Note

Armeefinanzierung: gefährlicher Vorschlag aus dem Ständerat

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der Vorschlag der ständerätlichen Finanzkommission, für die Armeefinanzierung die Aufteilung der Mindeststeuereinnahmen in Frage zu stellen, ist ungewöhnlich und fragwürdig.
  • Er bricht mit einem unbestrittenen Volksentscheid, der erst im letzten Jahr gefällt wurde und auf einem Kompromiss zwischen Bund und Kantonen beruht.
  • Die wirtschaftsstarken Kantone tragen eine grosse Verantwortung für das Wohlergehen und die Steuereinnahmen der Schweiz. Ihnen notwendige Mittel zu nehmen, ist gefährlich.

Die Vorberatungen der Finanzkommissionen von National- und Ständerat zum Voranschlag des Bundes für das Jahr 2025 und den Finanzplan für die Jahre 2026-2028 sind zu Ende. Beide Finanzkommissionen streben eine deutliche Erhöhung der Armeeausgaben an und machen für die Mehrausgaben Finanzierungsvorschläge. Während die Finanzkommission des Nationalrats vorab eine Mittelverschiebung von der Internationalen Zusammenarbeit und dem Eigenbereich des Bundes ins Auge fasst, schlägt die ständerätliche Finanzkommission ein komplexeres Kompensations-Konzept vor, das dem Bund in einer Massnahme auch Mehreinnahmen verschaffen soll: durch die Neuregelung der Einnahmen aus der OECD-Mindeststeuer.

Finanzkommission will breit akzeptierten Einnahmenteiler anpassen

Zur Erinnerung: Die OECD hat eine Mindeststeuer von 15 Prozent auf Gewinnen grosser internationaler Unternehmensgruppen beschlossen, die ab diesem Jahr (2024) in Kraft getreten ist. Für die Einführung dieser Mindeststeuer in der Schweiz brauchte es eine Änderung der Bundesverfassung, die die Schweizer Stimmbevölkerung im Juni 2023 mit einem Ja-Anteil von 78,5 Prozent gutgeheissen hat. Der vor allem umstrittene Punkt der Verfassungsänderung war die Aufteilung der Mehreinnahmen. Der Bundesrat und alle Kantone einigten sich auf eine Aufteilung der Einnahmen von 25 Prozent für den Bund und 75 Prozent für die Kantone. Nach einer heftigen Debatte stimmte auch das Bundesparlament dieser Lösung zu. Diese Lösung hat das Stimmvolk mit seinem überwältigendem Mehr in einer Übergangsbestimmung in der Bundesverfassung verankert.

Die ständerätliche Finanzkommission stellt in der aktuellen Debatte um die Bundesfinanzen diese Lösung nun in Frage. Sie verlangt vom Bundesrat, dass er schon im nächsten Jahr eine Gesetzesvorlage dem Parlament unterbreitet, in der er den Einnahmenteiler auf 50/50 anpasst. Der Bund würde also aus der Mindeststeuer mehr Geld erhalten, das er für die Armeefinanzierung nutzen muss. Die Kantone würden im Gegenzug weniger Mittel erhalten. Das Vorgehen der Finanzkommission ist ungewöhnlich und fragwürdig.

Sechs Gründe sprechen gegen die Anpassung des Einnahmenteilers

Erstens sieht die neue Verfassungsbestimmung vor, dass der Bundesrat dem Parlament sechs Jahre nach Inkrafttreten der Steuer eine Gesetzesvorlage für die Mindeststeuer vorlegen muss. Dieser Zeithorizont macht Sinn, weil die Mindeststeuer völlig neuartig ist und zuerst Erfahrungen mit ihr gesammelt werden müssen, bevor die heute lediglich provisorisch in Verordnungsform vorliegenden Regeln in ein Bundesgesetz gegossen werden können. Die betroffenen Firmen sind heute daran, die Mindeststeuer in ihren Systemen zu verankern, was äusserst anspruchsvoll ist. Die ersten Steuerzahlungen fliessen 2026. Der Umfang dieser Zahlungen ist völlig unbekannt, es existieren lediglich Schätzungen, die nach neuesten Angaben des Bundesrats im Bereich von 1,5 Milliarden bis 3,5 Milliarden Franken liegen können. Die Spannbreite ist also weit. Ein separates Gesetz für die Verteilung der Einnahmen zu beraten ohne konkrete Vorstellungen, wie hoch die Einnahmen sein werden und wie sie sich zumindest in den ersten Jahren entwickeln, macht keinen Sinn. Die Einnahmen sind von verschiedenen Parametern abhängig. Ein wichtiger ist, wie die Kantone auf die Mindeststeuer reagieren.

Denn zweitens sind es die Kantone und nicht der Bund, die auf die steuerlichen Verschlechterungen der Mindeststeuer, von denen die besten Steuerzahler in diesem Land betroffen sind, eine Antwort finden müssen. Das haben Bund und Kantone so vereinbart. Der Bund unternimmt keine Massnahmen, um die durch die verschlechterten Rahmenbedingungen im Steuerbereich sinkende Standortattraktivität der Schweiz für international tätige Firmen zu kompensieren. Die Bundesverfassung verlangt zwar, dass der Bund seinen Einnahmenviertel zur Standortförderung einsetzen muss. Das tut der Bundesrat aber nicht oder höchstens deklamatorisch, indem er ausführt, dass er die Gelder «für die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung, die Dekarbonisierung von Unternehmen sowie zur Finanzierung des Wachstums im Bereich Bildung, Forschung und Innovation» brauchen will – alles Aufgaben, die sowieso geplant waren und die der Bundesrat jetzt mit den Mindeststeuereinnahmen finanzieren will. Mit anderen Worten: die echte Standortförderung bleibt als Aufgabe bei den Kantonen, die dafür die Mehrzahl der Gelder der Mindeststeuer erhalten.

Indem die Kantone vor allem mit konkreten Massnahmen für den Erhalt der Standortattraktivität sorgen müssen, tragen sie drittens eine grosse Verantwortung. Die Verantwortung ist nicht kantonal, sondern bezieht sich auf die ganze Schweiz. Wenn der Kanton Basel-Stadt ein starker Pharmakanton ist, profitiert davon die Stadt Basel. Es profitieren aber auch die umliegenden Kantone, und es profitiert vor allem auch ganz direkt der Bund, indem er über die direkte Bundesteuer hohe Steuereinnahmen aus Basel erhält. Die direkte Bundessteuer der juristischen Personen ist heute wichtiger als die Einkommenssteuer und bildet einen tragenden, unverzichtbaren Pfeiler der Bundesfinanzen. Die grossen, international tätigen Unternehmen sind für 90 Prozent der Gewinnsteuereinnahmen verantwortlich. Es geht um ein Volumen von 16 Milliarden Franken im Jahr 2025. Wenn der Bund den Kantonen die Mittel nimmt, um ihre Standorte unter veränderten steuerlichen Rahmenbedingungen weltklasse zu halten, läuft er Gefahr, seine eigenen Einnahmen zu schwächen. Das kann nicht im Interesse des Bundes sein. Der Bund braucht wenn schon mehr Einnahmen aus der Firmensteuer, um die klammen Bundesfinanzen einigermassen auf Kurs zu halten, und plant für die nächsten Jahre auch mit solchen (17,5 Milliarden Franken in 2028). Der Bund tut deshalb gut daran, den wirtschaftlich starken, aber international exponierten Kantonen ihre Mittel zu belassen – Mittel, von denen ohnehin niemand weiss, wie hoch sie sein werden.

Viertens kannibalisierte sich der Bund im Vorschlag der ständerätlichen Finanzkommission mehrheitlich selbst. Weil die Mittel aus der Mindeststeuer schon verplant sind (neben der Digitalisierung etc. muss der Bund auch den Nationalen Finanzausgleich NFA zusätzlich füllen), würde die Verschiebung der Mittel zur Armee eine Lücke öffnen, die anderweitig mit Geldern geschlossen werden müsste. Was die Kommission vorschlägt, wäre also finanziell für den Bund ein Nullsummenspiel, ein Umherschieben von Geldern und Verlagern von Problemen.

Fünftens: Mit ihrem Vorschlag schwächt die Kommission nicht nur die wirtschaftsstarken Kantone, sondern auch alle anderen, wirtschaftlich schwächeren. Ein Hauptgrund, warum die Aufteilung der Mindeststeuereinnahmen zu 75 Prozent zugunsten der Kantone beschlossen wurde, lag gerade darin, dass auch wirtschaftlich schwächere Kantone nicht nur direkt mehr Gelder behalten könnten (aus der Ergänzungssteuer ihrer eigenen Firmen), sondern sie auch mehr Gelder aus dem NFA erhalten würden. Gegenüber einer Lösung 50/50 wurde vor Jahresfrist berechnet, dass die Zusatztransfers zugunsten der schwächeren Kantone 100 Millionen jährlich betragen. Diese Wirkung liegt in der Funktionsweise des NFA begründet; sie führt dazu, dass die interkantonalen Transfers grösser sind, je mehr Mittel bei den Kantonen bleiben. Gerade der Ständerat hatte sich aus diesem Grund stark für die jetzt geltende 25/75-Lösung ausgesprochen. Eine 50/50-Lösung geht demnach nicht nur zulasten von Basel-Stadt, Zug oder Genf – sie straft auch Graubünden, Uri oder den Kanton Jura.

Sechstens und letztens stellt die Finanzkommission einen Volksentscheid in Frage, der gerade erst im letzten Jahr und mit äusserster Klarheit gefällt wurde. Dass Kantone deshalb von Vertrauensbruch sprechen, ist verständlich. Kantone wurden dafür kritisiert, dass sie nach der Volksabstimmung vom Juni 2023 Projekte in die Wege leiteten, um ihre kantonalen Gewinnsteuersätze zu erhöhen und die Sätze näher an die 15 Prozent-Mindeststeuermarke zu bringen. Der Vorwurf zielte darauf, dass die Kantone auf diese Weise die Mindeststeuer (bzw. Ergänzungssteuer) umgingen. Die Kantone hatten immer klar gemacht, dass die Festlegung der Firmensteuersätze ihre eigene, unbestrittene Kompetenz ist und sie notfalls, z.B. bei einem Scheitern der Mindeststeuer an der Urne, ihre Sätze autonom anheben würden, um ihre Einnahmen vor fremdem Zugriff zu schützen. Dass nun ausgerechnet im Ständerat ein Vorschlag vorliegt, der Kantone erst recht zu diesem Schritt treibt (der «fremde» Zugriff würde in diesem Fall vom Bund ausgehen), ist eine Ironie, allerdings eine der wenigen guten Sorte.

Eine schlechte Lösung für Bund und Kantone

Im März 2023 schrieb die Konferenz der Kantonsregierungen KdK: «Die Schweiz wird aufgrund der OECD-Mindestbesteuerung einen Teil ihres Wettbewerbsvorteils bei der Steuerbelastung verlieren. Mit dem festgelegten Verteilschlüssel erhalten Bund und Kantone die notwendigen Mittel aus Steuereinnahmen und Finanzausgleich, um Massnahmen zum Erhalt ihrer Attraktivität für die grossen Unternehmensgruppen zu treffen. Die Kantone kennen die Bedürfnisse der bei ihnen angesiedelten Unternehmen am besten und können so massgeschneiderte Massnahmen ergreifen, während der Bund die Möglichkeit erhält, die Standortqualität überregional zu erhalten.»

Diese Beurteilung gilt unverändert noch heute. Das Bundesparlament ist gut beraten, bei der Suche nach Antworten auf die Armeefinanzierungsfrage nicht schlechten Lösungen zum Durchbruch zu verhelfen, die Probleme, statt sie zu verringern, womöglich noch vergrössern.