hin hat die OECD die Wir­kung der Min­dest­steu­er­re­geln ent­schei­dend ab­ge­schwächt und damit auch die Aus­gangs­la­ge für die Schweiz ver­än­dert.

Worin be­steht das Ri­si­ko einer früh­zei­ti­gen Ein­füh­rung der Min­dest­steu­er?

Die OECD hat mit der Re­gel­än­de­rung vom Som­mer die Grund­sät­ze der Min­dest­steu­er in wich­ti­gen Tei­len un­ter­lau­fen. Hoch­steu­er­staa­ten dür­fen via Ver­güns­ti­gun­gen wei­ter­hin ef­fek­ti­ve Be­las­tun­gen unter 15 Pro­zent an­bie­ten, ohne dass an­de­re Staa­ten die Dif­fe­renz er­he­ben kön­nen. Das hat zur Frage ge­führt, ob das Sys­tem je­mals wie ge­plant um­ge­setzt wird. Wich­ti­ge Wirt­schafts­mäch­te sind of­fen­sicht­lich noch nicht be­reit, sich den Re­geln, die sie mit­er­son­nen haben, zu un­ter­wer­fen. Weil nicht ab­seh­bar ist, dass die USA ihr Steu­er­sys­tem an die Re­geln der OECD an­pas­sen, könn­te die Schutz­mass­nah­me ver­län­gert und sogar fes­ter Re­gel­be­stand­teil wer­den. Staa­ten, die sich an die Re­geln der Min­dest­steu­er hal­ten, wären da­durch stark im Nach­teil. Wäh­rend sie ihre ei­ge­nen Un­ter­neh­men zu min­des­tens 15 Pro­zent be­steu­ern müss­ten, wären Hoch­steu­er­staa­ten frei, Steu­er­er­leich­te­run­gen an­zu­bie­ten, die zu ef­fek­ti­ven Be­steue­run­gen unter 15 Pro­zent füh­ren. Diese Un­gleich­be­hand­lung hat welt­weit in vie­len Staa­ten zu einer vor­sich­ti­gen, ab­war­ten­den Hal­tung ge­führt. Es be­steht das Ri­si­ko, sich durch eine früh­zei­ti­ge Ein­füh­rung er­heb­li­che Stand­ort­nach­tei­le ein­zu­han­deln.

Wie wich­tig ist die Min­dest­be­steue­rung der EU für Schwei­zer Un­ter­neh­men?

Die EU-Staa­ten haben be­reits 2022 be­schlos­sen, die Min­dest­be­steue­rung per 2024 in Kraft zu set­zen. Schon heute ge­hö­ren viele EU-Län­der zu den Hoch­steu­er­staa­ten. Für Schwei­zer Fir­men mit Toch­ter­ge­sell­schaf­ten in EU-Staa­ten hätte die Ein­füh­rung der Min­dest­be­steue­rung durch die Schweiz damit kei­nen Ef­fekt. Das­sel­be gilt für die an­de­ren um­set­zen­den Staa­ten wie Ka­na­da, Japan, Süd­ko­rea und Aus­tra­li­en. Gros­se und für die Schweiz als Wirt­schafts­part­ner wich­ti­ge Staa­ten wie die USA, China und In­di­en wer­den die Min­dest­steu­er­re­geln hin­ge­gen nächs­tes Jahr nicht ein­füh­ren. Gleich­zei­tig ken­nen diese Staa­ten ver­brei­tet Steu­er­er­leich­te­run­gen, die zu Be­las­tun­gen unter 15 Pro­zent füh­ren. Setzt die Schweiz die Min­dest­steu­er durch, so kann dies für Schwei­zer Kon­zer­ne mit Ak­ti­vi­tä­ten in nicht-um­set­zen­den Län­dern hohe Mehr­be­las­tun­gen be­deu­ten. Kon­zer­ne von nicht-um­set­zen­den Staa­ten sind von die­sen Mehr­be­las­tun­gen nicht be­trof­fen.

Wel­che Un­ter­neh­men wären von der Min­dest­be­steue­rung ef­fek­tiv be­trof­fen?

Ver­zich­tet die Schweiz 2024 auf eine Min­dest­steu­er, kann der Fall ein­tre­ten, dass eu­ro­päi­sche Un­ter­neh­men mit Toch­ter­ge­sell­schaf­ten in der Schweiz von einer Zu­satz­steu­er ihrer Haupt­sitz­staa­ten be­trof­fen sind. Zah­len­mäs­sig sind diese Fälle al­ler­dings ins­ge­samt un­ter­ge­ord­net. Die Nach­tei­le, die Schwei­zer Un­ter­neh­men und gros­se Schwei­zer Nie­der­las­sun­gen ins­be­son­de­re von US-Kon­zer­nen bei einer Ein­füh­rung der Min­dest­steu­er durch die Schweiz per 2024 ge­wär­ti­gen müss­ten, wie­gen deut­lich schwe­rer. Gros­se und für die Schwei­zer Volks­wirt­schaft wich­ti­ge Un­ter­neh­men müss­ten zu­sätz­li­che Steu­ern ab­lie­fern, die sonst kein an­de­rer Staat ein­for­dern würde.

In den Me­di­en wur­den die Nie­der­lan­de als Bei­spiel für einen Staat auf­ge­führt, der die Min­dest­steu­er jetzt ein­führt und des­halb kaum Nach­tei­le hat.

Auf­grund des EU-Be­schlus­ses sind die Nie­der­lan­de ver­pflich­tet, die Min­dest­steu­er um­zu­set­zen, ob­wohl sich die in­ter­na­tio­na­le Aus­gangs­la­ge deut­lich ver­än­dert hat. Die Nie­der­lan­de sind aber im Ver­gleich zur Schweiz ein Hoch­steu­er­staat. Der Steu­er­satz liegt deut­lich über 20 Pro­zent. Die An­for­de­run­gen der Min­dest­steu­er wer­den des­halb heute schon in vie­len Fäl­len er­füllt. Durch Ver­güns­ti­gun­gen sind auch Steu­er­be­las­tun­gen unter 15 Pro­zent mög­lich. Even­tu­ell müs­sen auch die Nie­der­lan­de eine Zu­satz­steu­er er­he­ben. Da viel we­ni­ger Staa­ten als er­war­tet die Min­dest­steu­er um­set­zen, wer­den sich die Nie­der­lan­de damit einen Stand­ort­nach­teil ein­han­deln. Es be­steht das Ri­si­ko, dass die Nie­der­lan­de früh­zei­tig hohe Er­gän­zungs­steu­ern er­he­ben, die von an­de­ren Län­dern auf ab­seh­ba­re Zeit nicht er­ho­ben wer­den. Eine ähn­li­che Si­tua­ti­on wie die Nie­der­lan­de haben auch an­de­re EU-Staa­ten. EU-Un­ter­neh­men wei­sen ver­mehrt auf Dis­kri­mi­nie­run­gen hin und stel­len die frühe Um­set­zung der Min­dest­steu­er in Frage.