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EU möchte Einführung der Entwaldungsverordnung verschieben

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die EU-Kommission hat am Mittwoch verkündet, die Umsetzung der Entwaldungsverordnung um ein Jahr verschieben zu wollen. Dies ist ein klares Signal für die Schweiz, abzuwarten und mit Bedacht zu regulieren, um international nicht ins Hintertreffen zu geraten.
  • Die Umsetzungsfrist der umstrittenen Entwaldungsverordnung soll um ein Jahr auf Ende 2025 verschoben werden.
  • Der Aufschub würde den betroffenen Unternehmen etwas mehr Luft verschaffen, sich auf die umfangreichen Anforderungen vorzubereiten, die jedoch weiterhin eine erhebliche Bürde darstellen
  • Dies zeigt einmal mehr: Die Schweiz sollte mit einer eigenen Regulierung zurückhaltend sein, um keine Wettbewerbsnachteile zu riskieren. Nun ist die Gelegenheit, neu zu verhandeln und drohende technische Handelsbarrieren abzubauen.

Die neue Entwaldungsverordnung ist Teil des EU Green Deals und wohl das Regulierungsmonster par excellence: Auch wenn das Gesetz einen unterstützenswerten Ansatz verfolgt – nämlich die Entwaldung zu stoppen und den Handel mit bestimmten Produkten wie Kakao, Soja oder Palmöl aus entwaldeten Gebieten zu verhindern – stehen die Anforderungen, die Unternehmen im In- und Ausland erfüllen müssen, in keinem Verhältnis. Detaillierte Informationen, darunter eine Beschreibung der Produkte, deren Menge, das Erzeugerland sowie die Geolokalisierung aller betroffenen Grundstücke, einschliesslich präziser GPS-Koordinaten, müssen durch die Unternehmen bereitgestellt werden. Da die Schweiz einen grossen Anteil ihrer Produkte in den EU-Binnenmarkt exportiert, sind hiesige Firmen ebenfalls direkt betroffen.

Unterschiedliche Rechenbeispiele verdeutlichen das Ausmass: Bei alltäglichen Nahrungsmittelprodukten sind es oft zehntausende bis hunderttausende Datenpunkte (sogenannte «Polygone»), die erfasst und zur Verfügung gestellt werden müssen. Bei komplexeren Produkten – beispielsweise mit mehreren Bestandteilen oder vielschichtigen Verpackungen – nimmt die Menge an Daten exponentiell zu. Es bestehen sogar Zweifel, ob die riesigen Datenmengen in dem, erst noch aufzubauenden, europaweiten Informationssystem überhaupt verarbeitet werden können.

Wettbewerbsfähigkeit durch Nachhaltigkeitsregulierung in Gefahr

Mit der jetzigen Ankündigung der EU-Kommission soll das Inkrafttreten der Entwaldungsverordnung, die ursprünglich für den 31. Dezember 2024 vorgesehen war, um ein Jahr verschoben werden. Damit würden betroffene Unternehmen mehr Zeit erhalten, um die erforderlichen Daten zu beschaffen – kleinere Unternehmen sogar bis Juni 2026. Hinter dem Vorschlag der Fristverlängerung stehen wachsende Bedenken um die Wettbewerbsfähigkeit Europas, wie der Draghi-Bericht offenbart. Auch bei anderen Regulierungen, wie dem CO2-Grenzausgleichssystem CBAM, werden Verzögerungen diskutiert.

Den entscheidenden Anstoss für die Fristverlängerung gab wohl die EVP, die in einem eindringlichen Brief an die EU-Kommissarin vor erdrückenden bürokratischen Hürden, insbesondere für KMU, warnte und weniger Bürokratie sowie mehr Augenmass forderte. Diese Forderungen fanden auch bei unterschiedlichen europäischen Wirtschaftsverbänden Unterstützung.

Die Schweiz tut gut daran, mit neuer Regulierung abzuwarten

Als Drittland steht die Schweiz vor besonders grossen Herausforderungen, eine praktikable Nachhaltigkeits-Regulierung zu schaffen, die die Transparenz der Lieferketten fördert, internationale Kompatibilität wahrt und den administrativen Aufwand mindert. Derzeit ist eine Motion im Parlament hängig, die einen Nachvollzug der Entwaldungsverordnung ins Schweizer Recht fordert. Vielleicht gut gemeint, ist diese Forderung jedoch alles andere als durchdacht.

Schweizer Unternehmen haben bislang keinen garantierten Zugang zum geplanten EU- Informationssystem. Eine Anpassung der Schweizer Gesetzgebung an das EU-Recht würde daher zu ungleichen Spiessen führen, da Schweizer Firmen dreifache Sorgfaltspflichten erfüllen müssten – beim Import in die Schweiz, beim Export aus der Schweiz und beim Import in die EU. Dazu kämen unterschiedliche Compliance-Anforderungen beim Nachweis der entwaldungsfreien Produkte sowie bei der Prüfung. Die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Produkte im globalen Markt würde gefährdet. Die betroffenen Branchen wären jedoch bereit, einer Anpassung des Schweizer Rechts zuzustimmen, wenn sie im Gegenzug einen gleichwertigen Zugang zum EU-Informationssystem erhielten und die Due Diligence eigenständig durchführen könnten. Daher ist es unerlässlich, dass die Schweiz zuerst die offenen Fragen klärt und gute Rahmenbedingungen sicherstellt, bevor sie zusätzliche Regulierungen einführt.