Nach dem Brexit-Entscheid: Auch die Schweiz ist betroffen
Der vom britischen Stimmvolk beschlossene Austritt aus der Europäischen Union stellt Grossbritannien und die EU vor grosse Herausforderungen. Auch die Schweiz ist direkt betroffen.
Der Volksentscheid in Grossbritannien für den Austritt aus der Europäischen Union wird sich auch unmittelbar auf die Schweiz auswirken. Wie zu erwarten war, sind der Euro und das britische Pfund gegenüber dem Schweizer Franken deutlich unter Druck geraten. Der dadurch noch stärker gewordene Franken stellt die Schweizer Exportwirtschaft und den Tourismus vor grosse Herausforderungen. Zudem würde sich eine mögliche Rezession Grossbritanniens negativ auf die Wirtschaftsbeziehungen mit der Schweiz auswirken: Grossbritannien ist heute der fünftwichtigste Absatzmarkt der Schweizer Exportwirtschaft und die Nummer vier für Schweizer Direktinvestitionen im Ausland. Am meisten exportiert werden Pharmaprodukte, Edelsteine und Edelmetalle, Maschinen und Uhren. Zudem beschäftigen Schweizer Firmen in ihren britischen Niederlassungen fast 100‘000 Angestellte. Für den Schweizer Tourismus sind britische Touristen ebenfalls wichtig, denn viele Briten geniessen ihre Ferien bei uns. Immerhin hat die Schweizerische Nationalbank situativ Massnahmen gegen einen weiteren Aufwertungsdruck auf den Franken angekündigt.
Auswirkungen auf die Schweizer Europapolitik
Der Austritt Grossbritanniens wird die EU-Institutionen und die verbleibenden Mitgliedstaaten in den nächsten Jahren stark absorbieren. Für die Schweiz bedeutet dies, dass das Finden einer einvernehmlichen Lösung mit der EU zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative noch schwieriger wird. Insbesondere das Einhalten der dreijährigen Frist zur Umsetzung wird noch anspruchsvoller. Bundesrat und Parlament müssen jetzt alles daran setzen, im Interesse unseres Landes möglichst bald eine wirtschaftsfreundliche und europaverträgliche Lösung zu finden. Hektik hingegen wäre fehl am Platz.
Politische Unsicherheit in der Europäischen Union
Unmittelbarer Effekt des Brexit ist eine erhöhte politische Unsicherheit über die künftigen Rahmenbedingungen. Studien rechnen aufgrund rückläufiger Handels- und Investitionsflüsse mit einer Rezession in Grossbritannien. Diese kann bis 2020 dauern.
Mit einem Anteil von 15 Prozent an der EU-Wirtschaft verliert diese mit Grossbritannien ein wirtschaftliches und politisches Schwergewicht. Zudem wird die politische Balance innerhalb der EU neu zu justieren sein, da Grossbritannien bei Mehrheitsentscheidungen bisher 8,2 Prozent der Stimmen im Ministerrat hatte. Im Europaparlament verfügen die Briten mit 73 der 751 Abgeordneten über die viertgrösste Ländervertretung. Grossbritannien ist zudem Mitglied der G7 und G20.
Während die Politik in den kommenden Jahren die künftigen Rahmenbedingungen ausarbeiten wird, werden die Handels- und Investitionsflüsse die realwirtschaftlichen Strukturanpassungen einleiten. Potenziell am stärksten davon betroffen ist der Finanzplatz London, aber auch die britische Industrie.
Der Austritt Grossbritanniens offenbart den augenscheinlichen Reformbedarf in der Europäischen Union.