Sommersession 2021

Die Sommersession 2021 ist zu Ende. Das Parlament hat einige wichtige Weichen richtig gestellt, allerdings nicht in jedem Fall Augenmass bewiesen. Korrekturen sind nötig, damit die Wirtschaft diese Entscheidungen mittragen kann – so zum Beispiel bei der AHV-Reform, der Abschaffung der Industriezölle, die vertagt worden ist, und bei der Revision der Zivilprozessordnung. Richtigerweise empfiehlt das Parlament einige schädliche Volksinitiativen zur Ablehnung.

Session im Überblick

Aus Sicht der Wirtschaft besonders erfreulich sind die Entscheide des Parlaments zur schrittweisen Abschaffung der sogenannten Stempelsteuer und zur Verlängerung der Ausnahmebestimmungen für Zinsen auf Too-big-to-fail-Instrumente. Beide Massnahmen haben erhebliches Potenzial, die finanzielle Stabilität der Unternehmen zu erhöhen. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wie wichtig eine ausreichende Kapitalisierung von Unternehmen ist; sie reduziert das Risiko für den Staat, mit Steuergeldern unterstützend eingreifen zu müssen. Es ist unlogisch, private Massnahmen zur Erhöhung der Stabilität, wie die Aufnahme von Eigen- oder Fremdkapital, über Steuern zu bestrafen. Stabile Unternehmen liegen im Interesse von uns allen.

Ebenso begrüsst die Wirtschaft die klar ablehnende Haltung der Räte gegenüber mehreren schädlichen Vorlagen. So hatte die Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot – Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt» im Ständerat keine Chance und wurde einstimmig abgelehnt. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie erstaunt dies nicht: Wären die Bestimmungen der Initiative bereits in Kraft, hätte die Bevölkerung heute keinen Zugang zu Impfstoffen. Bundesrat und Parlament empfehlen die Volksinitiative folglich klar zur Ablehnung. Sie setzten damit ein wichtiges Zeichen für den Forschungsstandort und eine qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung der Schweizer Bevölkerung. economiesuisse wird sich in der Volksabstimmung für ein Nein zu dieser radikalen Initiative engagieren.

Positiv auf die Wirtschaftstätigkeit auswirken wird sich die vom Nationalrat klar befürwortete Erhöhung des maximalen Abzugs bei der direkten Bundessteuer für die Kosten der Kinderdrittbetreuung auf 25'000 Franken. Die Massnahme stimuliert die Erwerbstätigkeit inländischer Arbeitskräfte.

Der Ständerat hat sich weiter gegen ein totales Werbeverbot für Tabakprodukte ausgesprochen. Ein solches Verbot hätte eine gefährliche Präjudizwirkung auf andere vermeintlich gesundheitsschädigende Produkte wie Zucker oder Fett. Dennoch hat sich die Kleine Kammer für einen griffigen Jugendschutz ausgesprochen. Tabakwerbung verschwindet aus dem öffentlichen Raum und der Verkauf von Tabakprodukten und E-Zigaretten an Minderjährige wird erstmals national einheitlich geregelt. Mit diesen Regelungen wurde eine vernünftige Alternative zur radikalen Volksinitiative «Zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» geschaffen. Die Vorlage kommt in der Herbstsession nochmals in die Grosse Kammer.

Auch der Nationalrat hat einem wirtschaftsfeindlichen Vorhaben eine Absage erteilt. Eine Motion für höhere Transparenz im Goldhandel forderte einen Alleingang der Schweiz beim Import von Gold. Das Anliegen ist berechtigt und wird auch von der Wirtschaft unterstützt. Die Schweiz tut aber gut daran, die Transparenz im Goldhandel in Zusammenarbeit mit allen Interessengruppen auf internationaler Ebene weiter voranzutreiben. Sie ist hier bereits aktiv.

economiesuisse bedauert allerdings auch eine Reihe von Entscheiden des Parlaments. Was die Gesundheitspolitik angeht, haben die eidgenössischen Räte die Volksinitiative «Für eine starke Pflege» beraten. Das Parlament empfiehlt die Volksinitiative zur Ablehnung, stellt dieser aber einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Dieser gelangt nur dann zur Abstimmung, wenn die Initiantinnen und Initianten die Initiative nicht zurückziehen. Wie dem auch sei: Sowohl Initiative wie auch Gegenvorschlag schaffen neue Aufgabenverflechtungen zwischen Bund und Kantonen, was zur ineffizienten Verwendung von Steuergeldern führt. Damit unterlaufen beide Varianten den Willen der Stimmbevölkerung, die sich im Rahmen der Föderalismusreform (nationaler Finanzausgleich, NFA) an der Urne deutlich für die Entflechtung der Aufgaben von Bund und Kantonen ausgesprochen hatte. economiesuisse empfiehlt Volksinitiative und Gegenvorschlag zur Ablehnung.

Nachdem der Ständerat die Vorlage zur Stabilisierung der AHV in der Frühjahrssession ins Gleichgewicht gebracht hat, weicht der Nationalrat wieder davon ab. Einig sind sich die Räte bei der Angleichung des Referenzalters auf 65 Jahre, welche die AHV per 2030 um gut 1,4 Milliarden Franken entlastet. Die vom Nationalrat beschlossene sachfremde Verwendung der Nationalbankgelder ist dabei keine Option für die Wirtschaft. Eine solche Quersubventionierung verzögert einerseits dringend benötigte strukturelle Reformen der AHV, andererseits greift sie die Unabhängigkeit der Nationalbank an. Lesen Sie hier die ausführliche Beurteilung von economiesuisse. Der Ständerat hat ein ähnlich lautendes Vorhaben («Negativzinsen der Schweizerischen Nationalbank in die AHV») in dieser Session abgelehnt. Der Nationalrat sollte hier dem Schwesterrat folgen.

Weiter hat sich der Ständerat mit der Revision der Zivilprozessordnung auseinandergesetzt. Für die Wirtschaft zentral ist die Einführung eines Berufsgeheimnisschutzes für Unternehmensjuristen. Dieser war im Rat unbestritten. Zurzeit stehen zwei unterschiedliche Vorschläge zur Diskussion: der Vorschlag des Bundesrats und der Vorschlag der Rechtskommission des Ständerats, für welchen sich die Mehrheit der Kleinen Kammer ausgesprochen hat. Letztere überzeugt technisch aber nicht – mit anderen Worten dürfte er in der Praxis zu Umsetzungsschwierigkeiten führen und den gewünschten Schutz gar unterlaufen. Die Wirtschaft hat sich deshalb für den bundesrätlichen Vorschlag ausgesprochen. Dieser ist in der Praxis einfach und klar umsetzbar. Der Nationalrat sollte sich deshalb der Version des Bundesrats anschliessen.

Für die Wirtschaft genauso wichtig gewesen wäre die seit Langem diskutierte und inzwischen dringlich gewordene Abschaffung der Industriezölle. Der Nationalrat hat das Geschäft vertagt und wird es voraussichtlich in der kommenden Herbstsession beraten. Die Abschaffung der Industriezölle würde Unternehmen administrativ deutlich entlasten, tiefere Preise für Konsumenten zur Folge haben, zu Wohlfahrtsgewinnen führen und neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Das Parlament sollte das Vorhaben deshalb nicht noch weiter auf die lange Bank schieben und – auch mit Blick auf die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie – vorwärtsmachen.

Ebenfalls nicht beraten wurde eine Motion, welche die Einführung des Einheitssatzes bei der Mehrwertsteuer fordert. Der Ständerat hat die entsprechende Motion Caroni der zuständigen Kommission zur Vorberatung zugewiesen. Das Anliegen ist zwar politisch anspruchsvoll, die positiven Effekte für den Wirtschaftsstandort Schweiz sind aber dermassen gewichtig, dass ein neuer Anlauf rasch vorangetrieben werden sollte.

Nationalrat und Ständerat beraten einige Dossiers, die die Wirtschaft seit Jahren mit Nachdruck fordert – und die mit Blick auf die Bewältigung der Pandemiefolgen noch bedeutsamer geworden sind. So zum Beispiel die seit Langem hängige und vom Ständerat sistierte Vorlage, welche die schrittweise Abschaffung der Stempelsteuern fordert. Der Nationalrat hat den ersten Teil der Vorlage bereits gutgeheissen (Entwurf 1, Abschaffung der Emmissionsabgabe). Der Ständerat muss ihm folgen: Hohe Verluste zwangen viele Unternehmen während der Pandemie, neues Kapital aufzunehmen, um das eigene Überleben zu sichern und auch für künftige Krisen gewappnet zu sein. Dass auf die Erhöhung einer Stabilitätsmassnahme eine Steuer («Stempelsteuer») entrichtet werden muss, entbehrt jeglicher Logik. So ist auch der Bundesrat überzeugt, dass die Abschaffung der Stempelsteuer einen Beitrag zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie leistet.

Gleiches gilt beim Vorstoss, der die Verlängerung der bestehenden Ausnahmebestimmungen für Zinsen von TBTF-Instrumenten bei der Verrechnungssteuer fordert. Damit wird die Krisenresistenz des Schweizer Finanzplatzes weiter gestärkt. Internationale Investoren werden von der hohen Verrechnungssteuer und mühsamen Rückforderung derselben bei den Schweizer Steuerbehörden daran gehindert, die Kapitalisierung von Schweizer Unternehmen zu stärken. Im Nationalrat war die Vorlage unbestritten.

Seit Jahren ein zentrales und dringliches Anliegen von Unternehmen aller Branchen und Grössen in der Schweiz ist die Abschaffung der Industriezölle im Rahmen der Änderung des Zolltarifgesetzes. Unternehmen würden dadurch administrativ und finanziell entlastet, Konsumenten dürften von tieferen Preisen profitieren und die Einnahmeausfälle für den Bund halten sich in Grenzen. Hier muss der Nationalrat nun dem Vorbild des Ständerats folgen, auf die Vorlage eintreten und sie in der Version des Bundesrats beschliessen – für eine allfällige Staffelung oder Sequenzierung besteht kein Raum. Auch eine Verzögerung ist in Anbetracht der Pandemiefolgen für die Unternehmen nicht opportun.

Endlich sollte auch der Einheitssatz bei der Mehrwertsteuer beschlossen werden. Er würde den enormen technischen und juristischen Aufwand – und die damit verbundenen Kosten – für Unternehmen, Verwaltung und Vereine bei der Abwicklung der Mehrwertsteuer erheblich reduzieren. Schätzungen gehen von einem Einsparpotenzial von rund einer Milliarde Schweizer Franken aus, die Unternehmen in Innovation und in die Schaffung von Arbeitsplätzen investieren könnten. Kaum eine andere Revision auf Stufe Bund bietet derart grosse Entlastungspotenziale, ohne das Steuersubstrat des Bundes an sich infrage zu stellen. Der Ständerat behandelt den Vorstoss als Erstrat.

Unterstützung verdient auch die Änderung des Zivilprozessrechts: Unternehmensjuristinnen sollen sich künftig in Zivilprozessen auf den Berufsgeheimnisschutz berufen können. Das macht Sinn, da es gerade die Unternehmensjuristinnen sind, die Zugang zu sensitiven Informationen eines Unternehmens haben. In internationalen Zivilprozessen sind Schweizer Unternehmen gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten – zum Beispiel aus den USA, Singapur oder Deutschland – benachteiligt. Unsere Unternehmen brauchen gleich lange Spiesse wir ihre ausländischen Konkurrenten.

Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern und das inländische Fachkräftepotenzial besser auszuschöpfen, sollen Eltern Kosten für die Drittbetreuung von Kindern neu bis maximal 25'000 Franken pro Kind bei der direkten Bundessteuer vom Einkommen abziehen können. Bisher waren es höchstens 10'100 Franken. Die Massnahme, sie wird vom Nationalrat als Erstrat behandelt, beseitigt negative Erwerbsanreize für die Erwerbstätigkeit des zweitverdienenden Ehepartners – nämlich dann, wenn die Kosten für die Drittbetreuung zusätzlich generiertes Einkommen wieder auffressen. Unter dem Strich darf eine positive volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Wirkung bei Annahme der Vorlage erwartet werden.

Keine gute Idee und deshalb vom Nationalrat abzulehnen ist hingegen die Motion, die ohne Berücksichtigung internationaler Standards verlangt, dass Importeure von Gold dessen Ursprung angeben müssen. Eine höhere Transparenz im Goldhandel liegt im Interesse der Schweizer Wirtschaft, die vorliegende Motion ist aber schon wegen des beabsichtigten Schweizer Alleingangs nicht zielführend und abzulehnen. Die Verbesserung der Rückverfolgbarkeit der globalen Lieferketten muss weiterhin global, in Zusammenarbeit mit allen Interessengruppen, vorangetrieben werden. Die Schweiz wirkt hier bereits aktiv mit.

Der Ständerat sollte ferner – wie Nationalrat und Bundesrat – die Volksinitiative «Für eine starke Pflege» Volk und Ständen zur Ablehnung empfehlen. Die Initiative will den Bundesrat unter anderem dazu verpflichten, eine bestimmte Berufsgruppe finanziell zu fördern. Damit würde die Initiative der vom Volk an der Urne angenommenen Föderalismusreform NFA (nationaler Finanzausgleich) bzw. die damit definierte Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen widersprechen. Das ist nicht sinnvoll: Eine Verflechtung von Verantwortlichkeiten führt zur ineffizienten Verwendung von Steuergeldern. Weiter ist auch die Forderung, Pflegefachpersonen sollen ihre Leistungen künftig selbstständig bei den Sozialversicherungen abrechnen dürfen, entschieden abzulehnen: Die Kosten des Gesundheitswesens würden ansteigen.

Abgelehnt gehört auch die Volksinitiative, die ein vollumfängliches Verbot von Tierversuchen und von Forschung am Menschen einführen will. Sie würde dem Forschungs- und Pharmastandort schaden. Das ist inakzeptabel, wirkt doch eben diese Branche seit Jahren als Wachstums- und Exportmotor der Schweiz. Insbesondere in Pandemiezeiten mutet es seltsam an, Forschung und Entwicklung von neuen Medikamenten oder Impfstoffen zu behindern. Die Schweizer Bevölkerung soll weiterhin Zugang zu einer erstklassigen medizinischen Versorgung haben, was die Initiative verhindern würde. Der Ständerat behandelt sie als Zweitrat. Sie hatte im Nationalrat keine Chance und auch der Bundesrat lehnt sie ab.

Eine ebenso schädliche wie abzulehnende Vorlage ist jene, die Negativzinsen der Schweizerischen Nationalbank in die AHV lenken will. Eine solche Quersubventionierung der AHV verzögert einerseits dringend benötigte strukturelle Reformen der AHV, andererseits greift sie die Unabhängigkeit der Nationalbank an. Gerade diese ist aber für das Wohlergehen des Wirtschaftsstandorts Schweiz zentral und hat sich in der Vergangenheit mehrfach bewährt. Es ist höchst unklug, die Nationalbank für politische Anliegen zu instrumentalisieren. Die Unabhängigkeit der SNB – und damit deren Glaubwürdigkeit – muss gewahrt bleiben. Der Ständerat sollte den Vorstoss als Zweitrat deshalb ablehnen, damit ihm der Nationalrat in zweiter Lesung folgen kann.

Auch sollte der Ständerat die Differenzen im Tabakproduktegesetz bereinigen, indem er sich dem Nationalrat anschliesst. Bereits dessen Version kann von der Wirtschaft nur knapp mitgetragen werden. Er enthält sehr weitgehende Werbebeschränkungen für legale Tabakprodukte wie auch potenziell weniger schädliche Alternativprodukte wie E-Zigaretten und Tabakprodukte zum Erhitzen. So wird zum Beispiel jegliche Werbung für Tabakprodukte und Alternativprodukte aus dem öffentlichen Raum verbannt. Richtig ist jedoch die beabsichtigte Verbesserung des Jugendschutzes, darunter das Mindestabgabealter von 18 Jahren und das Verbot, Werbung speziell an Minderjährige zur richten. Ein totales Werbeverbot, wie es die Mehrheit der ständerätlichen Kommission vorschlägt, ginge jedoch entschieden zu weit und würde auch gegen in der Verfassung verankerte Prinzipien verstossen.

Und schliesslich berät der Nationalrat in dieser Session die Stabilisierung der AHV. Die gemeinsame Position von economiesuisse, Schweizerischer Gewerbeverband und Schweizerischer Arbeitgeberverband lesen Sie hier.

Beide Räte

MIT WICHTIGEN ÜBERGANGSBESTIMMUNGEN DIE FINANZSTABILITÄT ERHALTEN

Too-big-to-fail-Instrumente (TBTF) wie beispielsweise Bail-in-Bonds sind für Banken ein wichtiges Instrument, um die aufsichtsrechtlichen Eigenmittelvorgaben zu erfüllen. Die geltenden Ausnahmen bei der Verrechnungssteuer (VSt) für Zinsen aus TBTF-Instrumenten laufen Ende 2021 aus. Der Bundesrat beantragt im Interesse der Finanzstabilität, die Geltungsdauer der Ausnahmebestimmungen um fünf Jahre, also bis Ende 2026, zu verlängern. Da die Ausnahmen bereits im geltenden Recht bestehen, ergeben sich dadurch keine zusätzlichen Auswirkungen.

Position economiesuisse

economiesuisse unterstützt eine Verlängerung der bestehenden Ausnahmebestimmung für die Zinsen von TBTF-Instrumenten bei der VSt und empfiehlt daher die Annahme der Vorlage. Ohne diese Weiterführung würden betroffene TBTF-Instrumente für ausländische Investoren unattraktiv, der Eigenkapitalaufbau für systemrelevante Banken würde erschwert und folglich die Krisenresistenz des Finanzplatzes Schweiz verringert.

Grundlegender Reformbedarf bei der Verrechnungssteuer

Internationale Investoren können die VSt auf schweizerischen Anleihen in der Praxis regelmässig nicht oder nur sehr schwer zurückfordern. Selbst wenn sie aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens dazu berechtigt sind, ist der administrative Aufwand bzw. die zeitliche Verzögerung zu gross. Die Notwendigkeit dieser Vorlage belegt die unzeitgemässen verrechnungssteuerlichen Rahmenbedingungen für den Schweizer Finanz- wie auch den Werkplatz und damit den grundlegenden Reformbedarf bei der VSt. Wenn die Wirtschaft auch die erneute Verlängerung der Ausnahmebestimmung unterstützt, muss es dennoch das Ziel sein, das Problem der VSt auf Anleihen grundsätzlich zu beheben und gleiche Rahmenbedingungen für alle Finanzmarktteilnehmer zu gewährleisten.

Internationale Entwicklungen machen Verrechnungssteuerreform vordringlich

Bereits die ursprüngliche Ausnahmeregelung, die per 2013 in Kraft trat, wurde in Erwartung einer grundlegenden VSt-Reform auf vier Jahre befristet. Da die Revision in diesem Zeitrahmen nicht geglückt ist, musste die Ausnahme per 2017 für weitere fünf Jahre verlängert werden. Nun lässt die VSt-Reform 2021 weiterhin auf sich warten. Vorgesehen ist deshalb eine erneute, fünfjährige Verlängerung der Ausnahmebestimmung. Die Wirtschaft ist auf eine Reform deutlich vor Ablauf der erneuten Ausnahmefrist angewiesen. Die verschärften internationalen Anforderungen im Nachgang des OECD-BEPS-Projekts (Base erosion and profit shifting) und die laufenden OECD-/G-20-Steuerdiskussionen in Sachen Digitalisierung machen die Umsetzung der längst fälligen Verrechnungssteuerreform jetzt vordringlich.

Hindernisse für die Unternehmensfinanzierung beseitigen

Die Botschaft des Bundesrats für die Reform der VSt ist für das 2. Quartal 2021 versprochen und die entsprechenden Eckwerte sind bereits festgelegt. Die Wirtschaft unterstützt den Bundesrat in diesen Eckwerten und wird dem Parlament die Umsetzung im Gesetz empfehlen. Die Reform darf nicht erneut scheitern, insbesondere nicht zu einem Zeitpunkt, in dem die Schweizer Wirtschaft mehr denn je auf gute Rahmenbedingungen und ein förderliches Umfeld angewiesen ist. Seit Jahrzehnten bestehende Hindernisse für die Unternehmensfinanzierung und die Entwicklung des schweizerischen Kapitalmarktes sind endlich zu beseitigen.

Stand der Beratungen

In der Sommersession 2021 berät der Ständerat die Vorlage als Zweitrat. Die vorberatende WAK-SR empfiehlt ihrem Rat ohne Gegenstimme, den bundesrätlichen Gesetzesentwurf anzunehmen.

Zur Bereinigung allfälliger Differenzen ist die Vorlage auch im Nationalrat traktandiert. Zuvor hatte sich der Nationalrat in der Frühjahrssession 2021 ohne Gegenstimmen dafür ausgesprochen, Zinsen auf TBTF-Instrumente für weitere fünf Jahre (bis 2026) von der Verrechnungssteuer auszunehmen.

Beurteilung der Beratungen

Too-big-to-fail-Instrumente bleiben bis Ende 2026 von der Verrechnungssteuer ausgenommen. Wie schon im Nationalrat war die Vorlage auch im Ständerat unumstritten: Die Kantonsvertreter haben ohne Gegenstimme die Verlängerung der geltenden Ausnahmebestimmungen beschlossen. economiesuisse ist erfreut über diesen klaren Entscheid. Der Eigenkapitalaufbau systemrelevanter Banken – und damit die Krisenresistenz des Finanzplatzes Schweiz – kann weiter voranschreiten. So begrüssenswert das deutliche Votum des Parlaments auch ist: Anleihen bleiben grundsätzlich der Verrechnungssteuer unterworfen, mit gravierenden Auswirkungen für die Finanzierung der Unternehmen in der Schweiz. Um ausländische Investoren zu gewinnen, sind zahlreiche Firmen faktisch gezwungen, Finanzierungen im Ausland durchzuführen. Mit der anstehenden Reform der Verrechnungssteuer kann das Parlament dieses Problem beheben und gleiche Rahmenbedingungen für alle Finanzmarktteilnehmer schaffen.

MINDESTGRENZSCHUTZ FÜR ZUCKER GEFÄHRDET WETTBEWERBSFÄHIGKEIT DER SCHWEIZER LEBENSMITTELINDUSTRIE

Die parlamentarische Initiative fordert einen Mindestpreis für inländischen Zucker. Dieser soll durch höhere Zollsätze auf importiertem Zucker durchgesetzt werden.

Position economiesuisse

economiesuisse lehnt den Mindestgrenzschutz für Zucker entschieden ab – und damit auch den Gesetzesentwurf. Für den Erhalt der Zuckerproduktion in der Schweiz ist kein Mindestgrenzschutz nötig. Die Wirtschaft empfiehlt daher, der Empfehlung der vorberatenden Kommission zu folgen und nicht auf die Vorlage einzutreten.

Eine Annahme des Gesetzesentwurfs würde die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Lebensmittelindustrie gefährden. Bereits heute ist die Schweizer Lebensmittelindustrie stark unter Druck. Der agrarpolitisch bedingte Nachteil in den Rohstoffpreisen schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Lebensmittelhersteller. Ein Mindestgrenzschutz von 7 Franken je 100 Kilogramm würde den Rohstoffpreisnachteil für exportierte schweizerische Lebensmittel verstärken. Ein Ausgleich dieses Nachteils im Handel mit der EU wäre verboten. Die im Inland produzierten zuckerhaltigen Produkte werden schliesslich einen erheblichen finanziellen Nachteil gegenüber den im Ausland produzierten Produkten haben, die Konkurrenzfähigkeit würde weiter geschwächt. Somit muss davon ausgegangen werden, dass Arbeitsplätze in der Schweizer Lebensmittelindustrie auf dem Spiel stehen. Aus diesem Grund ist der Mindestgrenzschutz klar abzulehnen.

Stand der Beratungen

Die Vorlage befindet sich in der Umsetzungsphase. In der Sommersession 2021 berät zuerst der Ständerat den Gesetzesentwurf, gegebenenfalls folgt der Nationalrat. Die vorberatende WAK-SR empfiehlt ihrem Rat, nicht auf die Vorlage einzutreten. Die Minderheit beantragt Eintreten.

In der Sondersession 2021 hat der Nationalrat den von der WAK-NR ausgearbeiteten Gesetzesentwurf mit 117 zu 66 Stimmen bei 4 Enthaltungen angenommen.

Beurteilung der Beratungen

Der Ständerat ist auf die Vorlage eingetreten. economiesuisse bedauert diesen Entscheid. Ein Mindestgrenzschutz für Zucker ist der falsche Weg, um das grundlegende Problem der Ernteausfälle zu lösen. Zielführender sind beispielsweise die Entwicklung resistenterer Sorten oder die Anwendung innovativer Pflanzenschutzmethoden. Gleichzeitig gefährdet die Vorlage in der aktuellen Version Arbeitsplätze in der Lebensmittelindustrie und deren Nachfrage nach Schweizer Zucker. economiesuisse empfiehlt folglich, die Vorlage abzulehnen, eventualiter auf die gesetzliche Festsetzung eines Mindestgrenzschutzes zu verzichten.

Nationalrat

AHV21: STÄNDERAT GIBT RAHMEN VOR

Die AHV muss dringend reformiert werden. Seit 2014 sind die Einnahmen und Ausgaben nicht mehr ausgewogen. Die Situation wird sich mit der Pensionierung der geburtenstarken Jahrgänge ab dem Jahr 2020 weiter verschärfen. Die Reform AHV21 konzentriert sich auf die wesentlichen Elemente zum Erhalt des Leistungsniveaus und der Sicherung der Finanzierung bis 2030.

Position economiesuisse

economiesuisse, Schweizerischer Arbeitgeberverband und der Schweizerische Gewerbeverband unterstützen die grundsätzliche Herangehensweise des Bundesrats, wonach die AHV mit der vorliegenden Vorlage kurzfristig stabilisiert werden soll, um im Anschluss umgehend eine umfassendere und weitreichendere Reform vorantreiben zu können. Allerdings muss auch in diesem ersten Schritt ein sinnvolles Gleichgewicht zwischen strukturellen und finanziellen Massnahmen gefunden werden. Konkret: der Zusatzfinanzierung über eine Steuererhöhung muss eine Nettoentlastung der AHV durch die Erhöhung des Referenzalters (inkl. Begleitmassnahmen) gleichen Umfangs gegenüberstehen.

Lesen Sie hier die ausführliche Beurteilung von economiesuisse.

Stand der Beratungen

In der Sommersession 2021 berät der Nationalrat die Vorlage als Zweitrat. Die vorberatende SGK-NR beantragt – neben weiteren Anpassungen – sowohl die Abfederungsmassnahmen der Angleichung des Referenzalters auf 65 wie auch die Zusatzfinanzierung über die Mehrwertsteuer (+0,4 Prozentpunkte) im Vergleich zu den Beschlüssen des Ständerats zu erhöhen. In der Gesamtabstimmung empfiehlt die Kommission ihrem Rat mit 14 zu 8 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) den Entwurf 1 (AHVG) anzunehmen. Einstimmig empfiehlt sie den Entwurf 2 (Zusatzfinanzierung) zur Annahme. Mit 16 zu 8 Stimmen beschloss die Kommission zudem eine Motion (21.3462), die den Bundesrat beauftragt, bis spätestens Ende 2026 die nächste Reform zur Stabilisierung der AHV vorzulegen.

Der Ständerat hat in der Frühjahrssession 2021 die Weichen für eine ausgewogene und tragfähige AHV-Reform gestellt. Die nun vorliegende Fassung sichert immerhin das Leistungsniveau der 1. Säule für die nähere Zukunft. Angesichts der demografischen Entwicklung drängt sich dennoch eine nachhaltige Lösung zur Stabilisierung der AHV auf; die Finanzierungslücke wird nicht kleiner werden. economiesuisse unterstützt deshalb den Auftrag an den Bundesrat, spätestens bis Ende 2026 eine weitere Reformvorlage auszuarbeiten.

Beurteilung der Beratungen

Nachdem der Ständerat die Vorlage in der Frühjahrssession ins Gleichgewicht gebracht hat, weicht der Nationalrat wieder davon ab. Einig sind die Räte bei der Angleichung des Referenzalters auf 65 Jahre, welche die AHV per 2030 um gut 1,4 Milliarden Franken entlastet. Umstritten bleibt jedoch, wie die Referenzaltererhöhung der Frauen abgefedert und das Sozialwerk insgesamt zusätzlich finanziert werden soll. Die vom Nationalrat beschlossene sachfremde Verwendung der Nationalbankgelder ist dabei keine Option für die Wirtschaft. Lesen Sie hier die ausführliche Beurteilung von economiesuisse

SCHWEIZ OHNE INDUSTRIEZÖLLE – ALLE PROFITIEREN

Die Vorlage will die Importzölle für sämtliche Industrieprodukte per 1. Januar 2022 auf Null setzen. Der Begriff der Industrieprodukte erfasst alle Güter mit Ausnahme der Agrarprodukte (inkl. Futtermittel) und der Fischereierzeugnisse. Neben der unilateralen Aufhebung der Zölle soll auch die Zolltarifstruktur für Industrieprodukte vereinfacht werden.

Position economiesuisse

economiesuisse hält den Abbau der Industriezölle für wichtig und dringend. Die Wirtschaft empfiehlt mit Nachdruck, die Gesetzesvorlage gemäss dem Entwurf des Bundesrats anzunehmen.

Wichtige Entlastung für Verwaltung, Unternehmen und Konsumenten

Die Industriezollaufhebung bringt Schweizer Unternehmen (insbesondere KMU) wichtige finanzielle und administrative Entlastungen – was mit Blick auf die Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise nochmals an Bedeutung gewinnt. Von dieser langfristigen Strukturmassnahme profitiert nicht nur die Exportindustrie, sondern auch Verwaltung, Konsumenten und Unternehmen, die primär für den inländischen Markt produzieren. Die Entlastungen könnten dem Gewerbe und der Industrie im grenzüberschreitenden Warenhandel neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Der Agrarbereich ist bei diesem Geschäft ausgenommen, da die Vorlage ausschliesslich Industriegüter behandelt.

Volkswirtschaftlich sinnvoll

Volkswirtschaftlich führt der Industriezollabbau zu einem Wohlfahrtsgewinn. Den Bruttoeinnahmeausfällen des Bundes steht nämlich eine höhere Wirtschaftsleistung von 860 Millionen Franken gegenüber. Zudem führt der mit der Vorlage verbundene Wachstumseffekt bei gleichbleibenden Steuersätzen zu höheren Steuereinnahmen. Netto betrachtet, das heisst nach Einbezug der erwarteten Steuermehreinnahmen und in Verbindung mit administrativen Entlastungen auf Verwaltungsseite, würden die Einnahmeausfälle geringer ausfallen (rund 310 Millionen Franken für 2016 gemäss Ecoplan-Studie). Kommt hinzu, dass rund drei Viertel der Zollabgaben auf Industriegüter im Rahmen von Freihandelsabkommen im Grunde bereits abgeschafft worden sind – aber aus diversen Gründen nicht vollumfänglich genutzt werden können. Die Einnahmeausfälle sind überschaubar und stellen kein Problem für die Finanzplanung des Bundes dar. Verglichen mit dem vollständigen Abbau der Industriezölle wirkt sich ein teilweiser Abbau nachteilig aus. Alle Varianten eines Teilabbaus führen entweder nur zu einer teilweisen administrativen Entlastung der Wirtschaft oder sogar zu Mehraufwand für Unternehmen. Hingegen zeigt ein vollständiger Industriezollabbau in einem Schritt die vorteilhaftesten volkswirtschaftlichen Effekte und verhindert eine Diskriminierung bestimmter Branchen. Vertiefende Informationen finden Sie im dossierpolitik (09/2019; Die Schweiz ohne Industriezölle: alle profitieren).

Stand der Beratungen

In der Sommersession 2021 wird der Nationalrat in der Eintretensdebatte darüber entscheiden, ob er sich mit der Vorlage auseinandersetzen will. Die vorberatende WAK-NR empfiehlt ihrem Rat, auf die Vorlage einzutreten und ihr unverändert zuzustimmen. Aus Sicht der Kommissionsmehrheit überwiegt der volkswirtschaftliche Nutzen der Vorlage klar. Dies, nachdem die Grosse Kammer noch im Sommer 2020 nicht auf die Vorlage eingetreten war.

In der Wintersession 2020 führte der Ständerat als Erster die Detailberatung der Vorlage durch und stimmte dieser in der Gesamtabstimmung mit 28 zu 14 Stimmen bei 1 Enthaltung zu.

Beurteilung der Beratungen

Das Geschäft wurde vertagt und wird voraussichtlich in der Herbstsession 2021 im Nationalrat weiter beraten.

TRANSPARENZ IM GOLDHANDEL DURCH INTERNATIONAL ABGESTIMMTES VORGEHEN ERHÖHEN – SCHWEIZER ALLEINGANG IST NICHT ZIELFÜHREND

Die Motion verlangt, dass Importeure, die Gold in die Schweiz einführen, dessen wahren Ursprung angeben müssen – also das Land, in dem das Gold abgebaut wurde.

Position economiesuisse

economiesuisse ist überzeugt, dass eine Verbesserung der Rückverfolgbarkeit von globalen Lieferketten nur durch ein global abgestimmtes Vorgehen erreicht werden kann. Die Motion zielt auf ein einseitiges Vorgehen der Schweiz ab. economiesuisse lehnt sie deshalb ab.

Verbesserungen unter Berücksichtigung internationaler Standards vorantreiben

Wie die Motionärin, so setzt sich auch die Wirtschaft für eine höhere Transparenz im Goldhandel ein. Die vorgeschlagene Deklarationspflicht für Schweizer Raffinerien erachtet die Wirtschaft allerdings nicht als zielführend. So wird sie die Vermischung von Extraktions- und Verarbeitungsland bei der Bestimmung des Ursprungs von importiertem Gold nicht aufheben können.

Schweiz in verschiedenen Projekten engagiert

In verschiedenen internationalen Projekten ist die Schweiz denn auch bereits heute aktiv. So hat sie letztes Jahr bei der Weltzollorganisation (WZO) einen Vorschlag zur Anpassung der internationalen zolltarifarischen Klassifizierung von Gold eingereicht. Konkret soll künftig zwischen raffiniertem und nicht raffiniertem Gold und zwischen Bankengold und Goldlegierungen unterschieden werden. Dadurch kann die Rückverfolgbarkeit verbessert werden.

Weiter hat die London Bullion Market Association (LBMA) im September 2020 zum ersten Mal länderbezogene Daten über den Import von Gold verschiedener Kategorien in mehrere Länder (einschliesslich in die Schweiz) publiziert. Dazu beigetragen haben die engagierten Diskussionen anlässlich des Multi-Stakeholder-Meetings zu Goldhandel und Goldraffinierung in der Schweiz, welches im Dezember 2019 auf Initiative des SECO und des EDA in Bern stattfand.

Ausserdem unterstützt das SECO seit 2013 die «Better Gold Initiative». Diese fördert die Entwicklung von Wertschöpfungsketten für eine verantwortungsvolle Goldproduktion in Peru, Kolumbien und Bolivien. Zwischen 2013 und 2017 konnten dank der Initiative rund 2,5 Tonnen Gold aus handwerklich betriebenen Minen unter verantwortungsvollen Bedingungen produziert und exportiert werden.

Schliesslich steht die Bundesverwaltung auch im Kontakt mit verschiedenen Forschungsinstituten. Dabei unterstützt sie Forschungsprojekte auf dem Gebiet der Rückverfolgbarkeit von Gold, wie beispielsweise jenes über die chemischen Eigenschaften von Gold an der Universität Lausanne oder Forschungen der ETH Zürich im Bereich Kleinbergbau.

Stand der Beratungen

Der Nationalrat behandelt die Motion in der Sommersession 2021 als Erstrat.

Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.

Beurteilung der Beratungen

Mit der Ablehnung der Motion durch den Nationalrat ist der Vorstoss erledigt. Die Wirtschaft begrüsst diesen Entscheid. Ein Schweizer Alleingang, wie von der Motionärin gefordert, wäre nicht zielführend gewesen. Für die bessere Rückverfolgbarkeit globaler Lieferketten ist ein international abgestimmtes Vorgehen gefragt. Das Engagement der Schweiz für eine höhere Transparenz im Goldhandel soll deshalb auf internationaler Ebene weiter vorangetrieben werden.

HÖHERE STEUERABZÜGE FÜR KINDERDRITTBETREUUNG: EIN GEWINN FÜR WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT

Gemäss dieser Vorlage sollen Eltern nachgewiesene Kosten für die Drittbetreuung ihrer Kinder neu bis maximal 25’000 Franken pro Kind bei der direkten Bundessteuer vom Einkommen abziehen können. Bisher liegt der maximal zugelassene Abzug bei der direkten Bundessteuer bei 10’100 Franken pro Kind, selbst wenn die effektiv angefallenen Kosten oft höher liegen.

Position economiesuisse

economiesuisse hat das Anliegen, die Abzüge für Kinderdrittbetreuung zu erhöhen, stets unterstützt und empfiehlt den vorliegenden Gesetzesentwurf folglich zur Annahme.

Negative Erwerbsanreize mildern

Die Massnahme wirkt steuerpolitisch gezielt, zahlt sich finanzpolitisch aus und steigert die volkswirtschaftliche Effizienz:

  • Ziel der Erhöhung des maximal zulässigen Abzugs für Kinderdrittbetreuung ist es, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und negative Erwerbsanreize zu reduzieren, um so die Erwerbstätigkeit des zweitverdienenden Ehepartners zu fördern.
  • Der ausgelöste Beschäftigungsimpuls dürfte die Kosten kompensieren und mittelfristig zu höheren Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen führen.
  • Die verstärkte Arbeitsmarktteilnahme von Personen mit hoher Qualifikation bedeutet eine bessere Nutzung des inländischen Fachkräftepotenzials.

Nicht einverstanden ist economiesuisse hingegen mit dem Antrag der Kommissionsminderheit, den Kinderabzug zu erhöhen. Die Erhöhung des allgemeinen Kinderabzugs korrigiert klarerweise keinen Fehlanreiz. Die Erhöhung erfolgt auch dort, wo kein Zusatzeinkommen erzielt wird und steuerpolitisch kein Abhalteeffekt besteht. Eine Erhöhung hätte damit auch keinen positiven volkswirtschaftlichen Effekt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf würde dadurch nicht verbessert. Entsprechend ist der damit verbundene Ausfall von Steuereinnahmen nicht gerechtfertigt.

Stand der Beratungen

Der Nationalrat berät den Gesetzesentwurf in der Sommersession 2021 als Erstrat.

Nachdem die WAK-NR in der Wintersession 2020 der Pa. Iv. Folge gegeben hatte, stimmte in der Frühjahrssession 2021 auch die ständerätliche Schwesterkommission der Vorlage zu. Daraufhin hat die zuständige WAK-NR einen Erlassentwurf ausgearbeitet, der nun vorliegt. Die Kommission empfiehlt diesen ihrem Rat mit 20 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung zur Annahme. Die Kommissionsminderheit empfiehlt Nichteintreten.

Beurteilung der Beratungen

Der Nationalrat hat sich deutlich für eine Erhöhung des maximalen Abzugs bei der direkten Bundessteuer für die Kosten der Kinderdrittbetreuung auf 25'000 Franken ausgesprochen. Die Massnahme wird sich stimulierend auf die Erwerbstätigkeit inländischer Arbeitskräfte auswirken. Momentan lohnt sich ein höheres Erwerbspensum des zweitverdienenden Ehepartners unter Umständen nicht. Das zusätzlich generierte Einkommen wird teilweise durch die Zusatzkosten für die Kinderdrittbetreuung sowie aufgrund der progressionsbedingt höheren Steuerbelastung wieder aufgezehrt. Durch die Erhöhung des Drittbetreuungskostenabzugs können diese Fehlanreize gezielt gemindert werden. Die Wirtschaft begrüsst den Entscheid der Grossen Kammer für eine Verbesserung der Arbeitsanreize.

Ständerat

STEMPELSTEUER ABSCHAFFEN, UNTERNEHMEN STÄRKEN

Die Parlamentarische Initiative aus dem Jahr 2009 will die Stempelsteuer stufenweise abschaffen. Mit dem Entwurf 1 wird der erste Teil der Pa. Iv. umgesetzt. Er hat die Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital zum Gegenstand. Der Bundesrat hatte deren Abschaffung bereits im Rahmen der Unternehmenssteuerreform III (USR III) vorgeschlagen. Um die USR III stärker auf die unmittelbaren Prioritäten zu fokussieren, hatte das Parlament jedoch beschlossen, die Massnahme von der Vorlage abzuspalten und separat, im nun vorliegenden Entwurf 1, zu behandeln. Die Emissionsabgabe wird auf inländischen Beteiligungsrechten erhoben. Sie beträgt 1,0 Prozent und erfasst die Ausgabe und Erhöhung von Eigenkapital (z.B. in Form von Aktien, Stammeinlagen, Genossenschaftsanteilen usw.), und zwar völlig unabhängig davon, ob entsprechende Investitionen einen Gewinn abwerfen.

Position economiesuisse

economiesuisse empfiehlt, der Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital zuzustimmen.

Schwindende Eigenkapitalpolster aufgrund der Corona-Krise

Das langjährige Anliegen der Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital erfährt in der aktuellen wirtschaftlichen Ausnahmesituation eine dringende Bedeutung und sollte nun umgehend angegangen werden. Hohe Verluste lassen die vorhandenen Eigenkapitalpolster vieler Firmen rasch zusammenschmelzen. Vom Bundesrat beschlossene Sofortmassnahmen für neue Fremdkapitalkredite können Liquiditätsengpässe überbrücken, sie helfen jedoch nicht hinsichtlich der Absorbierung von Verlusten. Diese gehen immer zulasten des Eigenkapitals. Zahlreiche Unternehmen werden in der aktuellen schwierigen wirtschaftlichen Lage neues Eigenkapital aufnehmen müssen, um einen Konkurs durch Überschuldung zu vermeiden. Es kann nicht sein, dass Eigenbeiträge der Unternehmen zur Erhöhung der Krisenresistenz mit einer staatlichen Abgabe bestraft werden.

Emissionsabgabe in Krisenzeiten klar kontraproduktiv

Risikotragendes Eigenkapital ist als Sicherheitskapital notwendig zur Absorbierung von Verlusten, dient damit der Widerstandsfähigkeit der Unternehmen und letztlich der Sicherung von Arbeitsplätzen. Eine Abgabe auf der Emission von Eigenkapital ist volkswirtschaftlich generell schädlich, aber insbesondere in Wirtschaftskrisen klar kontraproduktiv. Diese Abgabe belastet die Firmen genau dann am stärksten, wenn die Wirtschaft in einer Rezession steckt und die Unternehmen, um zu überleben, auf neues Eigenkapital angewiesen sind. Dies wird anhand der Entwicklung der Einkünfte deutlich. Besonders hohe Einkünfte verbuchte die Emissionsabgabe ausgerechnet in den Krisenjahren 2001 (375 Mio.) und 2008 (365 Mio.). Auch 2020 wird vermutlich ein solches Rekordjahr sein. In wirtschaftlich guten Zeiten sind die Einnahmen aus der Abgabe hingegen deutlich tiefer (2019: 173 Mio.).

Stand der Beratungen

Der Nationalrat berät den Gesetzesentwurf in der Sommersession 2021 als Erstrat.

Der Ständerat berät den vorliegenden Entwurf 1 in der Sommersession 2021 als Zweitrat. Nachdem die Kleine Kammer die Vorlage seit 2013 sistiert hält, empfiehlt die vorberatende WAK-SR ihrem Rat nun mit 9 zu 4 Stimmen, die Beratungen aufzunehmen und Entwurf 1 zuzustimmen.

In der Wintersession 2020 hat der Nationalrat an seinem früheren Entscheid festgehalten, die Vorlage nicht zu sistieren.

Auch der Bundesrat unterstützt in einer Stellungnahme vom November 2020 die Abschaffung der Emissionsabgabe. Dies weil die Massnahme einen Beitrag zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie leistet, indem sie die Rekapitalisierung angeschlagener Unternehmen erleichtert.

Beurteilung der Beratungen

Nachdem der Ständerat die Vorlage seit 2013 sistiert hielt, hat er in der Sommersession die Zeichen der Zeit erkannt und stimmt der Abschaffung der Emmissionsabgabe auf Eigenkapital zu. Die Massnahme hilft den durch die Corona-Pandemie gebeutelten Unternehmen, die Kapitalpolster zu erneuern und ihre Widerstandsfähigkeit für künftigen Krisen zu erhöhen. Eigenbeiträge zur Krisenbewältigung gehören nicht bestraft respektive besteuert. Der Bundesrat begrüsst denn auch die Massnahme: als Bürge für Kredite im Umfang von aktuell 17 Milliarden Schweizer Franken hat der Staat ein imminentes Interesse an solide finanzierten Unternehmen und der damit verbundenen Rückzahlung der Corona-Hilfskredite. economiesuisse freut sich deshalb über den Entscheid der Kleinen Kammer. Von stabilen, widerstandsfähigen Unternehmen profitieren wir alle. Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der von OECD und G-20 geforderten Mindestgewinnsteuer ist es umso wichtiger, dass die Schweiz andere fiskalische Standortnachteile ausserhalb der Gewinnsteuer so rasch wie möglich abbaut.

LEGALE PRODUKTE SOLLEN WEITERHIN LEGAL BEWORBEN WERDEN KÖNNEN

Beim vorliegenden Entwurf zum Tabakproduktegesetz handelt es sich bereits um die zweite Fassung. Das Parlament hatte den ersten Entwurf im Jahr 2016 an den Bundesrat zurückgewiesen, weil dieser mit neuen Werbeeinschränkungen, behördlichen Betriebsdurchsuchungen, Meldepflichten von Werbe- und Marketingausgaben und der grossen Anzahl an Delegationsnormen stark überschiessende und verfassungswidrige Elemente enthalten hatte. Mit der Rückweisung war der Bundesrat beauftragt worden, den Kinder- und Jugendschutz im Gesetz zu verankern: mit einem Mindestalter 18 für den Erwerb von Tabakprodukten, einer gesetzlichen Grundlage für ein Verbot von speziell an Minderjährige gerichteter Werbung und für Testkäufe. Auf zusätzliche Einschränkungen im Bereich Werbung, Sponsoring und Verkaufsförderung und auf die Meldung der Werbe- und Marketingaufwendungen sollte explizit verzichtet werden. Schliesslich war die Landesregierung damit beauftragt worden, Alternativprodukte wie E-Zigaretten, Tabakprodukte zum Erhitzen und Snus differenziert zu regeln. Im November 2018 hat der Bundesrat dem Parlament den nun vorliegenden Entwurf 2 vorgelegt.

Position economiesuisse

economiesuisse empfiehlt, die Vorlage mit Änderungen anzunehmen. Insbesondere ist auf ein undifferenziertes, absolutes Werbeverbot für nikotinhaltige Produkte zu verzichten.

Wirtschaft begrüsst Verbesserung des Jugendschutzes

economiesuisse unterstützt die Vorlage und die darin vorgesehene Verbesserung des Jugendschutzes, darunter das Mindestabgabealter von 18 Jahren und das Verbot, Werbung speziell an Minderjährige zu richten. Damit sind verhältnismässige und wirkungsvolle Eingriffe vorgesehen.

Kein Werbeverbot für legale Produkte

Aus ordnungspolitischer Sicht muss dabei sichergestellt bleiben, dass legal erhältliche Produkte auch beworben werden können. Einschränkungen, welche faktisch ein schweizweites Werbeverbot für Tabak- und andere nikotinhaltige Produkte bedeuten, sind überschiessend, unverhältnismässig und daher abzulehnen. Totale, undifferenzierte Werbeverbote sind radikale Interventionen und Einschränkungen von Verfassungsrechten, die sich bei legalen Produkten nicht rechtfertigen lassen. Der berechtigte und wichtige Jugendschutz darf nicht als Vorwand benutzt werden, um weitergehende Kommunikations- und Werbeverbote für legale Produkte einzuführen. Zudem wirkt ein Werbeverbot in der Wirtschaft wie ein Innovationsverbot. Es wird gar kein Anreiz gesetzt, weniger schädliche Alternativen zur herkömmlichen Zigarette zu entwickeln. Schliesslich würde ein faktisches Werbeverbot auch ein gefährliches Präjudiz darstellen.

Die verfassungsmässig garantierte Wirtschaftsfreiheit beibehalten

Die Höhen der Ausgaben für Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring stellen in der Privatwirtschaft übliche Geschäftsgeheimnisse dar. Die von der SGK-SR geplante Meldepflicht verletzt die verfassungsmässig garantierte Wirtschaftsfreiheit, führt zur Diskriminierung eines legalen Wirtschaftssektors und stellt einen gefährlichen Präzedenzfall dar. Schliesslich entfaltet eine Meldepflicht keine Präventivwirkung und steht somit in keinem Zusammenhang mit dem verfolgten Ziel des Jugendschutzes.

Stand der Beratungen

Der Nationalrat berät den Gesetzesentwurf in der Sommersession 2021 als Erstrat.

Die Vorlage befindet sich in der Differenzbereinigung. In der Sommersession 2021 berät der Ständerat den Gesetzesentwurf in zweiter Lesung. Die vorberatende SGK-SR empfiehlt ihrem Rat, in weiten Teilen an seinen Beschlüssen festzuhalten. Zudem empfiehlt die Kommission ihrem Rat einstimmig, den vorliegenden Entwurf 2 zum indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» (20.068) zu erklären. Dies würde es den Initianten erlauben, ihre Volksinitiative bei der Inkraftsetzung des Gesetzes zurückzuziehen. Die Volksinitiative wird indes von der Kommission, wie auch von Bundes- und Nationalrat, zur Ablehnung empfohlen (9 zu 3 Stimmen).

Der Nationalrat hat den zweiten Entwurf in der Wintersession 2020 beraten. Der Grossen Kammer gingen die vom Ständerat vorgeschlagenen zusätzlichen Werbebeschränkungen zu weit: Unter anderem soll Werbung für Tabak und andere nikotinhaltige Produkte in der Presse und auf Internetseiten nicht grundsätzlich verboten werden. Werbung in der Presse und auf Internetseiten, die für Minderjährige bestimmt sind, sollen jedoch verboten werden. In der Gesamtabstimmung hat der Nationalrat die Vorlage mit 84 zu 59 Stimmen bei 47 Enthaltungen angenommen.

In der Herbstsession 2019 hatte der Ständerat mit seinen Beschlüssen die Vorlage gegenüber der Version des Bundesrats massiv verschärft.

Beurteilung der Beratungen

Im neuen Tabakproduktegesetz soll der Umgang mit Tabakprodukten und anderen nikotinhaltigen Produkten strenger geregelt und dabei insbesondere der Jugendschutz gestärkt werden. Das Parlament hat nun mit Augenmass einen vernünftigen und griffigen Jugendschutz geschaffen und die Gefahr eines totalen Werbeverbots mit Präjudizwirkung vorerst beseitigt. Tabakwerbung verschwindet gänzlich aus dem öffentlichen Raum, darf sich nicht an Jugendliche richten und es wird erstmals ein national einheitlich geregeltes Verkaufsverbot von Tabakprodukten und E-Zigaretten an Minderjährige eingeführt. Das Gesetz mit diesen Regelungen ist eine vernünftige Alternative zur radikalen Volksinitiative «Zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung». Eine Annahme der Initiative würde ein totales Werbeverbot für ein legales Produkt bedeuten. Ziehen die Initianten und Initiantinnen diese nicht zurück, wird das Volk beschliessen, ob legale Produkte grundsätzlich noch beworben werden dürfen oder nicht. Im Herbst wird der Nationalrat das Geschäft nochmals beraten. Es ist insbesondere noch offen, ob die Kantone strengere Regeln beschliessen dürfen, als dies das neue Tabakproduktegesetz auf Bundesebene vorsieht, oder ob das Gesetz einen einheitlichen Standard für die Schweiz schafft. Lesen Sie hier die ausführliche Beurteilung von economiesuisse.

PFLEGEINITIATIVE: UNNÖTIGE VERFLECHTUNG DER AUFGABEN VON BUND UND KANTONEN

Die Volksinitiative «Für eine starke Pflege» (Pflegeinitiative) möchte allen Menschen in der Schweiz den Zugang zu einer ausreichenden Pflege von hoher Qualität gewährleisten. Bund und Kantone sollen dafür sorgen, dass eine genügende Anzahl diplomierter Pflegefachpersonen zur Verfügung steht und dass alle in der Pflege Tätigen entsprechend ihrer Ausbildung und Kompetenzen eingesetzt werden. Die Initiative verpflichtet den Bund zudem, die Leistungen festzulegen, die Pflegefachpersonen in eigener Verantwortung zulasten der Sozialversicherungen erbringen dürfen sowie Ausführungsbestimmungen für eine angemessene Abgeltung der Pflegeleistungen, anforderungsgerechte Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten der beruflichen Entwicklung der in der Pflege tätigen Personen zu erlassen.

Position economiesuisse

economiesuisse empfiehlt, die Volksinitiative abzulehnen.

Bewährte Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen beibehalten

Aus Sicht von economiesuisse ist die Volksinitiative problematisch, weil damit neue finanzielle Verflechtungen zwischen Bund und Kantonen geschaffen werden. Genau dies wollte jedoch die Föderalismusreform (Reformprojekt NFA, die Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen) verhindern. Das Volk hat diese an der Urne sehr deutlich angenommen. Eine klare Aufgabenteilung gehört zu den zentralen Grundsätzen des Schweizer Föderalismus. Unklare Verantwortlichkeiten führen zu einer ineffizienten Verwendung von Steuergeldern. Darüber hinaus ist es ein gefährliches Präjudiz, eine bestimmte Berufsgruppe durch den Bund zu fördern.

Kostenanstieg und Fragmentierung im Gesundheitswesen verhindern

Die Initiative schiesst über das Ziel hinaus, weil sie den Pflegefachpersonen einen direkten Zugang zur Grundversicherung verschaffen will: Der Bundesrat soll insbesondere Pflegeleistungen erlauben, die von Pflegefachpersonen in eigener Verantwortung zulasten der Sozialversicherungen erbracht werden. Selbstständig tätige Pflegefachpersonen sollen neu auf eigene Rechnung direkt über die Krankenversicherung abrechnen können. Damit würde eine Anweisung oder ein Auftrag einer Ärztin oder eines Arztes entfallen. economiesuisse lehnt dies ab, weil es die Fragmentierung im Gesundheitswesen verstärken würde und einen Kostenanstieg zur Folge hätte. Die Stellung der Pflege sollte im Rahmen von integrierten Versorgungsmodellen gestärkt werden.

Stand der Beratungen

In der Sommersession 2021 berät der Ständerat die Volksinitiative als Zweitrat. Die vorberatende SGK-SR empfiehlt – wie bereits Bundesrat und Nationalrat – die Pflegeinitiative abzulehnen. Sie verweist dabei auf den indirekten Gegenvorschlag (Pa. Iv. 19.401), den das Parlament in der Frühjahrssession 2021 verabschiedet hat und der nach Auffassung der Kommission auf Gesetzesebene zielgerichtete Antworten auf die Herausforderungen im Bereich der Pflege gibt. Dieser tritt unter der Bedingung in Kraft, dass die Volksinitiative «Für eine starke Pflege» zurückgezogen oder an der Urne abgelehnt worden ist. Auch diese Vorlage sieht eine neue Aufgabenverflechtung zwischen Bund und Kantonen vor und hätte erhebliche finanzielle Mehrausgaben zur Folge. economiesuisse lehnt den indirekten Gegenvorschlag deshalb ebenfalls ab.

Beurteilung der Beratungen

In der Sommersession haben sich die eidgenössischen Räte geeinigt und empfehlen die Volksinitiative Volk und Ständen zur Ablehnung. Das Parlament stellt dem Volksbegehren jedoch einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber, der aber nur dann zur Abstimmung gelangt, wenn die Initiantinnen und Initianten an ihrer Volksinitiative festhalten. Der Gegenvorschlag verzichtet zwar auf Massnahmen im Arbeitsrecht (was zu begrüssen ist, denn dies ist Aufgabe der Sozialpartner), schafft aber gleichzeitig neue Aufgabenverflechtungen von Bund und Kantonen. Damit unterläuft der Gegenvorschlag den Willen der Stimmbevölkerung, welche sich im Rahmen der Föderalismusreform (Nationaler Finanzausgleich) deutlich für die Entflechtung der Aufgaben von Bund und Kantonen ausgesprochen hat. Unklare Aufgabenverteilungen führen zur ineffizienten Verwendung von Steuergeldern. economiesuisse empfiehlt daher sowohl die Volksinitiative als auch den indirekten Gegenvorschlag zur Ablehnung.

UNABHÄNGIGKEIT DER SNB WAHREN

Die Motion will den Bundesrat beauftragen, die Grundlagen der Gewinnverteilung zwischen Bund, Kantonen und der Schweizerischen Nationalbank (SNB) so zu ändern, dass die von der Nationalbank erhobenen Negativzinsen vollumfänglich, zulasten des Bundesanteils am SNB-Gewinn, in die AHV fliessen.

Position economiesuisse

economiesuisse empfiehlt, die Motion abzulehnen.

Unabhängigkeit der Nationalbank wahren

Die SNB ist seit Längerem gezwungen, mit dem Mittel der Negativzinsen die Frankenaufwertung in Grenzen zu halten. Negativzinsen sind also ein Instrument der Geldpolitik. Würden die Einnahmen der Negativzinsen für die AHV verwendet, käme dies einem Eingriff in die Unabhängigkeit der SNB gleich. Eine solche Vermischung zwischen Fiskal- und Geldpolitik wäre gefährlich für unser Land, profitieren wir doch alle von der Preisstabilität des Schweizer Frankens. Die bisherigen Regelungen haben sich bewährt: Bund und Kantone partizipieren im Rahmen der Ausschüttungen an den Gewinnen der SNB. Dies soll auch weiterhin gelten. Eine Spezialbehandlung von einzelnen Ertragspositionen der SNB wäre falsch. Die Glaubwürdigkeit der SNB als von der Politik unabhängige Instanz könnte ansonsten schwerwiegenden Schaden nehmen.

Keine Querfinanzierung der AHV durch die Nationalbank

Die AHV braucht permanente und zuverlässige Finanzierungsquellen. Nicht dazu gehören die Einnahmen aus den Negativzinsen, die eine temporäre geldpolitische Massnahme der SNB darstellen. Für eine langfristig stabile und nachhaltige Finanzierung der AHV braucht es strukturelle Massnahmen beim Rentenalter. Eine Querfinanzierung der AHV durch die SNB verzögert dringend nötige strukturelle Reformen in der 1. Säule.

Stand der Beratungen

Der Ständerat berät die Motion in der Sommersession 2021 als Zweitrat.

In der Sommersession 2020 hat der Nationalrat die Motion mit 108 zu 79 Stimmen bei 6 Enthaltungen angenommen.

Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.

Beurteilung der Beratungen

Der Ständerat hat der sachfremden Verwendung von Nationalbankgeldern für die AHV eine Absage erteilt. economiesuisse begrüsst diesen Entscheid: Kurzfristige Finanzspritzen lösen die strukturellen Probleme der AHV nicht – im Gegenteil. Die Kleine Kammer hat mit ihrem ablehnenden Votum zudem ein wichtiges Signal für die Unabhängigkeit der Nationalbank gesetzt. Die SNB soll sich weiterhin auf ihren Kernauftrag konzentrieren und nicht durch politische Ränkespiele absorbiert werden. Die Schweiz ist mit diesem Modell bisher gut gefahren und sollte daran festhalten.

FORSCHUNGS-VERBOTS-INITIATIVE GEFÄHRDET DEN FORSCHUNGSSTANDORT SCHWEIZ UND DIE GESUNDHEIT DER BEVÖLKERUNG

Die Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot – Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt» fordert ein vollumfängliches Verbot von Tierversuchen und von Forschung am Menschen. Die Durchführung von Tierversuchen soll als Tierquälerei eingestuft und daher bestraft werden. Zudem sollen die Einfuhr und der Handel für sämtliche Produkte (unter anderem medizinische Güter wie Impfstoffe), die unter Anwendung von Tierversuchen entwickelt wurden, verboten werden.

Position economiesuisse

economiesuisse lehnt die Volksinitiative aus nachstehenden Gründen dezidiert ab.

Schwächung des Forschungsstandorts Schweiz

Die Attraktivität und Stärke des Forschungsstandorts zählt zu den zentralen Erfolgsfaktoren der Schweiz. Drei Viertel der Forschungsausgaben werden hierzulande von Privaten getätigt. Hierbei spielt die chemisch-pharmazeutische Industrie eine besondere Rolle. Sie ist zudem ein wichtiger Eckpfeiler der Schweizer Wirtschaft und war in den letzten Jahren stets der Wachstums- und Exportmotor schlechthin. Die Initiative würde die Unternehmen dieser wichtigen Branche dazu zwingen, einen Teil ihrer Aktivitäten ins Ausland zu verlagern. Dies ginge konsequenterweise mit Arbeitsplatzverlusten einher. Die rigorosen Einschränkungen würden auch die Attraktivität der Schweizer Hochschulen deutlich senken, was bis hin zur Schliessung gewisser Forschungsinstitutionen führen könnte.

Nicht vereinbar mit internationalen Verpflichtungen

Gemäss Bundesrat ist das in der Initiative vorgesehene Einfuhr- und Handelsverbot nicht mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar. Eine derartige Einschränkung widerspräche sowohl der nationalen als auch der internationalen Handelspolitik. Die Schweiz würde so ihre Verpflichtungen gegenüber WTO, EU und anderen Handelspartnern verletzen. Handelsstreitigkeiten und Retorsionsmassnahmen könnten die Folge sein. Die Schweiz müsste zudem einen rigorosen Kontrollapparat aufbauen. Schweizer Beamte müssten zudem überprüfen können, unter welchen Bedingungen für den Import in die Schweiz bestimmte Produkte hergestellt wurden, was zu einem unverhältnismässigen Aufwand führen würde.

Versorgung der Schweizer Bevölkerung mit Medikamenten gefährdet

Nicht zuletzt hätte die Initiative gravierende Auswirkungen auf das Gesundheitswesen in der Schweiz. Da Produkte, die unter Anwendung von Tierversuchen und klinischen Studien entwickelt worden sind, weder hergestellt noch importiert werden dürften, wäre die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten, Impfstoffen und anderen Medizinprodukten nicht sichergestellt. Insbesondere hätte die Schweizer Bevölkerung keinen Zugang zu den neuesten Medikamenten und Behandlungsmethoden, falls bei deren Entwicklung Tierversuche durchgeführt worden sind.

Stand der Beratungen

In der Sommersession 2021 berät der Ständerat die Volksinitiative als Zweitrat. Die vorberatende WBK-SR empfiehlt ihrem Rat einstimmig, die Initiative Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen; genauso wie Nationalrat und Bundesrat.

Beurteilung der Beratungen

Der Ständerat hat die Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot – Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt» einstimmig abgelehnt. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ist dies auch nicht weiter erstaunlich: Wären die Bestimmungen des Initiativtexts bereits in Kraft gewesen, hätte die Bevölkerung heute wohl keinen Zugang zu Impfstoffen. economiesuisse begrüsst deshalb das klare Bekenntnis zum Forschungsstandort Schweiz und wird sich folglich in der Volksabstimmung für ein Nein engagieren. Lesen Sie hier die ausführliche Beurteilung von economiesuisse.

GLEICH LANGE SPIESSE FÜR UNTERNEHMEN: BERUFSGEHEIMNISSCHUTZ FÜR UNTERNEHMENSJURISTEN EINFÜHREN

Die seit dem 1. Januar 2011 geltende Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) hat sich insgesamt bewährt. Verbesserungspotenzial besteht insbesondere in Bezug auf die Prozesskosten, die Möglichkeit der Verfahrenskoordination und hinsichtlich der Einführung des zivilprozessrechtlichen Mitwirkungsverweigerungsrechts für Unternehmensjuristinnen und Unternehmensjuristen.

Position economiesuisse

Aus Sicht der Wirtschaft besonders wichtig ist die Einführung des Berufsgeheimnisschutzes für Unternehmensjuristen in der vom Bundesrat befürworteten Version. Die Einführung eines solchen Schutzes wird seitens der schweizerischen Unternehmen aller Grössen vorbehaltlos unterstützt. Art. 160a E-ZPO (= Fassung BR) entspricht exakt dem Formulierungsvorschlag der Pa. Iv. Markwalder (Pa. Iv. 15.409), welcher beide Räte, beziehungsweise die zuständigen Kommissionen, Folge gegeben haben. Die entsprechende Initiative wurde parteiübergreifend von 33 Parlamentarierinnen und Parlamentariern mitunterzeichnet. Auch die RK-SR sieht die Notwendigkeit, endlich einen Berufsgeheimnisschutz für Unternehmensjuristen im Interesse des Wirtschaftsstandorts Schweiz einzuführen. Dabei weicht sie jedoch vom «Kompromissvorschlag» gemäss Art. 160a E-ZPO ab, der vom Bundesrat aufgenommen wurde und vorgeschlagen wird. Die Wirtschaft zieht den Kompromissvorschlag des Bundesrats klar dem Art. 167a E-ZPO (= RK-SR) vor. Er ist für die praktische Anwendung unmissverständlicher und einfacher umsetzbar.

Berufsgeheimnisschutz für Unternehmensjuristen schützt hiesige Firmen

Unternehmensjuristinnen und -juristen unterstützen Mitarbeitende von Unternehmen in juristischen Alltagsfragen und beraten auch die Geschäftsleitungsmitglieder und operationell tätige Kaderleute, damit deren Geschäftsentscheide mit der Rechtsordnung kompatibel sind. Der fehlende Geheimnisschutz für Unternehmensjuristen macht schweizerische Unternehmen enorm angreifbar. Denn gerade die Unternehmensjuristen kennen Branche, regionale Besonderheiten, Personen des Unternehmens und Strategien ihrer Arbeitgeberin regelmässig am besten. Ein auf nationaler Ebene verankerter gesetzlicher Geheimnisschutz ist von Bedeutung, damit Unternehmen nicht unnötigerweise sensitive Risikoinformationen preisgeben müssen oder sogar missbräuchlich dazu gezwungen werden. Schweizer Unternehmen würden mit der Verankerung des Berufsgeheimnisschutzes in der ZPO in internationalen Zivilprozessen besser geschützt.

Förderung von Compliance im Unternehmen im gemeinsamen Interesse von Mitarbeitenden und Unternehmen

Der Berufsgeheimnisschutz für unternehmensinterne Juristen trägt deutlich zur Stärkung der internen Compliance eines Unternehmens bei. Gewissenhafte Mitarbeitende werden ermuntert, mögliche Fehler nicht zu vertuschen, sondern mit der Unternehmensjuristin zusammenzuarbeiten. Die Unternehmensjuristin erhält dadurch die Möglichkeit, die Situation zu analysieren und im Interesse der gemeinsamen Arbeitgeberin die geeigneten Massnahmen zu ergreifen. Verstösst der Mitarbeitende dabei gegen Schweizer Recht, ist sein Verhalten auch nach Einführung des Berufsgeheimnisschutzes für Unternehmensjuristen nicht geschützt. Im Rahmen straf- und verwaltungsrechtlicher Verfahren könnte dieser nach wie vor zur Rechenschaft gezogen werden.

Nicht nur angloamerikanische Prozesseigenheit, auch andere Länder rüsten auf

Der Berufsgeheimnisschutz für Unternehmensjuristen, der seit Langem im angloamerikanischen Recht verankert ist und die amerikanischen Unternehmen in Zivilprozessen schützt, wird zunehmend in den umliegenden europäischen Ländern eingeführt. Deutschland beispielsweise schützt Unternehmensjuristen im Zivilrecht seit 2016. Auch Frankreich berät zurzeit eine entsprechende Vorlage. Singapur ging in dieser Frage schon vor Jahren in die richtige Richtung: Der damalige Justizminister begründete die Einführung des Berufsgeheimnisschutzes für Unternehmensjuristen im Jahr 2012 mit der Erhöhung der Standortattraktivität für ausländische Unternehmen. Es ist endlich an der Zeit, dass die Schweiz ihr Abwehrdispositiv verbessert, damit sie nicht in naher Zukunft leichtfertig zum Einfallstor für die sich international organisierende Klageindustrie wird.

Stand der Beratungen

Der Ständerat berät die Vorlage in der Sommersession 2021 als Erstrat.

Im Frühjahr 2021 hatte die RK-SR die Detailberatungen abgeschlossen und ihrem Rat die Vorlage in der Gesamtabstimmung einstimmig zur Annahme empfohlen. Die Kommission hatte sich – wie schon der Bundesrat – für die Einführung eines Berufsgeheimnisschutzes für Unternehmensjuristen ausgesprochen – allerdings für eine missverständlichere und systemfremde Variante, weshalb Art. 160a E-ZPO klar vorzuziehen ist.

Beurteilung der Beratungen

Die Notwendigkeit eines Berufsgeheimnisschutzes für Unternehmensjuristen war im Ständerat unbestritten. Zurzeit stehen zwei unterschiedliche Vorschläge zur Diskussion: der Vorschlag des Bundesrats und der Vorschlag der Rechtskommission des Ständerats, der in dieser Session vom Ständerat in erster Lesung unterstützt wurde. Diese Lösung überzeugt technisch aber nicht. Beim Vorschlag der Rechtskommission des Ständerats ist zu befürchten, dass aufgrund der Formulierung und dem Vorbehalt eines «Gegenrechts» die schweizerischen Unternehmen in einem internationalen Zivilprozess kaum geschützt würden. Zudem wäre die Rechtsunsicherheit in jedem einzelnen Fall für das betroffene Unternehmen gross, weshalb die Wirtschaft sich wiederholt für den bundesrätlichen Vorschlag ausgesprochen hat. Es liegt nun am Nationalrat, eine praxistaugliche Lösung zu finden – entlang des bundesrätlichen Vorschlags.

MEHRWERTSTEUER-EINHEITSSATZ – WANN, WENN NICHT JETZT?

In der Sommersession diskutiert der Ständerat die Motion Caroni für einen Einheitssatz mit möglichst wenigen Ausnahmen. Auch der Bundesrat unterstützt die Stossrichtung, anerkennt die wichtige Entlastung der Unternehmen und den damit verbundenen volkswirtschaftlichen Impuls; er beantragt dann allerdings mit Verweis auf vergangene politische Fehlversuche sowie die zeitliche Nähe zur Covid-19-Krise, die Motion abzulehnen. Die Beurteilung der Wirtschaft fällt anders aus. Ein substanzieller Abbau der Bürokratiekosten und die administrative Entlastung der Unternehmen ist so notwendig wie eh und je. Die unter Fachleuten unbestritten wichtige Reform darf nicht länger aufgeschoben werden.

Position economiesuisse

Immense Kosten für die Unternehmen

Die Mehrwertsteuer ist anerkanntermassen einer der grössten administrativen Kostenfaktoren für die Schweizer Firmen (siehe SECO Bürokratiemonitor 2018). Diese Situation hat massgeblich mit den zahlreichen Brüchen zu tun, die das Mehrwertsteuersystem durchziehen. Schweizer Unternehmen könnten durch eine Vereinfachung substanziell entlastet werden. Umgekehrt steigen die Kosten, wenn sich die systemischen Bruchlinien weiter vertiefen und zahlenmässig noch zunehmen. Aktuelle Vorstösse im Bereich der Mehrwertsteuer verstärken leider die zweite, negative Tendenz. Das Problem für die Schweizer Unternehmen kann nicht dadurch gelöst werden, dass für immer zahlreichere Konsumbereiche, Firmen- und Branchensegmente Ausnahmen und Privilegien geschaffen werden. Jedes Privileg stellt einen Nachteil und eine Zusatzbelastung für andere dar.

Selbstveranlagung am Limit

Die technische Komplexität der Mehrwertsteuer hat einen Punkt erreicht, an dem die Veranlagung für das Gross der Unternehmen nicht mehr selbst handhabbar ist. Meist wird externe Unterstützung benötigt, um die Mehrwertsteuer korrekt nach Gesetz und Behördenpraxis abzurechnen. Für die Mehrwertsteuer als Selbstveranlagungssteuer ist das verheerend. Es sind die Unternehmen (private wie staatliche), die die Mehrwertsteuer für den Staat erheben. Sehen sie sich dazu zusehends ausserstande, ist dies zum einen ein staatspolitisches Problem. Zum andern ist es auch volkswirtschaftlich nicht akzeptabel, wenn Unternehmen, allein um ihren rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, Kosten in Kauf nehmen müssen, die jährlich mittlerweile eine Milliarde Franken übersteigen dürften. Wenn die Erfüllung einer Steuerpflicht von den Steuerpflichtigen Mittel in volkswirtschaftlich relevanter Höhe abverlangen – Mittel, die besser in die Firmenentwicklung, in die Innovation und den Erhalt von Arbeitsplätzen geleitet würden – ist dies Ausdruck einer enormen verschwenderischen Ineffizienz, die stossend ist.

Einheitssatz ist die einzig faire Lösung

Die Mehrwertsteuer ist eine allgemeine Verbrauchersteuer. Sie soll laut Gesetz nach dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität erhoben werden. Heute wird diese Neutralität durch Ausnahmen von der Steuerpflicht sowie durch den reduzierten Steuersatz (2,5 Prozent) und den Sondersatz (3,7 Prozent) relativiert. Die Wege zu einer einfach(er) handzuhabenden Mehrwertsteuer sind bekannt. Sie betreffen an erster Stelle die Vereinheitlichung der Steuersätze und den Abbau möglichst vieler Steuerausnahmen. Eine Gesetzgebung, die diese Richtung verfolgt, würde nicht nur die Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung von administrativem Aufwand entlasten, sondern auch andere Steuerpflichtige, wie Vereine und gemeinnützige Organisationen. Der Bundesrat wie auch die Wirtschaft haben sich stets für eine solche Reform ausgesprochen.

Eine faire, unverzerrte Mehrwertsteuer belastet alle Unternehmen und alle Leistungen grundsätzlich gleich. Auch aus Sicht der Konsumentinnen und Konsumenten ist dies die einzig faire Lösung. Ein Vorgehen mit unterschiedlichen Steuersätzen und zahllosen Ausnahmen kann der heutigen Breite und Vielfalt des Konsums nicht gerecht werden. Ein solches System ist zwangsweise zufällig, widersprüchlich und letztlich unverständlich. Oder wie rechtfertigt es sich, dass Wasser, das als Frischwasser ins Haus gelangt, zum reduzierten Satz besteuert wird, als Abwasser, wenn es das Haus wieder verlässt, jedoch zum Normalsatz? Warum ist das Startgeld für den Berglauf von der Steuer ausgenommen, auf jeder Bergführerrechnung stehen jedoch 7,7 Prozent? Warum werden Strom und der Velohelm hoch besteuert, Kaviar und Filet jedoch tief?

Die Motion Caroni ist auch deshalb zu befürworten, weil sie dem Bundesrat für die konkrete Ausgestaltung (notwendige Ausnahmen, aufkommensneutraler Steuersatz, allfälliges soziales Korrektiv) den nötigen Spielraum belässt, um eine politisch ausgewogene Lösung zu finden. Nicht zuletzt könnte eine grundlegende Reform auch das Problem der Subventionsempfänger lösen – etwa Kantone und Gemeinden, aber auch privatwirtschaftliche und gemeinnützige Organisationen –, bei denen heute Subventionen von weit über einer Milliarde Franken durch die Mehrwertsteuer direkt wieder abfliessen.

Stand der Beratungen

In der Sommersession 2021 berät der Ständerat die Motion als Erstrat.

Beurteilung der Beratungen

Der Ständerat hat die Motion der zuständigen WAK-SR zur Vorprüfung zugewiesen. Es ist wichtig, dass die Kommission die Vereinfachung des komplizierten Mehrwertsteuersystems ernsthaft prüft. Das Anliegen ist zwar politisch anspruchsvoll, die positiven Effekte auf den Wirtschaftsstandort Schweiz sind aber dermassen gewichtig, dass ein neuer Anlauf rasch vorangetrieben werden sollte.