Bahn­aus­bau: Le­gi­ti­me An­lie­gen der Wirt­schaft dis­ku­tie­ren

Eine leis­tungs­fä­hi­ge, ef­fi­zi­en­te und so­li­de fi­nan­zier­te Schie­nen­in­fra­struk­tur ist im In­ter­es­se der Wirt­schaft. Die Vor­la­ge zu Fi­nan­zie­rung und Aus­bau der Bahn­in­fra­struk­tur (FABI), die nächs­te Woche im Na­tio­nal­rat be­han­delt wird, setzt wich­ti­ge Wei­chen für die Zu­kunft. Die Wirt­schaft stellt sich auf den Stand­punkt, dass mit Bun­des­gel­dern fi­nan­zier­te In­fra­struk­tu­ren einer na­tio­na­len Optik fol­gen müs­sen. Fi­nan­zie­rungs­sün­den­fäl­le und Schein­lö­sun­gen lehnt die Wirt­schaft ab.

Die Bahn­in­fra­struk­tur der Schweiz ist Spit­zen­klas­se und der ex­ter­ne Nut­zen für Wirt­schaft und Ge­sell­schaft ist un­be­strit­ten. Die Schie­ne bringt Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber zu­sam­men, ver­bin­det Un­ter­neh­men mit Kun­den und Ab­satz­märk­ten und ist ein Rück­grat der Tou­ris­mus­de­s­ti­na­ti­on Schweiz. Sol­che Über­le­gun­gen und die All­tags­bil­der über­füll­ter Pend­ler­zü­ge haben den Stän­de­rat dazu be­wo­gen, die Vor­la­ge zu Fi­nan­zie­rung und Aus­bau der Bahn­in­fra­struk­tur (FABI), die der Na­tio­nal­rat kom­men­de Woche als Zweitrat be­han­deln wird, von 3,5 Mil­li­ar­den auf 6,4 Mil­li­ar­den Fran­ken auf­zu­sto­cken.

Auch die Be­ra­tun­gen in der na­tio­nal­rät­li­chen Ver­kehrs­kom­mis­si­on deu­ten nicht auf einen Rich­tungs­wech­sel hin. Re­gio­nal­in­ter­es­sen und ver­meint­lich ein­fa­che Fi­nan­zie­rungs­lö­sun­gen sind Haupt­grün­de, die den Ent­scheid für zu­sätz­li­che Aus­bau­ten ge­för­dert haben. Dabei war die Aus­gangs­la­ge klar: Der vom Bund über­wie­gend mit Bun­des­gel­dern fi­nan­zier­te Bahn­aus­bau muss einer na­tio­na­len Prio­ri­tä­ten­ord­nung fol­gen. Der Bun­des­rat war mit sei­nem Vor­schlag die­ser Ma­xi­me grund­sätz­lich ge­folgt.

Eine Dis­kus­si­on zu an­de­ren zen­tra­len Punk­ten der Vor­la­ge hat bis­lang kaum statt­ge­fun­den. Dies trotz der in­halt­li­chen und zeit­li­chen Be­deu­tung der Vor­la­ge – die vor­ge­schla­ge­ne Fi­nan­zie­rungs­lö­sung soll in der Ver­fas­sung ver­an­kert wer­den und für die Zu­kunft un­be­fris­tet gel­ten. Aus Sicht von eco­no­mie­su­is­se sind fol­gen­de Punk­te noch­mals ernst­haft zu prü­fen:
Erst­ma­li­ge Zweck­bin­dung der di­rek­ten Bun­des­steu­er wäre ein Sün­den­fall: Die di­rek­te Bun­des­steu­er soll für die Schie­nen­fi­nan­zie­rung erst­mals zweck­ge­bun­den wer­den. Die Zweck­bin­dung er­folgt über die Be­gren­zung des Fahr­kos­ten­ab­zugs bei der Ein­kom­mens­steu­er (Pend­ler­ab­zug). Die di­rek­te Bun­des­steu­er ist nach der Mehr­wert­steu­er die Haupt­ein­nah­me­quel­le des Bun­des. Sie fi­nan­ziert den all­ge­mei­nen Bun­des­haus­halt und steht für sämt­li­che Bun­des­auf­ga­ben zur Ver­fü­gung. Wür­den An­tei­le der di­rek­ten Bun­des­steu­er zweck­ge­bun­den, ginge dies zu­las­ten der üb­ri­gen Auf­ga­ben, die über kein sol­ches Pri­vi­leg ver­fü­gen. Wie das Bei­spiel der Mehr­wert­steu­er zeigt, öff­nen Zweck­bin­dun­gen zudem Steu­er­er­hö­hun­gen Tür und Tor. Wo immer Wün­sche für zu­sätz­li­che Fi­nanz­mit­tel be­ste­hen, lau­fen diese heute über die Mehr­wert­steu­er – auch im Fall der FABI-Zu­satz­aus­bau­ten. Die di­rek­te Bun­des­steu­er muss vor die­sem Druck ge­schützt wer­den. Ein Pa­ra­dig­men­wech­sel hätte ab­seh­bar schäd­li­che Kon­se­quen­zen. Die Be­gren­zung des Pend­ler­ab­zugs und die damit ein­her­ge­hen­de Steu­er­er­hö­hung ist zudem steu­er­sys­te­ma­tisch will­kür­lich und geht ein­sei­tig zu­las­ten der Au­to­pend­ler.

Schein­lö­sung bei der Mi­ne­ral­öl­steu­er – NEAT-Vier­tel ge­hört zu­rück in die Stras­sen­kas­se: Für die ge­plan­te Wei­ter­ver­wen­dung von Mit­teln aus der Mi­ne­ral­öl­steu­er für die Schie­nen­fi­nan­zie­rung (300 Mil­lio­nen Fran­ken, heute be­fris­tet für den NEAT-Bau re­ser­viert) gibt es aus einer ver­kehrs­trä­ger­über­grei­fen­den Per­spek­ti­ve keine Grund­la­ge. Die Stras­se selbst steht bei der Fi­nan­zie­rung vor gros­sen Pro­ble­men und eine Er­hö­hung der Mi­ne­ral­öl­steu­er ist ab­seh­bar. In die­ser Lage ist eine wei­te­re Zweck­ent­frem­dung von Mit­teln sach­lich nicht plau­si­bel und ge­fähr­det die künf­ti­ge Stras­sen­fi­nan­zie­rung. Die Po­li­tik ist des­halb an­ge­hal­ten, Wort zu hal­ten und den Mi­ne­ral­öl­steu­er­an­teil nach Be­en­di­gung der NEAT-Pro­jek­te wie­der der Stras­se zur Ver­fü­gung stel­len.

Re­gio­na­le Pro­jek­te er­for­dern stär­ke­res En­ga­ge­ment der Kan­to­ne: Ein Min­der­heits­an­trag im Na­tio­nal­rat ver­langt, dass der Bei­trag der Kan­to­ne an die künf­ti­ge Schie­nen­fi­nan­zie­rung von 500 Mil­lio­nen auf 800 Mil­lio­nen Fran­ken er­höht wird. Denn die von der Po­li­tik zu­sätz­lich ge­plan­ten Aus­bau­ten sind be­son­ders stark von re­gio­na­lem Nut­zen. Die Kan­to­ne müs­sen des­halb ver­stärkt auch in die Fi­nan­zie­rungs­pflicht ge­nom­men wer­den. Bei der Be­stel­lung des Re­gio­nal­ver­kehrs be­ste­hen heute Fehl­an­rei­ze. Diese sol­len zu­min­dest beim künf­ti­gen In­fra­struk­tur­aus­bau ent­schärft wer­den.

Be­fris­tung des Bahn­in­fra­struk­tur­fonds auf 2030: Mit dem neuen Bahn­in­fra­struk­tur­fonds (BIF) soll der Fi­nan­zie­rungs­me­cha­nis­mus für den Bahn­aus­bau auf Ver­fas­sungs­ebe­ne ver­bind­lich fest­ge­schrie­ben wer­den. Eine Be­fris­tung des Fonds bis 2030, wie es ein Min­der­heits­an­trag ver­langt, würde es Par­la­ment und Volk er­mög­li­chen, die Zweck­mäs­sig­keit der ge­wähl­ten Fi­nan­zie­rungs­for­mel pe­ri­odisch zu über­prü­fen und ge­ge­be­nen­falls an­zu­pas­sen. Die­ses Sys­tem der pe­ri­odi­schen Er­neue­rung gilt heute für die gros­sen Steu­ern des Bun­des und funk­tio­niert pro­blem­los. 

Wenn der Na­tio­nal­rat nächs­te Woche über FABI ent­schei­det, gilt es dabei auch die Kon­se­quen­zen zu be­rück­sich­ti­gen. Der avi­sier­te Aus­bau­schritt von 6,4 Mil­li­ar­den Fran­ken wird Fol­ge­kos­ten ver­ur­sa­chen, die den Bahn­in­fra­struk­tur­fonds in Zu­kunft vor Pro­ble­me stel­len wird. So wer­den die zu­sätz­li­chen Un­ter­halts- und Be­triebs­kos­ten die Mög­lich­kei­ten für künf­ti­ge drin­gen­de Eng­pass­be­sei­ti­gun­gen und Aus­bau­ten ein­schrän­ken. (Zu) rasch ge­fäll­te Aus­bau­ent­schei­de sind keine neue Er­schei­nung. Dass die vor we­ni­gen Jah­ren be­schlos­se­nen Aus­bau­ten beim Hoch­ge­schwin­dig­keits­ver­kehr (HGV) zu­rück­hal­ten­der hät­ten aus­fal­len sol­len und heute nicht mehr so ge­plant wür­den, ist eine breit ge­teil­te Mei­nung.

Wenn die Po­li­tik am re­gio­nal­po­li­tisch mo­ti­vier­ten über­höh­ten ers­ten Aus­bau­schritt fest­hal­ten soll­te, muss dem Volk we­nigs­tens eine Vor­la­ge prä­sen­tiert wer­den, die den vol­len Preis des an­ge­dach­ten Pro­jekts in­klu­si­ve aller not­wen­di­gen Steu­er­er­hö­hun­gen und Fol­ge­kos­ten trans­pa­rent wie­der­gibt – ohne Sün­den­fäl­le und Schein­lö­sun­gen.