Beziehungen Schweiz-EU: Es ist Zeit zu handeln
Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse spricht sich mit Nachdruck für die Fortsetzung des bilateralen Wegs und gegen ein weiteres Zuwarten des Bundesrats in der Europapolitik aus. Als mögliche Lösung der institutionellen Frage skizziert der Verband sektorielle Ansätze in Kombination mit einem allgemeinen Abkommen zur Regelung der Marktteilnahme. Zudem startet economiesuisse im Rahmen des Klimaprogramms der Wirtschaft eine neue Kampagne für wissenschaftsbasierte Klimaschutzziele von Unternehmen.
«Die Schweiz steht heute vor grossen wirtschaftspolitischen Herausforderungen», sagte der Präsident von economiesuisse Christoph Mäder an der heutigen Jahresmedienkonferenz des Wirtschaftsdachverbands in Bern. So befindet sich die Europapolitik nach dem Abbruch der Verhandlungen über das Rahmenabkommen in einer Krise. Die fortschreitende Erosion des bilateralen Wegs schadet dem Wirtschaftsstandort Schweiz. «Es ist Zeit, jetzt zu handeln», sagte Mäder und rief den Gesamtbundesrat auf, rasch Massnahmen zu ergreifen, um die Europapolitik zu deblockieren und den Fortbestand des bilateralen Wegs zu sichern. Neben einem klaren Signal der Landesregierung, dass sie den bilateralen Weg weiterführen will, braucht es rasch eine gemeinsame Agenda mit der EU, die auf den strategischen Interessen der Schweiz und der EU beruht.
Vor allem in den Bereichen Börsen und Banken, Medizinaltechnik, Forschung und Stromversorgung sind Lösungen prioritär anzugehen. Auch eine Klärung der institutionellen Frage ist unerlässlich, weil die Unternehmen dringend Rechtssicherheit in den Wirtschaftsbeziehungen mit der EU brauchen. Ein möglicher Ansatz wären für economiesuisse beispielsweise sektorielle Lösungen in Kombination mit einem allgemeinen Abkommen zur Regelung der Marktteilnahme. Weil die Exportwirtschaft vom derzeitigen europapolitischen Stillstand am stärksten betroffen ist, müssen ihre Rahmenbedingungen im multilateralen Handel verbessert werden – etwa durch den konsequenten Ausbau des Freihandelsnetzes oder durch Teilnahme an plurilateralen Freihandelszonen mit Schwerpunkt Pazifik-Asien. Diese und zahlreiche weitere Vorschläge zur Beziehung der Schweiz zur EU hat economiesuisse heute Morgen in einer neuen europapolitischen Publikation veröffentlicht.
Bund und Kantone sollen Spielraum nutzen
Als weitere grosse Herausforderung nannte Christoph Mäder die internationale Steuerreform der OECD-/G-20-Staaten. Diese Reform will den Steuerwettbewerb einschränken. Die Wirtschaft ist deshalb erleichtert, dass der Bundesrat bereits die inhaltlichen Eckwerte der Umsetzung in der Schweiz bekanntgegeben hat. Demnach soll die Mindeststeuer auf den 1. Januar 2024 in Kraft treten. Dieses Vorgehen bringt den betroffenen Unternehmen Planungssicherheit und schützt sie vor Zusatzbesteuerung im Ausland. Die Unternehmen, so Mäder, erwarten nun, dass Bund und Kantone ihren finanziellen und rechtlichen Spielraum für Massnahmen zur Standortförderung nutzen. Solche Massnahmen sind essenziell, um in der Schweiz Arbeitsplätze und Steuersubstrat nachhaltig zu schützen. «Hier sind Kreativität und Mut gefragt», appellierte Mäder an Bund und Kantone. Als eine einfache, aber wirksame Möglichkeit zur Steigerung der Standortattraktivität nannte er die Abschaffung der Emissionsabgabe in der Volksabstimmung vom 13. Februar.
Neuer Schub fürs Klimaprogramm der Schweizer Wirtschaft
Das Klimaprogramm der Wirtschaft, das economiesuisse vor einem Jahr erstmals vorgestellt hat, erhält neuen Schub: Mit der Ausrichtung auf wissenschaftsbasierte Ziele nach der Methode der Science Based Targets initiative (SBTi) bestätigt die Wirtschaft ihr Netto-Null-Ziel bis 2050. «Die Wirtschaft verfolgt damit konsequent den Weg, sich als innovativste und wirksamste Kraft im Klimaschutz zu etablieren», sagte Monika Rühl, Vorsitzende der Geschäftsleitung, heute in Bern.
Die Idee hinter SBTi ist einfach: Wenn die Erderwärmung nicht über 1,5 Grad steigen soll, darf weltweit nur eine bestimmte Menge an Treibhausgasen ausgestossen werden. Mit SBTi kann sich jedes Unternehmen wissenschaftsbasierte Klimaziele setzen und selber ausrechnen, wie schnell es seine Emissionen senken muss, um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen. Unternehmen erreichen so ihre Klimaziele eigenverantwortlich, wettbewerbsorientiert und ohne regulatorische Vorgaben – entlang der gesamten Lieferkette. SBTi ist eine weltweit standardisierte und in Expertenkreisen breit anerkannte Methode zur Ermittlung und Einsparung von CO2-Emissionen. Mittlerweile haben sich bereits mehr als 60 Schweizer Firmen dieser Initiative angeschlossen. Die Zahl der Unternehmen, die sich Klimaziele nach SBTi setzen, steigt sowohl in der Schweiz wie auch international exponentiell.
Konstruktive Rolle im Klimaschutz
In den nächsten 12 bis 24 Monaten wird economiesuisse intern wie extern auf SBTi aufmerksam machen, damit sich möglichst viele Unternehmen vom wissenschaftsbasierten Ansatz überzeugen lassen. Dafür arbeitet der Wirtschaftsdachverband mit den angeschlossenen Branchenverbänden und Handelskammern sowie dem Verein «Go for Impact», einer Kooperation von Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Hand, zusammen.
Weitere Kooperationen zur Umsetzung des Klimaprogramms sind im Aufbau. Bereits produktiv ist die Zusammenarbeit zwischen economiesuisse und NZZ Connect beim Aufbau der Nachhaltigkeitsplattform Sustainable Switzerland. So können sich interessierte Unternehmen und Organisationen unter sustainableswitzerland.ch/sbti bereits heute über SBTi informieren und ein kostenloses Erstgespräch mit Klima- und Energiefachleuten vereinbaren. Monika Rühl: «Damit bekräftigt die Schweizer Wirtschaft einmal mehr ihre konstruktive Rolle im Klimaschutz.»