Son­der­ses­si­on Na­tio­nal­rat 2017

Wäh­rend drei­er Tage hat der Na­tio­nal­rat im Rah­men einer Son­der­ses­si­on de­bat­tiert. eco­no­mie­su­is­se kom­men­tiert aus­ge­wähl­te Be­schlüs­se, die für die Wirt­schaft von Be­deu­tung sind.  

Na­tio­nal­rat

Par­la­men­ta­ri­sche De­bat­te auf einer guten Basis

Mit die­ser Vor­la­ge soll die Mas­sen­ein­wan­de­rungs­in­itia­ti­ve (MEI) um­ge­setzt wer­den. Der Ver­fas­sungs­ar­ti­kel sieht vor, dass die Schweiz die Zu­wan­de­rung von Aus­län­dern ei­gen­stän­dig steu­ert. Die Staats­po­li­ti­sche Kom­mis­si­on des Na­tio­nal­rats (SPK-N) hat auf der Basis einer Bot­schaft des Bun­des­rats eine Vor­la­ge aus­ge­ar­bei­tet, die drei Mass­nah­men um­fasst.

Zu­nächst sol­len staat­li­che und un­ter­neh­mens­be­zo­ge­ne Mass­nah­men dafür sor­gen, dass das Ar­beits­kräf­te­po­ten­zi­al im In­land bes­ser ge­nutzt wird. Über­schrei­tet die Zu­wan­de­rung ein be­stimm­tes Mass, kann der Bun­des­rat an­ord­nen, dass of­fe­ne Stel­len zu­erst den Re­gio­na­len Ar­beits­ver­mitt­lungs­zen­tren (RAV) ge­mel­det wer­den müs­sen. Als drit­te Stufe sieht der Ent­wurf der SPK-N noch nicht näher de­fi­nier­te «Ab­hil­fe­mass­nah­men» vor für Si­tua­tio­nen mit schwer­wie­gen­den wirt­schaft­li­chen oder so­zia­len Pro­ble­men. Sol­che Mass­nah­men setzt der Bun­des­rat mit Zu­stim­mung der EU im Rah­men des ge­misch­ten Aus­schus­ses des Per­so­nen­frei­zü­gig­keits­ab­kom­mens um. Ins­ge­samt ist die Vor­la­ge der SPK-N ver­ein­bar mit der Per­so­nen­frei­zü­gig­keit.

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

Für die Wirt­schaft ist die wirt­schafts­freund­li­che und eu­ro­pa­ver­träg­li­che Um­set­zung der Mas­sen­ein­wan­de­rungs­in­itia­ti­ve zen­tral. An­ge­sichts der nach dem Brex­it er­höh­ten Un­si­cher­hei­ten ist eine MEI-Um­set­zung mit Au­gen­mass bis zum Jah­res­en­de ge­fragt. Diese An­for­de­run­gen er­füllt der Vor­schlag der SPK-N.

eco­no­mie­su­is­se un­ter­stützt das Grund­mo­dell der SPK-N
Das Grund­mo­dell der SPK-N ist eine gute Basis für die wei­te­re par­la­men­ta­ri­sche De­bat­te. Ver­schie­de­ne of­fe­ne Punk­te wird das Par­la­ment noch klä­ren müs­sen. So zum Bei­spiel die Frage, für wel­che Be­ru­fe und Re­gio­nen ein In­län­der­vor­rang gel­ten müss­te oder wel­che Mass­nah­men dem In­län­der­vor­rang und den Ab­hil­fe­mass­nah­men zu­grun­de lie­gen. 

All­fäl­li­ge wei­te­re Mass­nah­men zur bes­se­ren Aus­schöp­fung des Ar­beits­po­ten­zi­als 
eco­no­mie­su­is­se ist be­reit, an­hand eines In­di­ka­to­ren­mo­dells aus­ge­wähl­te Be­rufs­grup­pen und Re­gio­nen einem In­län­der­vor­rang und damit einer Mel­de­pflicht der Un­ter­neh­men an die re­gio­na­len Ar­beits­ver­mitt­lungs­äm­ter zu un­ter­stel­len. Zudem wird die Wirt­schaft ge­eig­ne­te Ab­hil­fe­mass­nah­men mit­tra­gen, wenn die Zu­wan­de­rung aus EU/EFTA-Staa­ten trotz In­län­der­vor­rang die «EU-Schwel­le» über­schrei­tet. Eine ge­eig­ne­te Ab­hil­fe­mass­nah­me wäre bei­spiels­wei­se für Be­rufs­grup­pen ohne Man­gel eine Nach­weis­pflicht, wie sie heute bei Dritt­staa­ten­bür­gern an­ge­wandt wird – je­doch ohne Kon­tin­gen­te. 

Zu­satz­mass­nah­me: Ar­beits­stel­len beim Staat pla­fo­nie­ren
Ein be­deu­ten­der Teil der Nach­fra­ge nach aus­län­di­schen Ar­beits­kräf­ten ba­siert auf der ra­sant ge­stie­ge­nen Be­schäf­ti­gung im öf­fent­li­chen Sek­tor. Deren Wachs­tum hat jenes der Be­schäf­ti­gung im Pri­vat­sek­tor in den ver­gan­ge­nen Jah­ren deut­lich über­trof­fen. eco­no­mie­su­is­se for­dert des­halb Mass­nah­men zur Pla­fo­nie­rung der Stel­len der staat­li­chen Ar­beit­ge­ber. 
 

Stand der Be­ra­tun­gen

Der Na­tio­nal­rat be­han­delt die Vor­la­ge in der Herbst­ses­si­on als Er­strat. Die Staats­po­li­ti­sche Kom­mis­si­on des Na­tio­nal­rats (SPK-N) hat die Vor­la­ge mit 16 zu 9 Stim­men an­ge­nom­men. Zu ver­schie­de­nen Punk­ten lie­gen An­trä­ge von Kom­mis­si­ons­min­der­hei­ten vor. 

 

  

Na­tio­nal­rat will Agrar­sub­ven­tio­nen er­hö­hen

Mit die­ser Vor­la­ge wird ein Gross­teil der Land­wirt­schafts­sub­ven­tio­nen für die Jahre 2018 bis 2021 fest­ge­legt. Ins­ge­samt be­an­tragt der Bun­des­rat für die drei Jahre 13,278 Mil­li­ar­den Fran­ken. Die­ser Be­trag liegt um 3,7 Pro­zent oder 514 Mil­lio­nen Fran­ken tie­fer als jener für die Pe­ri­ode 2014 bis 2017. Die leich­te Aus­ga­ben­sen­kung ent­spricht einem pro­por­tio­na­len Bei­trag der Land­wirt­schaft an das Sta­bi­li­sie­rungs­pro­gramm 2017 bis 2019. 

Da die An­zahl land­wirt­schaft­li­cher Be­trie­be leicht ab­nimmt, geht der Bun­des­rat davon aus, dass die Ein­kom­men der Land­wirt­schafts­be­trie­be trotz leicht ge­senk­tem Sub­ven­ti­ons­ni­veau wei­ter stei­gen wer­den. 

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

Eine Er­hö­hung der Aus­ga­ben ist an­ge­sichts der Bun­des­fi­nan­zen un­ver­ant­wort­lich. Auch agrar­po­li­tisch gibt es kei­nen Grund dafür. Weder sin­ken mit den vom Bun­des­rat be­an­trag­ten Mit­tel die Ein­kom­men der Land­wir­te, noch wird da­durch die Ver­sor­gung mit ein­hei­mi­schen Le­bens­mit­teln ge­fähr­det.

Er­hö­hung der Aus­ga­ben ge­fähr­det Sta­bi­li­tät des Bun­des­haus­halts
Damit die Bun­des­fi­nan­zen im Lot blei­ben, muss das Wachs­tum der Bun­des­aus­ga­ben in den kom­men­den Jah­ren ge­dros­selt wer­den. Die vom Bun­des­rat vor­ge­schla­ge­nen 13,278 Mil­li­ar­den Fran­ken stel­len aus fi­nanz­po­li­ti­scher Sicht das ab­so­lu­te Ma­xi­mum der Mit­tel dar, die der Land­wirt­schaft zu­ge­stan­den wer­den kön­nen. 

Land­wirt­schaft muss Spar­an­stren­gun­gen mit­tra­gen – wie alle an­de­ren Be­rei­che 
Die vom Bun­des­rat be­an­trag­ten Min­der­aus­ga­ben ent­spre­chen ver­hält­nis­mäs­sig den Kür­zun­gen in an­de­ren Auf­ga­ben­ge­bie­ten mit schwach ge­bun­de­nen Aus­ga­ben. Wer­den die Zah­lungs­rah­men für die Land­wirt­schaft ge­gen­über dem Ent­wurf des Bun­des­rats er­höht, wird die Sta­bi­li­tät der Bun­des­fi­nan­zen in­fra­ge ge­stellt. Oder es müs­sen über­pro­por­tio­na­le Ein­schnit­te in an­de­ren Aus­ga­ben­be­rei­chen er­fol­gen. Dies wi­der­spricht den In­ter­es­sen der Ge­sell­schaft und der Wirt­schaft. 

Ohne Markt­öff­nung keine Mil­li­ar­den­sub­ven­tio­nen
In der Ver­gan­gen­heit hat sich die Po­li­tik an der For­mel «Aus­bau der Un­ter­stüt­zungs­zah­lun­gen an die Land­wirt­schaft zur Ab­fe­de­rung der Aus­wir­kun­gen einer Markt­öff­nung» ori­en­tiert. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren wur­den aber keine Fort­schrit­te bei der Markt­öff­nung er­zielt, son­dern eher Rück­schrit­te. Es gibt somit auch in die­ser Hin­sicht kei­nen Grund, dass die Land­wirt­schaft nicht auch einen Bei­trag zur Sta­bi­li­sie­rung des Bun­des­halts leis­ten soll. 

Stand der Be­ra­tun­gen

Der Na­tio­nal­rat hat die Vor­la­ge in der Herbst­ses­si­on 2016 als Er­strat mit 119 zu 59 Stim­men bei 10 Ent­hal­tun­gen an­ge­nom­men. Er hat be­schlos­sen, die Mit­tel um ins­ge­samt 514 Mil­lio­nen Fran­ken auf­zu­sto­cken.

eco­no­mie­su­is­se be­dau­ert die­sen Ent­scheid. So­wohl aus fi­nanz- wie aus agrar­po­li­ti­scher Sicht ist es falsch, die Land­wirt­schaft von den Ent­las­tungs­mass­nah­men im Bun­des­haus­halt aus­zu­neh­men.

 

  

  

Steu­er­ab­kom­men im In­ter­es­se der Schweiz

Mit der Vor­la­ge 16.032 legt der Bun­des­rat dem Par­la­ment einen Bun­des­be­schluss zur Ge­neh­mi­gung eines Steu­er­in­for­ma­ti­ons­ab­kom­mens (SIA) mit Bra­si­li­en vor. Das Ab­kom­men re­gelt die ge­gen­sei­ti­ge steu­er­li­che Amts­hil­fe auf Er­su­chen, er­mög­licht aber weder den au­to­ma­ti­schen noch den spon­ta­nen In­for­ma­ti­ons­aus­tausch. Die vor­ge­se­he­ne Amts­hil­fe ent­spricht dem OECD-Stan­dard und ba­siert auf dem kürz­lich re­vi­dier­ten Steu­er­amts­hil­fe­ge­setz (StA­hiG).

Die Vor­la­ge 16.057 um­fasst acht bi­la­te­ra­le Ab­kom­men, mit denen ab 2018 der au­to­ma­ti­sche In­for­ma­ti­ons­aus­tausch in Steu­er­sa­chen (AIA) ein­ge­führt wer­den soll. Die Schweiz hat die recht­li­chen Grund­la­gen für den au­to­ma­ti­schen In­for­ma­ti­ons­aus­tausch ge­mäss dem «glo­ba­len Stan­dard» der OECD be­reits ver­ab­schie­det. Mit bi­la­te­ra­len Ab­kom­men wird der In­for­ma­ti­ons­aus­tausch nun mit den dafür in­fra­ge kom­men­den Län­dern ein­ge­führt. 

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

eco­no­mie­su­is­se emp­fiehlt, beide Vor­la­gen an­zu­neh­men. Sie die­nen der Um­set­zung der be­reits be­schlos­se­nen Po­li­tik beim Aus­tausch von Fi­nanz­da­ten zu Steu­er­zwe­cken. Die Schweiz führt den In­for­ma­ti­ons­aus­tausch im Ei­gen­in­ter­es­se ein. Um den Zu­gang zu aus­län­di­schen Märk­ten nicht zu ver­lie­ren, sind der Un­ter­neh­mens­stand­ort ge­ne­rell und ins­be­son­de­re der Schwei­zer Fi­nanz­platz auf in­ter­na­tio­na­le Ak­zep­tanz an­ge­wie­sen. Diese Ak­zep­tanz kann die Schweiz nur er­hal­ten, wenn sie mit den in­ter­na­tio­na­len Ent­wick­lun­gen mit­zieht und die Ver­än­de­run­gen, wo mög­lich, ge­mäss ihren In­ter­es­sen mit­ge­stal­tet. 

Ab­kom­men mit Bra­si­li­en: Wich­ti­ger Schritt für bes­se­ren Markt­zu­gang
Bra­si­li­en hat die Schweiz im Jahr 2010 wegen un­ge­nü­gen­dem Zu­gang zu In­for­ma­tio­nen über Be­tei­li­gun­gen an Un­ter­neh­men auf eine «schwar­ze Liste» ge­setzt. Mit der Ra­ti­fi­ka­ti­on des vor­lie­gen­den Steu­er­in­for­ma­ti­ons­ab­kom­mens (16.032) wird die Schweiz von die­ser Liste ge­stri­chen. Schwei­zer Un­ter­neh­men pro­fi­tie­ren da­durch von hö­he­rer Rechts- und In­ves­ti­ti­ons­si­cher­heit. Dies ist wich­tig, weil mit Bra­si­li­en kein Dop­pel­be­steue­rungs­ab­kom­men be­steht. 

Op­ti­ma­le Ver­hand­lungs­er­geb­nis­se für die Schweiz an­stre­ben 
Die Schwei­zer Re­gie­rung soll­te den bi­la­te­ra­len Dia­log mit acht neuen AIA-Ver­trags­part­ner­staa­ten nut­zen, um auf op­ti­ma­le Lö­sun­gen für Un­stim­mig­kei­ten in der Ver­gan­gen­heit hin­zu­wir­ken. Eine zen­tra­le Ziel­set­zung beim Ab­schluss von Ab­kom­men zur Ein­füh­rung der AIA soll­te aus­ser­dem sein, dass der Markt­zu­gang für Schwei­zer Fi­nanz­dienst­leis­ter ver­bes­sert wird. Im Ide­al­fall soll­te die Schweiz ent­spre­chen­de Ga­ran­ti­en er­hal­ten. 

Wirt­schaft­li­che In­ter­es­sen der Schweiz als Richt­mass für wei­te­re Ab­kom­men 
Die Aus­wahl wei­te­rer AIA-Part­ner­staa­ten muss aus Sicht von eco­no­mie­su­is­se mit Blick auf die Po­si­tio­nie­rung des Schwei­zer Fi­nanz­plat­zes er­fol­gen. Ver­hand­lun­gen soll­ten prio­ri­tär mit Staa­ten auf­ge­nom­men wer­den, die ein gros­ses Markt­po­ten­zi­al bie­ten und mit denen die wich­tigs­ten Kon­kur­renz­fi­nanz­plät­ze den AIA eben­falls ein­füh­ren. 

Stand der Be­ra­tun­gen

In der Herbst­ses­si­on 2016 be­fasst sich der Na­tio­nal­rat als Er­strat mit den Vor­la­gen. Die Kom­mis­si­on für Wirt­schaft und Ab­ga­ben des Na­tio­nal­rats (WAK-N) emp­fiehlt die Vor­la­ge 16.032 mit 15 zu 8 Stim­men zur An­nah­me. Ohne Ge­gen­stim­me be­an­tragt sie, den acht Bun­des­be­schlüs­sen der Vor­la­ge 16.057 zu­zu­stim­men.