Eine aso­zia­le Uto­pie

Die In­itia­ti­ve für ein be­din­gungs­lo­ses Grund­ein­kom­men hat ihr wich­tigs­tes Ziel wahr­schein­lich be­reits er­reicht: Sie hat in der Schweiz eine span­nen­de De­bat­te über den Wert und Sinn der Ar­beit aus­ge­löst. Spre­che ich das Thema im Be­kann­ten­kreis an, dann ernte ich nor­ma­ler­wei­se ein schie­fes Lä­cheln, bevor das Ge­gen­über dann durch­bli­cken lässt, dass es sich sehr wohl be­reits ver­tief­te Ge­dan­ken dazu ge­macht hat. Denn die Idee ist ver­füh­re­risch und lässt nie­man­den kalt.

Das macht sie al­ler­dings nicht bes­ser. Das Prin­zip des Grund­ein­kom­mens geht wie so viele Uto­pi­en von einem idea­li­sier­ten Men­schen­bild aus: Frau und Mann, be­freit vom Zwang zu ar­bei­ten, gehen ihren Nei­gun­gen und Ta­len­ten nach und be­rei­chern damit die Ge­sell­schaft als Gan­zes. Wirk­lich? Es mag tat­säch­lich Leute geben, die sehr ver­ant­wor­tungs­voll mit die­ser neu­ge­won­ne­nen Frei­heit um­ge­hen wür­den. Und es gäbe wohl ei­ni­ge, die wei­ter­hin so viel wie mög­lich ar­bei­ten wür­den, weil das Grund­ein­kom­men ihren Le­bens­stan­dard nicht zu fi­nan­zie­ren ver­mag. Viele aber wür­den wohl zwei, drei Gänge zu­rück­schal­ten und sich dem «dolce far nien­te» zu­wen­den. Denn auch das ist eine mensch­li­che Nei­gung, die es nicht zu un­ter­schät­zen gilt. Ich glau­be al­ler­dings nicht, dass un­se­re Ge­sell­schaft be­reit ist, Men­schen den Le­bens­un­ter­halt zu fi­nan­zie­ren, die nichts zu die­ser Ge­sell­schaft bei­tra­gen wol­len, ob­wohl sie dazu fähig wären. Denn ein sol­ches Sys­tem ist im Kern un­so­li­da­risch und aso­zi­al.

Ein Pro­blem sehe ich darin, dass die In­itia­ti­ve Lohn­ar­beit in un­se­rem heu­ti­gen Sys­tem pri­mär als Zwang dar­stellt. So wird aus­ge­blen­det, dass Ar­beit auch sinn­stif­tend sein kann, die Men­schen mo­ti­viert und im po­si­ti­ven Sinne for­dert. Auch in einem An­ge­stell­ten­ver­hält­nis kann man seine Ta­len­te ent­fal­ten. Das Grund­ein­kom­men schwächt je­doch den An­reiz, über­haupt in den Ar­beits­markt ein­zu­stei­gen, um diese Er­fah­rung zu ma­chen. Warum soll je­mand eine mehr­jäh­ri­ge Lehre ab­sol­vie­ren, wenn die Kol­le­gen gleich­zei­tig in der Badi lie­gen und am Ende des Mo­nats trotz­dem gleich viel Geld auf dem Konto haben? Warum soll je­mand eine Teil­zeit­stel­le an­neh­men, wenn er damit we­ni­ger als das Grund­ein­kom­men ver­dient? Und wer macht über­haupt noch einen Job, bei dem er trotz Voll­zeit­pen­sum nur ein paar Hun­der­ter mehr ver­dient, als wenn er sich voll und ganz sei­nen Hob­bies wid­met?

Selbst­ver­ständ­lich kann man ar­gu­men­tie­ren, dass durch das Grund­ein­kom­men Be­ru­fe wie Ka­nal­ar­bei­ter, Putz­frau, Flug­be­glei­te­rin oder Schuh­ver­käu­fer end­lich an­ge­mes­sen ho­no­riert wer­den müss­ten, weil sie sonst nie­mand mehr aus­üben würde. Diese Sicht­wei­se igno­riert aber den Um­stand, dass die Schweiz be­reits heute ein Hoch­lohn­land ist. Müs­sen un­se­re ex­port­ori­en­tier­ten Un­ter­neh­men ihre Kos­ten für Per­so­nal und Dienst­leis­tun­gen wei­ter auf­blä­hen, sind ihre Pro­duk­te im Aus­land schlicht nicht mehr kon­kur­renz­fä­hig.

Die Schweiz zählt zu den am bes­ten ver­netz­ten und am stärks­ten von der Glo­ba­li­sie­rung er­fass­ten Län­dern der Welt. Der klei­ne Bin­nen­markt zwingt uns dazu, eine of­fe­ne Volks­wirt­schaft zu leben. Ein sol­ches Sys­tem ver­trägt sich ganz und gar nicht mit einem be­din­gungs­lo­sen Grund­ein­kom­men. Wäh­rend viele Un­ter­neh­men aus Kos­ten­grün­den ab­wan­dern müss­ten, wür­den Men­schen aus aller Welt von die­sem wun­der­sa­men Geld­re­gen an­ge­lockt. Wer nun aber Re­geln de­fi­nie­ren will, unter wel­chen Um­stän­den auch nicht Schwei­zer vom Grund­ein­kom­men pro­fi­tie­ren dürf­ten, der hat die Idee be­reits ver­ra­ten – das Grund­ein­kom­men ist dann näm­lich nicht mehr be­din­gungs­los.

Damit ist über die Fi­nan­zier­bar­keit des Gan­zen noch nichts ge­sagt. «There ain't no such thing as a free lunch», be­sagt ein von Öko­no­men oft zi­tier­tes Sprich­wort.

Wir kön­nen kein Grund­ein­kom­men ver­tei­len, ohne dass je­mand die Zeche be­zah­len muss.

Die vor­ge­se­he­ne Ab­schaf­fung fast aller So­zi­al­wer­ke spart bei Wei­tem nicht aus­rei­chend Geld ein – vor allem, weil die ku­mu­lier­ten Leis­tun­gen aus die­sen Ver­si­che­run­gen in vie­len Fäl­len höher aus­fal­len als die vor­ge­se­he­nen 2500 Fran­ken pro Monat. Die Er­hö­hung der Mehr­wert­steu­er auf rund 50 Pro­zent wäre eine ein­fa­che Lö­sung, würde aber das Grund­ein­kom­men der­art ent­wer­ten, dass es gleich wie­der mas­siv er­höht wer­den müss­te. Und eine Fi­nanz­trans­ak­ti­ons­steu­er, so mi­ni­mal sie auch aus­fal­len würde, wäre das so­for­ti­ge Ende des Schwei­zer Fi­nanz­plat­zes und würde eben­falls rie­si­ge Lö­cher in den Bun­des­haus­halt reis­sen. Die Rech­nung müss­ten wir somit alle be­zah­len. Und mit rund 140 Mil­li­ar­den Fran­ken pro Jahr – das ent­spricht dem Zehn­fa­chen der jähr­li­chen Aus­ga­ben des Kan­tons Zü­rich – fällt diese ziem­lich hap­pig aus. Von der­art teu­ren Uto­pi­en soll­ten wir bes­ser die Fin­ger las­sen.