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Erbschaftssteuerinitiative: eine Fehlkonstruktion von A bis Z

Am 14. Juni befindet das Schweizer Stimmvolk über die Erbschaftssteuerinitiative. Die Vorlage führt vor allem für Familienunternehmen in ein Desaster. Das haben inzwischen auch die Initianten gemerkt. Nun werfen sie mit hohen Freibeträgen und tiefen Steuersätzen für Unternehmen um sich. Ein Blick nach Deutschland zeigt, dass dies verfassungswidrig sein könnte. Dem nicht genug; gemäss der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats sollen künftig Initiativen mit rückwirkenden Klauseln – wie sie auch diese Vorlage für Schenkungen will – für ungültig erklärt werden.

Mit stetig wechselnden Aussagen zu möglichen Freigrenzen für Unternehmen streuen die Initianten der Erbschaftssteuerinitiative dem Stimmvolk immer wieder neu Sand in die Augen. Während zu Beginn der Unterschriftensammlung noch von einer 2- bzw. 8-Millionen-Freigrenze die Rede war, wird aktuell eine Freigrenze von 50 Millionen geboten. Man kann nur darüber spekulieren, welche Zahlen nach einer allfälligen Annahme der Initiative ins Feld geführt würden. Das ist nämlich absolut unklar, weil sich der Verfassungstext darüber ausschweigt. So oder so: die Initiative wird Arbeitsplätze kosten und Firmen zur Aufgabe zwingen. Gleichzeitig bringt sie der AHV viel zu wenig, um sie langfristig zu stärken: je höher die Freigrenze, umso weniger fliesst in unsere wichtigste Sozialversicherung.

Ein Blick nach Deutschland zeigt im Übrigen, wie schwierig es sich mit Ausnahmen von der Besteuerung verhält. Das Bundesverfassungsgericht hat unlängst entschieden, dass zu hohe Privilegien beim Vererben von Betrieben verfassungswidrig sind. Deshalb müssen in Deutschland nun die Regelungen für die Erbschaftssteuer neu angepasst werden. Dies um die steuerliche Belastungsgleichheit wiederherzustellen. Familienunternehmen dürfen zwar besonders geschützt werden. Dass aber 90 Prozent der Familienunternehmen keine Erbschaftssteuer bezahlen, sei verfassungswidrig, befand das oberste Gericht und beruft sich auf das verfassungsmässig verankerte Gleichbehandlungsgebot. Letzteres gilt auch in der Schweiz. Zwar kennen wir keine Verfassungsgerichtsbarkeit, da die besagten Steuererleichterungen für Unternehmen aber in einem Gesetz festgelegt würden, kann diesem die Anwendung wegen Verstoss gegen das Gleichbehandlungsgebot versagt werden. Die Versprechungen der Initianten laufen somit total ins Leere.

Doch dem nicht genug: Am 26. März 2015 hat die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK) einer parlamentarischen Initiative Folge gegeben, die verlangt, dass Volksinitiativen, die rückwirkende Bestimmungen enthalten, inskünftig für ungültig erklärt werden sollen. Sie ist der Ansicht, dass solche Bestimmungen, wie sie auch die Erbschaftssteuerinitiative durch die auf den 1. Januar 2012 rückwirkende Anwendung kennt, Rechtsunsicherheit schaffen. Die Bürgerinnen und Bürger müssten in Treu und Glauben davon ausgehen können, dass Rechtsbestimmungen, die zum Zeitpunkt einer Handlung in Kraft sind, auch gelten. Das Vorhandensein einer Rückwirkungsklausel wäre somit neben der Verletzung der Einheit der Materie, der Einheit der Form sowie von zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts ein weiterer Grund für die Ungültigerklärung einer Volksinitiative. Am 14. Juni wird die Schweizer Bevölkerung also über eine Vorlage abstimmen, die künftig für ungültig erklärt werden dürfte.