Gender Pay Gap: Diskriminierungsthese steht auf tönernen Füssen
Der unerklärte Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern beträgt derzeit in der Privatwirtschaft 8,1 Prozent. Doch im öffentlichen Sektor, wo es verbindliche und einklagbare Lohntabellen gibt, liegt der unerklärte Lohnunterschied gemäss dem Bundesamt für Statistik (BFS) nur leicht tiefer bei 5,9 Prozent. Geht man davon aus, dass es keine Diskriminierung im öffentlichen Sektor gibt, schrumpft die unerklärte Differenz im Privatsektor auf zwei Prozent. Die Resultate stützen also vielmehr die ökonomisch plausible These, dass die Unternehmen eben nicht nach dem Geschlecht diskriminieren.
Das BFS publizierte jüngst seine neueste Analyse zu den Lohnunterschieden zwischen Frauen und Männern. Demnach liegt die mittlere Lohndifferenz zwischen den beiden Geschlechtern bei 17,4 Prozent. Die Studienautoren von BSS Basel rechnen vor, dass 57 Prozent dieses Unterschieds auf beobachtbare und im Schätzmodell berücksichtigte Variablen wie Alter oder Ausbildung zurückgeführt werden können. Die restliche Differenz sei ein Resultat von im Modell nicht berücksichtigten, unbeobachteten Variablen – oder vielleicht Diskriminierung. Gewerkschaften und linke Parteien nehmen diese Ergebnisse immer wieder zum Anlass, um die Wirtschaft an den Pranger zu stellen und ihr Diskriminierung vorzuwerfen. Doch ein genauer Blick auf die Daten zeigt, dass dies fehl am Platz ist.
Arbeitserfahrung nur ungenügend berücksichtigt
Unbestritten einer der wichtigsten Einflussgrössen auf den Lohn hat die Arbeitserfahrung. Doch genau diese zentrale Variable ist in der Lohnstrukturerhebung – also jenem Datensatz, welcher der BFS-Studie zugrunde liegt – nicht erfasst. Sie wird daher approximiert, indem das Alter einer Person genommen wird und davon die ersten 15 Lebensjahre abgezogen werden. Im geschätzten Modell haben also ein Mann und eine Frau im gleichen Alter immer die gleiche Arbeitserfahrung, egal wie lange sie in der Vergangenheit erwerbstätig gewesen sind. In der Realität haben aber Frauen im Schnitt weniger Arbeitserfahrung als Männer, weil sie stärker in Kinderbetreuungsaufgaben eingebunden sind oder nach der Geburt eine Auszeit nehmen. Daher schreiben die Autoren von BSS explizit: «Folglich ist davon auszugehen, dass die unerklärte Lohndifferenz sinken würde, wenn detaillierte Informationen zur effektiven Berufserfahrung in den Daten zur Verfügung stünden.»
Frauendiskriminierung in der öffentlichen Verwaltung?
Interessanterweise liegt der unerklärte Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern in der Privatwirtschaft bei 8,1 und beim öffentlichen Sektor nur leicht tiefer bei 5,9 Prozent. Im öffentlichen Sektor sind die Lohnmodelle verbindlich fixiert, oft in einklagbaren Lohntabellen, die es verbieten, nach Geschlecht zu differenzieren. Wenn man von der Annahme ausgeht, dass der Staat Frauen nicht diskriminieren kann, müssten die gesamten 5,9 Prozent auf unerklärte Variablen wie die oben erwähnte ungenügende Erfassung der Arbeitserfahrung zurückzuführen sein. In diesem Fall würde sich auch der unerklärte Teil des Lohnunterschieds in der Privatwirtschaft drastisch auf rund zwei Prozent verkleinern.
Das Beispiel Uber
Eine kürzlich publizierte Studie aus den USA untersucht Lohnunterschiede bei Uber-Fahrerinnen und -Fahrern. Bei Uber gibt es keine Lohnverhandlungen beim Eintritt. Die Grundlagen sind für alle gleich, unabhängig von Geschlecht, Dienstalter, Ausbildung oder anderen Faktoren. Demnach ist im Modell Uber der gesamte Unterschied zu 100 Prozent erklärbar. Uber-Fahrerinnen verdienen sieben Prozent weniger als Uber-Fahrer. Wie lässt sich das in diesem Fall erklären?
Die Studienautoren kommen zum Schluss, dass der Unterschied durch schnelleres Fahren, mehr Erfahrung und tendenziell häufigeres Fahren der Männer an rentablen Orten zu erklären ist. Individuelle Präferenzen und Erfahrung erklären also den Lohnunterschied. Die Frage bleibt, ob und wie viel in einer Welt mit perfekten Daten hierzulande unerklärt bliebe. Die Vermutung liegt nahe, dass sich das Mantra, die Wirtschaft diskriminiere Frauen systematisch, in Schall und Rauch auflösen würde.