Den Volkswillen umsetzen, nicht das Parlament vor den Kopf stossen
Das vom Parlament letztes Jahr verabschiedete neue Tabakproduktegesetz bedarf nach der Annahme der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» bereits einer Teilrevision. Die nun vorgeschlagene Umsetzung ist aber unverhältnismässig und überschiessend. Sie muss substanziell überarbeitet und auf das Thema der Volksabstimmung reduziert werden. Basis bildet das vom Parlament 2021 verabschiedete Tabakproduktegesetz.
Die Schweizer Stimmberechtigten haben am 13. Februar 2022 die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung)» an der Urne angenommen. Die Initiative geht beim Thema des Zugangs Jugendlicher zu Tabakwerbung über das vom Parlament 2021 beschlossene Tabakproduktegesetz hinaus. Es galt entsprechend, im Rahmen der Umsetzung der Volksinitiative hier konkrete Anpassungen vorzuschlagen.
Der Vorentwurf weckt Zweifel am Respekt vor Entscheiden von Volk und Parlament
Der Vorentwurf zur Teilrevision des Tabakproduktegesetzes geht nun aber weit über das Thema der Volksabstimmung hinaus. Er greift damit insbesondere auch Themen auf, bei denen das Parlament abschliessend diskutiert und beschlossen hat und die nichts mit der Volksabstimmung zu tun haben. Damit überdehnt der Vorentwurf den aus der Volksabstimmung hervorgehenden Auftrag und stellt ohne erkennbaren Grund die Autorität der Legislative und die Gewaltenteilung infrage.
Im Parlament wurde 2021 beispielsweise explizit entschieden, die Pflicht zur Meldung von Werbeausgaben an die staatlichen Behörden nicht im Gesetz aufzunehmen. Warum diese Bestimmung, die nichts mit der Volksinitiative zu tun hat, nun Teil ihrer Umsetzung sein soll, ist unverständlich.
Wenn Entscheide des Parlaments durch die Behörden nicht akzeptiert und einfach so lange wieder aufgebracht werden, bis sie in ihrem Sinne angepasst werden, führt das nicht nur zu einer unnötigen Verzögerung von Vorlagen, es untergräbt vielmehr auch die Kompetenz der Bundesversammlung, Gesetze zu erlassen. Ein solches Vorgehen der Behörden ist sowohl aus staats- wie auch ordnungspolitischen Gründen klar zu hinterfragen.
Seltsames Technologieverständnis
Im erläuternden Bericht wird behauptet, dass ein Totalverbot im Onlinebereich notwendig sei, weil keine geeigneten Massnahmen bestünden, um sicherzustellen, dass Werbung in Online-Zeitungen und -Zeitschriften oder Ähnlichem nur von Erwachsenen eingesehen werden können.
Diese veraltete und technologiefeindliche Haltung seitens der Bundesverwaltung ist unverständlich. Sie ignoriert die bereits bestehenden und insbesondere die geplanten technischen Möglichkeiten zur Identifikation im Internet wie zum Beispiel die E-ID. Sie widerspricht zudem der Haltung des Bundesrats in anderen Bereichen, wo er ein Bestehen solcher Möglichkeiten ausdrücklich anerkennt. Ein totales Werbeverbot im Onlinebereich ist verfehlt und offensichtlich überschiessend.
Das Aufblähen der Vorlage: ein fragwürdiges Vorgehen
Der Vorentwurf weckt den Eindruck, als möchte man die Beratung im Parlament zu wichtigen Punkten nun einfach ungeschehen machen. Klar ist: Der Volksentscheid ist angemessen umzusetzen. Bereits hier aber überschiesst der Vorentwurf und es besteht erheblicher Anpassungsbedarf. Über die Umsetzung der Volksinitiative hinaus hatte die Verwaltung schliesslich keinen Auftrag, weitere Anpassungen am erst im letzten Jahr im Parlament durchberatenen Gesetz vorzuschlagen. Der Entwurf muss auf Basis des vom Parlament verabschiedeten Gesetzes im Sinne eines möglichst schonenden Ausgleichs der verschiedenen Verfassungs- und Grundrechtsinteressen grundlegend überarbeitet werden.