Früh­jahrs­ses­si­on 2021

Die eid­ge­nös­si­schen Räte haben in der Früh­jahrs­ses­si­on 2021 fol­gen­rei­che und für die Wirt­schaft wich­ti­ge Be­schlüs­se ge­fasst. Das Ren­ten­al­ter der Frau­en wird auf 65 Jahre an­ge­ho­ben, die Co­ro­na-Not­hil­fe um 10 Mil­li­ar­den Fran­ken auf­ge­stockt, das Geld­wä­sche­r­ei­ge­setz an­ge­passt und meh­re­re Volks­in­itia­ti­ven wer­den zur Ab­leh­nung emp­foh­len.

Ses­si­on im Über­blick

Am letz­ten Ses­si­ons­tag hat ein wei­te­res Co­ro­na-Hilfs­pa­ket die Schlussab­stimmung der eid­ge­nös­si­schen Räte pas­siert (Covid-19-Ge­setz und der ent­spre­chen­de Zu­satz­kre­dit zum Bud­get). Be­reits im kom­men­den Juni muss die Vor­la­ge die Hürde der Re­fe­ren­dums­ab­stim­mung be­zwin­gen. An­sons­ten lau­fen die Be­stim­mun­gen des Covid-19-Ge­set­zes gegen Ende Sep­tem­ber 2021 aus. Viel­leicht hat sich ob die­ser Aus­sich­ten in der Ei­ni­gungs­kon­fe­renz letzt­lich die mass­vol­le­re Lö­sung des Stän­de­rats durch­ge­setzt. eco­no­mie­su­is­se hat die Stoss­rich­tung der Klei­nen Kam­mer un­ter­stützt. Die Här­te­fall­mass­nah­men sind Not­hil­fe­gel­der und als sol­che ziel­ge­rich­tet ein­zu­set­zen.

AHV 21: Trag­fä­hi­ge Lö­sung des Stän­de­rats

Eine faire und nach­hal­ti­ge Lö­sung hat der Stän­de­rat bei der Re­vi­si­on der AHV vor­ge­legt. Nicht nur hat sich die Klei­ne Kam­mer klar für die An­he­bung des Re­fe­ren­zal­ters der Frau­en auf 65 aus­ge­spro­chen. Sie hat sich auch für ein so­ge­nann­tes Trapez­modell für die fi­nan­zi­el­le Ab­fe­de­rung der neun ers­ten be­trof­fe­nen Frau­en­jahr­gän­ge ent­schie­den. Dank die­ser Lö­sung ent­las­tet die An­glei­chung des Frau­en­re­fe­ren­zal­ters die AHV um ins­ge­samt rund eine Mil­li­ar­de Fran­ken. In der glei­chen Grös­sen­ord­nung be­wegt sich die ge­plan­te Er­hö­hung der Mehr­wert­steu­er (MWST): Mit 0,3 Pro­zent­punk­ten flies­sen jähr­lich zu­sätz­li­che Fi­nanz­mit­tel von gut einer Mil­li­ar­de Fran­ken in die AHV. eco­no­mie­su­is­se hatte sich ge­eint mit dem Schwei­ze­ri­schen Ar­beit­ge­ber­ver­band und dem Schwei­ze­ri­schen Ge­wer­be­ver­band für eine trag­fä­hi­ge Lö­sung en­ga­giert.

Wich­ti­ge Vor­la­gen unter Dach und Fach

Über die Ziel­li­nie ge­ret­tet haben die Räte in der Schluss­ab­stim­mung die Re­vi­si­on des Geldwäscherei­gesetzes. Sie haben damit das Geld­wä­sche­rei-Ab­wehr­dis­po­si­tiv und auch den Wirt­schafts­stand­ort der Schweiz ge­stärkt. Bun­des­rat Ueli Mau­rer hat je­doch be­reits eine An­schluss­re­vi­si­on an­ge­kün­digt, da mit der ak­tu­el­len nur die dring­lichs­ten Her­aus­for­de­run­gen ge­löst seien.

Ohne Ge­gen­stim­me um fünf Jahre ver­län­gert hat der Na­tio­nal­rat die Aus­nah­me­be­stim­mun­gen, wel­che Zin­sen bei den so­ge­nann­ten Too-big-to-fail-In­stru­men­ten von der Ver­rech­nungs­steu­er aus­nimmt. eco­no­mie­su­is­se be­grüsst die­sen kla­ren Ent­scheid, trägt er doch zur Sta­bi­li­tät des Fi­nanz­plat­zes Schweiz bei. Die um­fas­sen­de Re­form der Ver­rech­nungs­steu­er bleibt den­noch vor­dring­lich.

Die Schluss­ab­stim­mung pas­siert hat auch die Re­vi­si­on des ETH-Ge­set­zes. Die letz­ten Dif­fe­ren­zen wur­den erst in der Ei­ni­gungs­kon­fe­renz aus­ge­räumt. eco­no­mie­su­is­se hat sich in der Re­vi­si­on ins­be­son­de­re gegen die ge­plan­te Wei­sungs­kom­pe­tenz des ETH-Rats ohne Kon­sul­ta­ti­ons- bzw. An­hö­rungs­flicht der je­wei­li­gen In­sti­tu­tio­nen sowie die Auf­he­bung des Be­schwer­de­rechts gegen Ent­schei­de des ETH-Rats ge­stellt. eco­no­mie­su­is­se ist mit dem Er­geb­nis der par­la­men­ta­ri­schen De­bat­te zu­frie­den.

Meh­re­re Volks­in­itia­ti­ven hat­ten im Par­la­ment rich­ti­ger­wei­se keine Chan­ce

Ein wich­ti­ges Zei­chen in Form einer sehr deut­li­chen Ab­leh­nung haben die Räte bei der 99-Pro­zent-In­itia­ti­ve ge­setzt. Diese ra­di­ka­le Vor­la­ge wäre Gift für KMU, Start-ups, Klein­spa­rer, Ei­gen­heim­be­sit­zer und Bau­ern­fa­mi­li­en.

Keine Chan­ce im Na­tio­nal­rat hatte auch die Volks­in­itia­ti­ve «Ja zum Tier- und Menschenver­suchsverbot – Ja zu For­schungs­we­gen mit Im­pul­sen und Si­cher­heit und Fort­schritt». Mit einer An­nah­me würde unter an­de­rem der For­schungs­platz Schweiz ge­schwächt, was ge­ra­de in Pan­de­mie­zei­ten als ab­sur­der Vor­schlag an­mu­tet.

Rich­ti­ger­wei­se emp­fiehlt das Par­la­ment Volk und Stän­den die Fair-Preis-In­itia­ti­ve klar zur Ab­leh­nung. Al­ler­dings hat es einen in­di­rek­ten Ge­gen­vor­schlag ver­ab­schie­det, wel­cher die An­lie­gen der In­iti­an­ten weit­ge­hend über­nimmt. Ver­bun­den mit die­sem Ge­gen­vor­schlag sind aus Sicht von eco­no­mie­su­is­se un­rea­lis­ti­sche Er­war­tun­gen an das neu ein­zu­füh­ren­de Kon­zept der re­la­ti­ven Markt­macht, wel­ches einen Fremd­kör­per im Kar­tell­recht dar­stellt. Auch das im UWG vor­ge­se­he­ne Ver­bot von Geo-Blo­cking wird in der Pra­xis zu Her­aus­for­de­run­gen bei der Durch­set­zung füh­ren. Im­mer­hin hat das Par­la­ment auf die Ein­füh­rung einer so­ge­nann­ten Re-Im­port-Klau­sel ver­zich­tet. Die In­iti­an­ten haben den Rück­zug der In­itia­ti­ve an­ge­kün­digt.

Dem Stimm­volk ohne Ge­gen­vor­schlag zur Ab­leh­nung emp­fiehlt die Gros­se Kam­mer die Volksini­tiative, die ein un­dif­fe­ren­zier­tes und ra­di­ka­les Ver­bot für Ta­bak­wer­bung for­dert. eco­no­mie­su­is­se un­ter­stützt einen ziel­ge­rich­te­ten Schutz von Kin­dern und Ju­gend­li­chen vor Wer­bung für Ta­bak­pro­duk­te und E-Zi­ga­ret­ten. Die­ser soll je­doch im Ta­bak­pro­duk­te­ge­setz ge­re­gelt wer­den, wie dies auch Na­tio­nal- und Bun­des­rat for­dern.

Mit einer Aus­bil­dungs­of­fen­si­ve und mehr Ver­ant­wor­tung für Pfle­gen­de will das Par­la­ment dem Pfle­ge­be­ruf eine Son­der­stel­lung ein­räu­men. Dies, indem es der Volks­in­itia­ti­ve Für eine star­ke Pfle­ge (Pfle­ge­initia­ti­ve) einen in­di­rek­ten Ge­gen­vor­schlag ge­gen­über­stellt. Des­sen Wir­kung zu­guns­ten der Pfle­ge ist al­ler­dings un­klar. Auch ohne die­ses Paket in der Höhe von rund 500 Mil­lio­nen Fran­ken hätte man den Pfle­ge­be­ruf at­trak­ti­ver ma­chen kön­nen. eco­no­mies­su­is­se lehnt so­wohl den Ge­gen­vor­schlag als auch die In­itia­ti­ve ab. Letz­te­re emp­fiehlt auch der Na­tio­nal­rat zur Ab­leh­nung. Der Stän­de­rat muss sich dazu noch äus­sern.

Zen­tra­le Ge­schäf­te der Früh­jahrs­ses­si­on sind die Vor­la­gen, mit wel­cher die Fi­nan­zie­rung des Här­te­fall­pro­gramms, der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung und der Kurz­ar­beit sowie wei­te­rer Un­ter­stüt­zungs­mass­nah­men be­schlos­sen wer­den sol­len. Dazu ge­hö­ren unter an­de­rem die Än­de­rung des Covid-19-Ge­set­zes und der ent­spre­chen­de Nach­trag zum Bud­get 2021. eco­no­mie­su­is­se stellt sich grund­sätz­lich hin­ter die Vor­la­ge des Bun­des­rats – ent­schei­dend sind aber die Ent­wür­fe der Kom­mis­sio­nen, wel­che noch nicht im De­tail be­kannt sind. Die Be­ur­tei­lung von eco­no­mie­su­is­se er­folgt des­halb zu einem spä­te­ren Zeit­punkt.

In den drei Ses­si­ons­wo­chen ste­hen je­doch nicht nur Covid-Vor­la­gen, son­dern auch an­de­re für die Wirt­schaft wich­ti­ge Ge­schäf­te auf dem Pro­gramm. Die Ver­bes­se­rung der Rah­men­be­din­gun­gen für Un­ter­neh­men, ihre Ar­beits­plät­ze und den Stand­ort Schweiz muss in allen wirt­schafts­po­li­ti­schen Dos­siers obers­te Prio­ri­tät haben. Jetzt – nach einem Jahr in der Pan­de­mie – erst recht.

Zu den­ken ist etwa an das Geld­wä­sche­r­ei­ge­setz, das die Schweiz für ihre Stand­ort­at­trak­ti­vi­tät und für ein in­ter­na­tio­nal an­er­kann­tes Ab­wehr­dis­po­si­tiv unter Dach und Fach brin­gen muss. Die Vor­la­ge be­fin­det sich in der Dif­fe­renz­ber­ei­ni­gung.

Auf kei­nen Fall soll­ten Volk und Stän­de die Fair-Preis-In­itia­ti­ve an­neh­men. Die würde näm­lich im Kampf gegen die Hoch­preis­in­sel Schweiz gar nichts nüt­zen. Der an­vi­sier­te Ge­gen­vor­schlag des Par­la­ments ist nicht bes­ser – er steht in bei­den Räten zur Be­rei­ni­gung von Dif­fe­ren­zen auf der Trak­tan­den­lis­te. Weder In­itia­ti­ve noch Ge­gen­vor­schlag wür­den zu tie­fe­ren oder so­ge­nannt fai­ren Prei­sen füh­ren. Aber die ri­gi­den Vor­schrif­ten be­hin­dern den frei­en Wett­be­werb und schaf­fen Kon­flik­te mit einer Reihe in­ter­na­tio­na­ler Ver­ein­ba­run­gen. Viel klü­ger und auch für Kon­su­men­ten vor­teil­haft wäre die Ab­schaf­fung der In­dus­trie­z­öl­le. Doch hier tut sich ins­be­son­de­re der Na­tio­nal­rat schwer. Statt ent­schie­den zu re­agie­ren und Un­ter­neh­men von Im­port­zöl­len und ad­mi­nis­tra­ti­vem Bal­last zu be­frei­en, wird das Pro­jekt un­nö­tig ver­zö­gert.

Auch die linke 99-Pro­zent-In­itia­ti­ve ist eine schlech­te Idee: Die Be­zeich­nung sug­ge­riert, dass nur ein Pro­zent der Be­völ­ke­rung von die­sem Vor­ha­ben be­trof­fen sei. Tat­säch­lich wol­len die In­iti­an­tin­nen und In­iti­an­ten der Juso aber auch Start-ups, Klein­spa­rer, Ei­gen­heim­be­sit­zer und Bau­ern­fa­mi­li­en zur Kasse bit­ten. Am stärks­ten be­las­tet wür­den aber KMU. Im lau­fen­den Be­trieb und ins­be­son­de­re bei der Un­ter­neh­mens­nach­fol­ge würde die In­itia­ti­ve zu einem mas­si­ven Ka­pi­tal­ab­fluss füh­ren. Die Er­ho­lung «nach Co­ro­na» würde ge­fähr­det. Die be­reits stark in Mit­lei­den­schaft ge­zo­ge­ne Schwei­zer KMU-Wirt­schaft stün­de grund­le­gend auf dem Spiel. Es mutet ab­surd an, heute Mil­li­ar­den zum Er­halt von KMU zu spre­chen und die­sen dann durch eine In­itia­ti­ve ihre Sub­stanz zu ent­zie­hen. Der ra­di­ka­len Juso-In­itia­ti­ve soll nach dem Stän­de­rat auch der Na­tio­nal­rat eine klare Ab­sa­ge er­tei­len

Eben­so deut­lich ab­zu­leh­nen ist die Volks­in­itia­ti­ve für ein Tier­ver­suchs­ver­bot. Sie würde den For­schungs­platz Schweiz schwä­chen und damit just den Sek­tor, der die Schweiz in der heu­ti­gen Krise stützt. Ar­beits- und For­schungs­plät­ze müss­ten ins Aus­land ver­la­gert wer­den. Auch ist die Vor­la­ge nicht ver­ein­bar mit in­ter­na­tio­na­len Ver­pflich­tun­gen. Noch gra­vie­ren­der je­doch: Die Ver­sor­gung der Schwei­zer Be­völ­ke­rung mit Me­di­ka­men­ten würde ge­fähr­det. Der schön­fär­be­ri­sche Titel «Ja zum Tier- und Men­schen­ver­suchs­ver­bot – Ja zu For­schungs­we­gen mit Im­pul­sen und Si­cher­heit und Fort­schritt» macht die Vor­la­ge nicht bes­ser. Die In­itia­ti­ve wird vom Na­tio­nal­rat be­ra­ten.

Im Stän­de­rat für viel Dis­kus­si­ons­stoff sor­gen wird die AHV-Re­form. eco­no­mie­su­is­se un­ter­stützt das längst fäl­li­ge Vor­ha­ben, die AHV nach­hal­tig zu sta­bi­li­sie­ren. Die Vor­la­ge des Bun­des­rats ist aus Sicht der Wirt­schaft je­doch zu stark auf ein­nah­men­sei­ti­ge Mass­nah­men (Zu­satz­fi­nan­zie­rung) aus­ge­rich­tet. Durch die Be­schlüs­se der Kom­mis­si­on des erst­be­ra­ten­den Stän­de­rats gerät die Vor­la­ge nun noch wei­ter in Schief­la­ge. Um die Re­form nicht nur aus­ge­wo­gen und nach­hal­tig, son­dern auch mehr­heits­fä­hig zu ma­chen, braucht es aus Sicht von eco­no­mie­su­is­se eine deut­li­che Kor­rek­tur. De­tails dazu lesen Sie hier.

Auf der Ziel­ge­ra­den, in der zwei­ten Runde der Dif­fe­renz­ber­ei­ni­gung, be­fin­det sich das ETH-Ge­setz. eco­no­mie­su­is­se un­ter­stützt bei den noch of­fe­nen Punk­ten zum einen den Ver­mitt­lungs­vor­schlag des Stän­de­rats zum Be­schwer­de­recht gegen Ent­schei­de des ETH-Rats und an­de­rer­seits, dass die Be­schwer­de­kom­mis­si­on durch den Bun­des­rat ge­wählt wird. Es ist rich­tig, dass die Be­ra­tun­gen jetzt zu einem Ab­schluss kom­men.

Keine Un­ter­stüt­zung ver­die­nen hin­ge­gen un­dif­fe­ren­zier­te Wer­be­ver­bo­te für le­ga­le Pro­duk­te, wie sie bei­spiels­wei­se die Volks­in­itia­ti­ve «Ja zum Schutz der Kin­der und Ju­gend­li­chen vor Ta­bak­wer­bung» ver­langt. Die Wirt­schaft stellt sich hin­ter Prä­ven­ti­ons­mass­nah­men und den Schutz von Kin­dern und Ju­gend­li­chen, nicht je­doch hin­ter den an­vi­sier­ten Weg: Wer­be­ver­bo­te für le­ga­le Pro­duk­te hin­dern In­no­va­ti­on – zum Bei­spiel in we­ni­ger schäd­li­che Pro­duk­te –, ste­hen der Wirt­schafts­frei­heit ent­ge­gen und bil­den ein ge­fähr­li­ches Prä­ju­diz für an­de­re Pro­duk­te, nur um ei­ni­ge Kri­tik­punk­te zu nen­nen.

An­neh­men soll­te der Na­tio­nal­rat hin­ge­gen die Än­de­run­gen im Ver­rech­nungs­steu­er­ge­setz. Es geht um die Ver­län­ge­rung von Aus­nah­me­be­stim­mun­gen, für so­ge­nann­te Too-big-to-fail-In­stru­men­te. Ohne diese Wei­ter­füh­rung wür­den die In­stru­men­te für aus­län­di­sche In­ves­to­ren un­at­trak­tiv und der Ei­gen­ka­pi­tal­auf­bau für sys­tem­re­le­van­te Ban­ken würde er­schwert. Diese Teil­re­vi­si­on darf aber nicht dar­über hin­weg­täu­schen, dass die um­fas­sen­de Ver­rech­nungs­steu­er­re­form, wegen der in­ter­na­tio­na­len An­for­de­run­gen im Nach­gang des OECD-BEPS-Pro­jekts und wegen der Dis­kus­sio­nen um die Be­steue­rung der di­gi­ta­len Wirt­schaft, in­zwi­schen vor­dring­lich ge­wor­den ist. Die seit Jahr­zehn­ten be­ste­hen­den Hin­der­nis­se für die Un­ter­neh­mens­fi­nan­zie­rung und die Ent­wick­lung des Schwei­zer Ka­pi­tal­markts müs­sen end­lich be­sei­tigt wer­den.

In der Früh­jahrs­ses­si­on haben die Räte um das Co­ro­na-Hilfs­pa­ket ge­feilscht. Schliess­lich pas­sier­te das Ge­schäft die Schluss­ab­stim­mung je­doch klar. eco­no­mie­su­is­se be­ur­teilt die An­pas­sun­gen im Covid-19-Ge­setz po­si­tiv. Na­tio­nal- und Stän­de­rat haben mit Au­gen­mass ent­schie­den und sich für Not­hil­fe­gel­der aus­ge­spro­chen, die nicht mit der Giess­kan­ne, son­dern ziel­ge­rich­tet ein­ge­setzt wer­den sol­len.

Ein ri­si­ko­ba­sier­tes und ziel­ge­rich­te­tes Vor­ge­hen wäre auch mit Blick auf Lo­cke­rungs­mass­nah­men durch den Bun­des­rat ver­tret­bar ge­we­sen: Das be­trifft ins­be­son­de­re sei­nen Ent­scheid gegen die Auf­he­bung der Ho­me­of­fice-Pflicht und gegen die Öff­nung der Re­stau­rant-Ter­ras­sen. Die aus­führ­li­che Be­ur­tei­lung von eco­no­mie­su­is­se zu den neus­ten Ent­schei­den des Bun­des­rats lesen Sie in der Me­di­en­mit­tei­lung

Er­fah­ren Sie hier mehr über den Lo­cke­rungs­plan, den eco­no­mie­su­is­se schon vor ge­rau­mer Zeit vor­ge­schla­gen hat. 

Alle In­for­ma­tio­nen zu Co­ro­na fin­den Sie hier: Schwer­punkt Co­ro­na-Pan­de­mie

Beide Räte

MART­KAB­SCHOT­TUNG FÜHRT NICHT ZU TIE­FE­REN PREI­SEN: IM GE­GEN­TEIL

Die Volks­in­itia­ti­ve for­dert die Ge­währ­leis­tung der dis­kri­mi­nie­rungs­frei­en Be­schaf­fung von Waren und Dienst­leis­tun­gen im Aus­land sowie die Ver­hin­de­rung von Wett­be­werbs­be­schrän­kun­gen, die durch das Ver­hal­ten von markt­mäch­ti­gen Un­ter­neh­men ver­ur­sacht wer­den. Markt­be­herr­schen­de und «re­la­tiv markt­mäch­ti­ge Un­ter­neh­men» könn­ten nach den Vor­stel­lun­gen der In­iti­an­ten unter an­de­rem dazu ver­pflich­tet wer­den, die von ihnen ab­hän­gi­gen Un­ter­neh­men zu spe­zi­fi­schen Be­din­gun­gen zu be­lie­fern oder von ihnen Waren und Dienst­leis­tun­gen ab­zu­neh­men. Dar­über hin­aus ver­langt die In­itia­ti­ve auch ein grund­sätz­li­ches Ver­bot der re­gio­na­len Sper­rung von In­ter­ne­tin­hal­ten durch den An­bie­ter (pri­va­tes Geo­blo­cking).

Der in­di­rek­te Ge­gen­vor­schlag des Bun­des­rats nimmt das von der In­itia­ti­ve vor­ge­schla­ge­ne Kon­zept der re­la­ti­ven Markt­macht auf. Des­sen An­wen­dungs­be­reich wird je­doch auf Ab­schot­tun­gen des Schwei­zer Mark­tes be­grenzt. Rein in­ner­schwei­ze­ri­sche Sach­ver­hal­te wären nicht von der Re­ge­lung des Bun­des­rats er­fasst. Ein grund­sätz­li­ches Ver­bot des pri­va­ten Geo­blo­ckings lehnt der Bun­des­rat ins­be­son­de­re auf­grund der gros­sen Durch­set­zungs­schwie­rig­kei­ten ab.

Der Ent­wurf des Bun­des­rats wurde in der Früh­jahrs­ses­si­on 2020 vom Na­tio­nal­rat der­art um­ge­stal­tet, dass er die An­lie­gen der In­itia­ti­ve nun ohne Ab­stri­che auf­nimmt: Das Kar­tell­recht soll dem­ge­mäss nicht nur markt­be­herr­schen­de, son­dern neu auch re­la­tiv markt­mäch­ti­ge Un­ter­neh­men er­fas­sen. Dabei will der Na­tio­nal­rat an­ders als der Bun­des­rat nicht nur die Nach­fra­ger, son­dern auch die An­bie­ter «schüt­zen», wenn sie von markt­mäch­ti­gen Nach­fra­gern ab­hän­gen. Schliess­lich sind auch Ge­schäfts­be­zie­hun­gen in­ner­halb der Schweiz im Ge­gen­vor­schlag er­fasst. Der Na­tio­nal­rat be­für­wor­tet über­dies ein grund­sätz­li­ches Ver­bot von Geo­blo­cking.

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

eco­no­mie­su­is­se lehnt so­wohl die Volks­in­itia­ti­ve wie auch die in­di­rek­ten Ge­gen­vor­schlä­ge des Bun­des­rats und des Par­la­ments ab.

Markt­ab­schot­tung führt nicht zu tie­fe­ren Prei­sen

Un­ter­schied­li­che Prei­se müs­sen nicht zwangs­läu­fig das Re­sul­tat von «Ab­zo­cke­rei» sein, son­dern kön­nen bei­spiels­wei­se auf hö­he­re Lohn­kos­ten, Wech­sel­kurs­ri­si­ken, ab­wei­chen­de na­tio­na­le Re­gu­lie­run­gen oder auch einen er­höh­ten Res­sour­cen­auf­wand zu­rück­ge­führt wer­den. Die gröss­ten Preis­dif­fe­ren­zen im Ver­gleich zum Aus­land fin­den sich über­dies im ab­ge­schot­te­ten Bin­nen­markt, wie etwa im Ge­sund­heits- oder En­er­gie­sek­tor. Eine kon­se­quen­te Markt­öff­nung, die Durch­set­zung des Cas­sis-de-Dijon-Prin­zips, Zoll­sen­kun­gen wie auch der Abbau von (tech­ni­schen) Han­dels­hemm­nis­sen und Re­gu­lie­run­gen wären we­sent­lich ef­fi­zi­en­te­re und di­rek­te­re Mög­lich­kei­ten, um gegen die Hoch­preis­in­sel Schweiz vor­zu­ge­hen. Davon ab­ge­se­hen sehen weder die In­itia­ti­ve noch der bun­des- oder na­tio­nal­rät­li­che in­di­rek­te Ge­gen­vor­schlag eine Pflicht oder Ga­ran­tie vor, wo­nach die hie­si­gen Un­ter­neh­men die kar­tell­recht­lich er­strit­te­nen Vor­tei­le an die Kun­din­nen und Kun­den wei­ter­ge­ben müs­sen.

Re­la­ti­ve Markt­macht als Fremd­kör­per im Kar­tell­recht

Ein Ver­gleich der In­itia­ti­ve mit dem in­di­rek­ten Ge­gen­vor­schlag des Par­la­ments zeigt eine weit­ge­hen­de Über­ein­stim­mung der vor­ge­schla­ge­nen Me­cha­nis­men. Beide ver­lan­gen unter an­de­rem die beide Markt­sei­ten um­fas­sen­de Ein­füh­rung des Kon­zepts der re­la­ti­ven Markt­macht im Schwei­zer Kar­tell­ge­setz. Als re­la­tiv markt­mäch­tig gilt ein Un­ter­neh­men, wenn ein­zel­ne an­de­re Un­ter­neh­men von ihm in einer Weise ab­hän­gig sind, dass keine aus­rei­chen­den und zu­mut­ba­ren Mög­lich­kei­ten be­ste­hen, auf an­de­re Trans­ak­ti­ons­part­ner aus­zu­wei­chen. Eine all­ge­mein­gül­ti­ge De­fi­ni­ti­on, was unter «aus­rei­chend und zu­mut­bar» ver­stan­den wer­den soll, be­steht dabei nicht. Das Kon­zept er­laubt Ein­grif­fe in das bi­la­te­ra­le Ver­hält­nis zwei­er Un­ter­neh­men, auch wenn keine Markt­be­herr­schung vor­liegt bzw. der Wett­be­werb auf einem Markt ins­ge­samt funk­tio­niert.

Feh­len­der Preis­wett­be­werb durch Re­import-Klau­sel

So­wohl die In­itia­ti­ve wie auch der in­di­rek­te Ge­gen­vor­schlag des Par­la­ments be­für­wor­ten eine Re­import-Klau­sel, wel­che es Schwei­zer Un­ter­neh­men er­laubt, die Be­schaf­fung der von ihnen ex­por­tier­ten Waren im Aus­land ein­zu­schrän­ken, so­fern diese le­dig­lich in die Schweiz re­impor­tiert und ohne wei­te­re Be­ar­bei­tung ver­kauft wer­den. Damit würde in­län­di­schen, re­la­tiv markt­mäch­ti­gen Un­ter­neh­men die Ab­schot­tung des Schwei­zer Mark­tes fak­tisch wei­ter­hin er­laubt blei­ben. Markt­be­herr­schen­den Un­ter­neh­men soll dies neu sogar er­laubt wer­den. Dies würde dazu füh­ren, dass Schwei­zer Un­ter­neh­men sowie Schwei­zer Kon­su­men­tin­nen und Kon­su­men­ten in vie­len Fäl­len ge­ra­de nicht von güns­ti­ge­ren Prei­sen für Schwei­zer Pro­duk­te pro­fi­tie­ren.

Waren im Aus­land und nicht im In­land zu be­stel­len kann viel­fäl­ti­ge Grün­de haben: Bei­spiels­wei­se kön­nen Schwei­zer Un­ter­neh­men auf­grund von Ver­trags­bin­dun­gen mit aus­län­di­schen Han­dels­part­nern zum Bezug ver­pflich­tet sein. Hinzu kommt der star­ke Schwei­zer Fran­ken, wel­cher in­län­di­sche Un­ter­neh­men zum kos­ten­güns­ti­ge­ren Im­port zwingt. So sind ge­ra­de klei­ne­re Un­ter­neh­men auf tie­fe­re Prei­se an­ge­wie­sen, um im Wett­be­werb mit­hal­ten zu kön­nen. Die Re­import-Klau­sel ge­wich­tet die In­ter­es­sen (re­la­tiv) markt­mäch­ti­ger, ex­port­ori­en­tier­ter Un­ter­neh­men in der Schweiz höher als die zu er­rei­chen­den Preis­ef­fek­te für Kon­su­men­ten.

Die Re­import-Klau­sel schafft aus­ser­dem Kon­flik­te mit einer Reihe in­ter­na­tio­na­ler Ver­pflich­tun­gen: so zum Bei­spiel mit dem Frei­han­dels­ab­kom­men der Schweiz mit der EU (FHA) und der Ver­pflich­tung der Nicht-Dis­kri­mi­nie­rung nach WTO-Recht. Schliess­lich könn­te eine fak­ti­sche ein­sei­ti­ge Pri­vi­le­gie­rung von Schwei­zer Un­ter­neh­men dem Prin­zip der In­län­der­be­hand­lung (ge­mäss den ent­spre­chen­den WTO- und FHA-Be­stim­mun­gen) ent­ge­gen­ste­hen und würde damit ein ne­ga­ti­ves Si­gnal an die Nach­bar­län­der und die EU sen­den. Ent­spre­chend ist mit hef­ti­gen Re­ak­tio­nen der Nach­bar­län­der und der OECD auf die­sen Bruch kar­tell­recht­li­cher Grund­prin­zi­pi­en zu rech­nen.

Geo­blo­cking: oft schie­re Not­wen­dig­keit an­statt In­stru­ment der Ab­schot­tung

Eben­falls eine Be­hin­de­rung des frei­en Wett­be­werbs stellt ein grund­sätz­li­ches Ver­bot von Geo­blo­cking dar. Ein sol­ches kann bei­spiels­wei­se aus Grün­den des Kon­su­men­ten­schut­zes (Un­ter­schie­de be­züg­lich In­for­ma­ti­ons­pflich­ten, Ge­währ­leis­tung) oder auf­grund re­gu­la­to­ri­scher As­pek­te (zum Bei­spiel Fi­nanz­markt­pro­duk­te, Phar­ma­zeu­ti­ka) ge­bo­ten sein. Der Bun­des­rat weist dar­über hin­aus zu­recht dar­auf hin, dass ein Ver­bot ohne ent­spre­chen­de staats­ver­trag­li­che Re­ge­lung mit gros­sen Durch­set­zungs­schwie­rig­kei­ten ver­bun­den und dem­nach wir­kungs­los sei.

Stand der Be­ra­tun­gen

Na­tio­nal­rat und Stän­de­rat leh­nen so­wohl die Volks­in­itia­ti­ve als auch den in­di­rek­ten Ge­gen­vor­schlag des Bun­des­rats ab. Hin­ge­gen set­zen sich beide Räte für einen in­di­rek­ten Ge­gen­vor­schlag ein, der die An­lie­gen der In­iti­an­ten fast voll­stän­dig über­nimmt. Dif­fe­ren­zen be­ste­hen noch hin­sicht­lich der Re­import-Klau­sel sowie des Geo­blo­cking-Ver­bots. Die dies­be­züg­li­che Be­rei­ni­gung er­folgt in der Früh­jahrs­ses­si­on 2021 zu­nächst durch den Na­tio­nal­rat.

Be­ur­tei­lung der Be­ra­tun­gen

Das Par­la­ment hat sich für einen weit­ge­hen­den in­di­rek­ten Ge­gen­vor­schlag zur Fair-Preis-In­itia­ti­ve aus­ge­spro­chen und setzt das Volks­be­geh­ren damit fak­tisch ohne Volks­ab­stim­mung um. Die In­iti­an­ten haben denn auch schon den Rück­zug ihrer In­itia­ti­ve an­ge­kün­digt.

Es bleibt aber mehr als frag­wür­dig, ob die neu ge­schaf­fe­nen In­stru­men­te im Kar­tell­recht und im UWG die er­hoff­ten Preis­sen­kun­gen be­wir­ken wer­den. Zu­sam­men mit dem Bun­des­rat hatte eco­no­no­mie­su­is­se dar­auf hin­ge­wie­sen, dass mit der Ein­füh­rung des bis­lang in un­se­rem Rechts­sys­tem nicht be­kann­ten Kon­zep­tes der «re­la­ti­ven Markt­macht» sich nichts We­sent­li­ches an der Preis­in­sel Schweiz än­dern wird. Das Glei­che gilt auch für das neue Ver­bot von Geo­blo­cking. Die bis­her für markt­be­herr­schen­de Un­ter­neh­men gel­ten­den Ver­bo­te wie miss­bräuch­li­che Lie­fer­ver­wei­ge­rung und Preis­dis­kri­mi­nie­rung wer­den künf­tig auch für «re­la­tiv markt­mäch­ti­ge» Un­ter­neh­men gel­ten. Dies ist dann der Fall, wenn der Ge­schäfts­part­ner eines Un­ter­neh­mens als An­bie­ter oder als Kunde von ihm ab­hän­gig ist. Dies muss grund­sätz­lich im Ein­zel­fall be­ur­teilt wer­den. Die neuen In­stru­men­te schaf­fen damit Rechts­un­si­cher­heit für die hie­si­gen Un­ter­neh­men.

Zu be­grüs­sen ist im­mer­hin, dass das Par­la­ment auf die Ein­füh­rung einer pro­ble­ma­ti­schen Re­import­klau­sel ver­zich­tet hat. Schliess­lich ist im Auge zu be­hal­ten, dass die wah­ren Grün­de für die hohen Prei­se in un­se­rem Land mit den neuen In­stru­men­ten nicht an­ge­gan­gen wer­den. Der an­stren­gen­de, aber wich­ti­ge Kampf gegen nicht ta­ri­fä­re Han­dels­hemm­nis­se und preis­trei­ben­de Re­gu­lie­run­gen all­ge­mein muss ent­spre­chend un­ver­min­dert wei­ter­ge­hen.

AU­TO­NO­MIE DER ETH-IN­STI­TU­TIO­NEN MUSS GE­WAHRT BLEI­BEN

Die mit die­ser Vor­la­ge be­an­trag­ten Neu­re­ge­lun­gen im ETH-Ge­setz vom 4. Ok­to­ber 1991 be­tref­fen ins­be­son­de­re die Um­set­zung von Emp­feh­lun­gen der Eid­ge­nös­si­schen Fi­nanz­kon­trol­le (EFK) zu den ge­ne­rel­len Auf­sichts­kom­pe­ten­zen des ETH-Rates und von zwei Cor­po­ra­te-Go­ver­nan­ce-Leit­sät­zen (Ein­schrän­kung des Stimm­rechts und Aus­stand für in­sti­tu­tio­nel­le Mit­glie­der des ETH-Rates). Wei­te­re An­pas­sun­gen sehen di­ver­se per­so­nal­po­li­ti­sche Än­de­run­gen (na­ment­lich für eine An­stel­lung nach dem or­dent­li­chen Al­ters­rück­tritt und für die Ver­län­ge­rung be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trä­ge) und die Schaf­fung ge­setz­li­cher Grund­la­gen für den Ver­kauf von zum Ei­gen­ge­brauch er­zeug­ter oder ge­kauf­ter über­schüs­si­ger En­er­gie, für Dis­zi­pli­nar­mass­nah­men sowie für Si­cher­heits­diens­te und Vi­deo­über­wa­chung vor.

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

Um eine grösst­mög­li­che Au­to­no­mie der ETH-In­sti­tu­tio­nen bei­zu­be­hal­ten, emp­fiehlt eco­no­mie­su­is­se, die Vor­la­ge bei den noch ver­blei­ben­den Dif­fe­ren­zen an­zu­neh­men:

  • Der Stän­de­rat hat in der Win­ter­ses­si­on 2020 einen Ver­mitt­lungs­vor­schlag zum Be­schwer­de­recht ge­macht. Für die Wirt­schaft ist dies ein guter Kom­pro­miss. Es gilt, nun die Re­vi­si­on des ETH-Ge­set­zes ab­zu­schlies­sen, so dass der ETH-Rat und die ein­zel­nen In­sti­tu­tio­nen Rechts­si­cher­heit haben. Die Wirt­schaft emp­fiehlt folg­lich dem Kom­pro­miss zu­zu­stim­men (Min­der­heit bei Art. 37 Abs. 2bis). Das Be­schwer­de­recht der ETH-In­sti­tu­tio­nen ge­gen­über dem ETH-Rat soll grund­sätz­lich bei­be­hal­ten wer­den.
  • Der Bun­des­rat soll die Be­schwer­de­kom­mis­si­on wäh­len (Art. 37a).

Keine Auf­he­bung des Be­schwer­de­rechts

Die vor­ge­schla­ge­ne Ge­set­zes­re­vi­si­on woll­te ur­sprüng­lich an zwei Stel­len das Zu­sam­men­spiel zwi­schen ETH-Rat und den ein­zel­nen In­sti­tu­tio­nen des ETH-Be­reichs we­sent­lich än­dern: Ers­tens soll­te der ETH-Rat eine Wei­sungs­kom­pe­tenz er­hal­ten und hätte somit in un­zu­läs­si­ger Weise in die Au­to­no­mie der In­sti­tu­tio­nen ein­grei­fen kön­nen. Zwei­tens soll­te das Be­schwer­de­recht der ein­zel­nen In­sti­tu­tio­nen ein­ge­schränkt wer­den. Damit wären diese den Wei­sun­gen des ETH-Rates aus­ge­lie­fert, selbst dann, wenn diese nicht dem ETH Ge­setz ent­spre­chen wür­den.

In der Dif­fe­renz­ber­ei­ni­gung hat der Stän­de­rat einen Ver­mitt­lungs­vor­schlag ge­macht, der in ei­ni­gen Be­rei­chen eine Be­schwer­de­mög­lich­keit vor­sieht, in an­de­ren, etwa im Per­so­nal­be­reich, hin­ge­gen nicht. Aus Sicht der Wirt­schaft könn­te es durch­aus sinn­voll sein, dass sich der ETH-Rat und die In­sti­tu­tio­nen im Be­reich Mit­tel­zu­tei­lung und Per­so­nal ei­ni­gen und kei­nen lang­wie­ri­gen Be­schwer­de­pro­zess los­lö­sen. In allen an­de­ren Be­rei­chen ist die Bei­be­hal­tung des Be­schwer­de­rechts bei wich­ti­gen Ent­schei­den des ETH-Rates zwin­gend: Würde der ETH-Rat Ent­schei­de fäl­len, die in die Au­to­no­mie der In­sti­tu­tio­nen in un­zu­läs­si­gem Masse ein­grei­fen, könn­te da­ge­gen kein or­dent­li­ches Rechts­mit­tel er­grif­fen wer­den. Es blie­be nur die Mög­lich­keit, dass die In­sti­tu­tio­nen eine Auf­sichts­be­schwer­de gegen den ETH-Rat beim Bun­des­rat ein­reich­ten. Das würde zu einem po­li­ti­schen Kräf­te­mes­sen füh­ren, wel­ches nicht im In­ter­es­se der ETH-In­sti­tu­tio­nen sein kann. Denn Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten po­li­tisch aus­zu­fech­ten, würde der Re­pu­ta­ti­on des ge­sam­ten ETH-Be­reichs gros­sen Scha­den zu­fü­gen. Für die Wirt­schaft ist der Ver­mitt­lungs­vor­schlag des Stän­de­rats ein guter Kom­pro­miss.

Wahl der Be­schwer­de­kom­mis­si­on durch den Bun­des­rat sinn­voll

Bei der Wahl der Be­schwer­de­kom­mis­si­on emp­fiehlt eco­no­mie­su­is­se, dass künf­tig der Bun­des­rat die Mit­glie­der der Be­schwer­de­kom­mis­si­on wählt und auch deren Ge­schäfts­ord­nung er­lässt, an­statt wie bis­her der ETH-Rat. Auf­grund von Go­ver­nan­ce-Über­le­gun­gen kann dies durch­aus sinn­voll sein. In die­sem Punkt soll­te sich der Na­tio­nal­rat dem Stän­de­rat an­schlies­sen.

Stand der Be­ra­tun­gen

Die Vor­la­ge be­fand sich in der Früh­jahrs­ses­si­on 2021 in der zwei­ten Runde der Dif­fe­renz­ber­ei­ni­gung. Die Be­ra­tung war in bei­den Kam­mern trak­tan­diert – zu­erst im Na­tio­nal­rat.

Be­ur­tei­lung der Be­ra­tun­gen

eco­no­mie­su­is­se be­grüsst den kla­ren Ent­scheid des Par­la­ments, das Be­schwer­de­recht der ETH-In­sti­tu­tio­nen ge­gen­über dem ETH-Rat grund­sätz­lich bei­zu­be­hal­ten. Ein­zig bei Per­so­nal­ent­schei­den und Mit­tel­zu­wei­sun­gen soll nach dem Wil­len des Par­la­ments künf­tig keine Be­schwer­de mehr mög­lich sein. Der vor­lie­gen­de Kom­pro­miss ist für die Wirt­schaft ein gang­ba­rer Weg. Er ga­ran­tiert die Au­to­no­mie der ETH-In­sti­tu­tio­nen und ver­schafft ihnen die nö­ti­ge Rechts­si­cher­heit. Eine grösst­mög­li­che Un­ab­hän­gig­keit der ETH-In­sti­tu­tio­nen ist für den Wirt­schafts­stand­ort Schweiz zen­tral. Nur so kön­nen die hohe Re­pu­ta­ti­on und Qua­li­tät der eid­ge­nös­sisch-tech­ni­schen Hoch­schu­len bei­be­hal­ten wer­den. Davon pro­fi­tie­ren alle.

AUS- UND WEI­TER­BIL­DUNG VON PFLE­GE­FACH­PER­SO­NEN SOLL EINE KAN­TO­NA­LE AUF­GA­BE BLEI­BEN

Bei die­ser Vor­la­ge (19.401) han­delt es sich um einen in­di­rek­ten Ge­gen­vor­schlag der Kom­mis­si­on für so­zia­le Si­cher­heit und Ge­sund­heit des Na­tio­nal­rats (SGK-NR) zur Volks­in­itia­ti­ve «Für eine star­ke Pfle­ge» (Pfle­ge­initia­ti­ve, 18.079). Mit­hil­fe des Ge­gen­vor­schlags soll dank einer durch den Bund mit­fi­nan­zier­ten Aus­bil­dungs­of­fen­si­ve der Man­gel an Pfle­ge­fach­per­so­nen ge­mil­dert und der Pfle­ge­be­ruf dank zu­sätz­li­cher Kom­pe­ten­zen at­trak­ti­ver ge­stal­tet wer­den.

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

eco­no­mie­su­is­se lehnt so­wohl die Volks­in­itia­ti­ve wie auch den Ge­gen­vor­schlag ab. Die Wirt­schaft un­ter­stützt zwar grund­sätz­lich das im Ge­gen­vor­schlag und in der In­itia­ti­ve ar­ti­ku­lier­te An­lie­gen, ge­nü­gend Pfle­ge­fach­per­so­nal si­cher­zu­stel­len und die­ses kom­pe­tenz­ge­recht ein­set­zen zu kön­nen. Beide Vor­la­gen ver­feh­len je­doch die ei­ge­nen Ziele und un­ter­gra­ben unter an­de­rem das be­währ­te Sub­si­dia­ri­täts­prin­zip un­se­rer Staats­ord­nung und damit die fi­nan­zi­el­le Go­ver­nan­ce.

Auf­ga­ben von Bund und Kan­to­nen ge­hö­ren ent­floch­ten und nicht wei­ter­ver­floch­ten

Mit dem in­di­rek­ten Ge­gen­vor­schlag wür­den die Auf­ga­ben von Bund und Kan­to­nen zu­sätz­lich ver­floch­ten («ge­mein­sa­me Zu­stän­dig­keit»). Die Auf­ga­ben­tei­lung war je­doch ein zen­tra­ler Pfei­ler der gros­sen Fö­de­ra­lis­mus­re­form zur Neu­ge­stal­tung des Fi­nanz­aus­gleichs und der Auf­ga­ben­tei­lung zwi­schen Bund und Kan­to­nen 2008 (NFA). Eine grös­se­re Zahl von Auf­ga­ben mit ge­mein­sa­mer Zu­stän­dig­keit von Bund und Kan­to­nen («Ver­bund­auf­ga­ben») wurde da­mals er­folg­reich ent­floch­ten und dabei ent­we­der der Ver­ant­wor­tung von Bund oder von den Kan­to­nen über­tra­gen.

Zahl­rei­che Ver­bund­auf­ga­ben blie­ben je­doch be­ste­hen. Diese Ent­wick­lun­gen ste­hen im Wi­der­spruch zu den zen­tra­len Grund­sät­zen des Schwei­zer Fö­de­ra­lis­mus. «Sub­si­dia­ri­tät», das heisst grösst­mög­li­che Bür­ger­nä­he, und der «fis­ka­li­schen Äqui­va­lenz», das heisst, «wer zahlt, be­fiehlt». Diese Grund­sät­ze sind in der Bun­des­ver­fas­sung ver­an­kert und sol­len auch so ge­lebt wer­den. Die Wirt­schaft un­ter­stützt des­halb seit Jah­ren eine Neu­über­prü­fung sowie die Fort­set­zung der Auf­ga­ben­tei­lung. So­wohl die Volks­in­itia­ti­ve wie auch der vor­lie­gen­de in­di­rek­te Ge­gen­vor­schlag wi­der­spre­chen die­sen Be­stre­bun­gen dia­me­tral und soll­ten des­halb ab­ge­lehnt wer­den.

Stand der Be­ra­tun­gen

In der Früh­jahrs­ses­si­on 2021 berät der Na­tio­nal­rat den in­di­rek­ten Ge­gen­vor­schlag in der zwei­ten Runde des Dif­fe­renz­ber­ei­ni­gungs­ver­fah­rens. Die SGK-NR emp­fiehlt ihrem Rat bei den noch offen Punk­ten, an des­sen Be­schlüs­sen fest­zu­hal­ten.

Die Volks­in­itia­ti­ve (18.079) wird von Bun­des­rat und Na­tio­nal­rat ab­ge­lehnt. Der Stän­de­rat hat sich dazu noch nicht ge­äus­sert.

Be­ur­tei­lung der Be­ra­tun­gen

Das Par­la­ment hat einen in­di­rek­ten Ge­gen­vor­schlag zur so­ge­nann­ten Pfle­ge­initia­ti­ve be­schlos­sen. eco­no­mie­su­is­se be­dau­ert die­sen Ent­scheid. Es ist zwar be­grüs­sens­wert, dass die Leis­tungs­er­brin­ger (Spitex­or­ga­ni­sa­tio­nen, Pfle­ge­hei­me, Pfle­ge­fach­per­so­nen) be­stimm­te Leis­tun­gen ohne ärzt­li­che An­ord­nung er­brin­gen kön­nen. Damit wird die Kom­pe­tenz von Pfle­ge­fach­per­so­nen und die At­trak­ti­vi­tät der Pfle­ge­be­ru­fe er­höht. An­de­rer­seits dro­hen mas­si­ve Mehr­kos­ten, wenn mehr Leis­tungs­er­brin­ger ab­rech­nen kön­nen. Um dem ent­ge­gen­zu­wir­ken, sol­len die Ver­bän­de der Leis­tungs­er­brin­ger und Ver­si­che­rer künf­tig ge­samt­schwei­ze­ri­sche Ver­trä­ge ab­schlies­sen, mit wel­chen die men­gen­mäs­si­ge Ent­wick­lung der Pfle­ge­leis­tun­gen ohne ärzt­li­che An­ord­nung über­wacht wer­den kann. Bes­ser wäre es, wenn Ver­si­che­rer und Leis­tungs­er­brin­ger di­rekt Leis­tungs­ver­trä­ge ab­schlies­sen könn­ten.

In der Summe füh­ren In­itia­ti­ve und Ge­gen­vor­schlag zu mas­si­ven Mehr­kos­ten – ins­be­son­de­re für die Kan­to­ne, denen das Par­la­ment Mehr­kos­ten von 469 Mil­lio­nen Fran­ken für die Le­bens­hal­tungs­kos­ten von an­ge­hen­dem Pfle­ge­fach­per­so­nal auf­ge­bür­det hat. Das Par­la­ment hat eine zu­sätz­li­che Ver­bund­auf­ga­be ge­schaf­fen, wel­che die Ver­ant­wort­lich­kei­ten ver­mischt und unser fö­de­ra­les Sys­tem schwächt.

Na­tio­nal­rat

GELD­WÄ­SCHE­REI-AB­WEHR­DIS­PO­SI­TIV DER SCHWEIZ STÄR­KEN

Die Fi­nan­ci­al Ac­tion Task Force (FATF; franz. Grou­pe d’ac­tion fi­nan­cière, GAFI) hat Emp­feh­lun­gen aus­ge­ar­bei­tet, die den in­ter­na­tio­na­len Stan­dard zur Be­kämp­fung der Geld­wä­sche­rei, der Ter­ro­ris­mus- und der Pro­li­fe­ra­ti­ons­fi­nan­zie­rung bil­den. Im Rah­men von ge­gen­sei­ti­gen Län­der­prü­fun­gen prüft sie re­gel­mäs­sig, ob die na­tio­na­le Ge­setz­ge­bung ihrer Mit­glied­staa­ten ihren Emp­feh­lun­gen ent­spricht. Ziel die­ser Vor­la­ge ist es, ei­ni­ge der wich­tigs­ten Emp­feh­lun­gen aus dem Län­der­be­richt um­zu­set­zen.

Die FATF an­er­kennt die ins­ge­samt gute Qua­li­tät des schwei­ze­ri­schen Dis­po­si­tivs zur Be­kämp­fung der Geld­wä­sche­rei und der Ter­ro­ris­mus­fi­nan­zie­rung. In ge­wis­sen Be­rei­chen hat sie je­doch auch Schwach­stel­len iden­ti­fi­ziert und ent­spre­chen­de Emp­feh­lun­gen ab­ge­ge­ben. Der Schweiz wur­den auf­grund der ge­trof­fe­nen Mass­nah­men gute Fort­schrit­te be­schei­nigt, ins­be­son­de­re unter Ein­be­zug der vor­lie­gen­den Re­vi­si­on des Geld­wä­sche­r­ei­ge­set­zes.

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

eco­no­mie­su­is­se un­ter­stützt eine An­pas­sung des Geld­wä­sche­r­ei­ge­set­zes (GwG) an die FATF-Stan­dards. Mit den vor­ge­schla­ge­nen Neue­run­gen wird das be­reits gute Geld­wä­sche­rei-Ab­wehr­dis­po­si­tiv der Schweiz wei­ter ge­stärkt. Sie be­deu­ten einen wei­te­ren wich­ti­gen Schritt zur in­ter­na­tio­na­len Ab­stim­mung.

Prä­zi­sie­rung zum «be­grün­de­ten Ver­dacht»

eco­no­mie­su­is­se be­grüsst, dass die Schweiz am be­währ­ten Sys­tem von «Mel­de­pflicht und Mel­de­recht» fest­hält. Im Hin­blick auf eine er­neu­te Prü­fung durch die FATF soll­ten noch ge­wis­se Punk­te an­ge­passt wer­den. Kon­kret muss prä­zi­siert wer­den, was unter einem «be­grün­de­ten Ver­dacht» ver­stan­den wird und wann die so­ge­nann­te Mel­de­pflicht aus­ge­löst wird. Mit der deut­li­che­ren Ab­gren­zung zwi­schen Mel­de­pflicht und Mel­de­recht würde auch die von der Bran­che stark kri­ti­sier­te «sim­ple doute»-Bun­des­ge­richts­pra­xis kla­rer. Ge­ra­de weil so­wohl zu Un­recht er­folg­te wie auch zu Un­recht nicht er­folg­te Geld­wä­sche­rei­mel­dun­gen für die mel­den­den re­spek­ti­ve zu­stän­di­gen Mit­ar­bei­ten­den eines Fi­nanz­in­ter­me­di­ärs gra­vie­ren­de Aus­wir­kun­gen haben kön­nen (bei­spiels­wei­se 500'000 Fran­ken Busse oder Ar­beits­lo­sig­keit), ist eine Prä­zi­sie­rung, wann ein be­grün­de­ter Ver­dacht vor­liegt, un­ab­ding­bar, und zwar im Ge­setz selbst (nicht nur in der Geld­wä­sche­rei­ver­ord­nung, wie heute vor­ge­se­hen). Das Mel­de­recht soll­te eben­falls im Ge­setz ge­re­gelt und von der Mel­de­pflicht ab­ge­grenzt wer­den.

In­ter­na­tio­na­le Ent­wick­lun­gen be­rück­sich­ti­gen

Zu­gleich ist zen­tral, dass die Mel­de­schwel­le nicht zu hoch an­ge­setzt wird, damit die Schweiz im in­ter­na­tio­na­len Kon­text die rich­ti­gen Zei­chen setzt und die De­fi­ni­ti­on den Be­mü­hun­gen, Geld­wä­sche­rei­mel­dun­gen zu er­fas­sen, nicht zu­wi­der­läuft. Die vom Stän­de­rat ge­wähl­te For­mu­lie­rung birgt ein Ri­si­ko, dass die Schweiz in der nächs­ten Län­der­prü­fung der FATF eine un­ge­nü­gen­de Note er­hält. Dies hatte der Stän­de­rat in der De­bat­te im Herbst 2020 selbst er­kannt und dem Na­tio­nal­rat das «Fin­den einer bes­se­ren For­mu­lie­rung» na­he­ge­legt.

Stand der Be­ra­tun­gen

Die Vor­la­ge wurde in der Früh­jahrs­ses­si­on 2021 vom Na­tio­nal­rat be­ra­ten.

Be­ur­tei­lung der Be­ra­tun­gen

Das Par­la­ment hat in die­ser Ses­si­on die letz­ten Dif­fe­ren­zen zur Re­vi­si­on des Geld­wä­sche­r­ei­ge­set­zes (GwG) be­rei­nigt. Ins­be­son­de­re wurde noch­mals über die Mel­de­schwel­le bei Ver­dachts­fäl­len de­bat­tiert. In der Schluss­ab­stim­mung hat das Par­la­ment die Vor­la­ge an­ge­nom­men. Mit der nun ge­fun­de­nen For­mu­lie­rung wird die gel­ten­de Rechts­pra­xis in Über­ein­stim­mung mit in­ter­na­tio­na­len Stan­dards ge­setz­lich ver­an­kert. Die Re­vi­si­on stärkt das be­reits gute Ab­wehr­dis­po­si­tiv der Schweiz gegen Geld­wä­sche­rei und damit den Wirt­schafts­stand­ort Schweiz. Lesen Sie hier die aus­führ­li­che Be­ur­tei­lung von eco­no­mie­su­is­se.

FOR­SCHUNGS-VER­BOTS-IN­ITIA­TI­VE GE­FÄHR­DET DEN FOR­SCHUNGS­STAND­ORT SCHWEIZ UND DIE GE­SUND­HEIT DER BE­VÖL­KE­RUNG

Die Volks­in­itia­ti­ve «Ja zum Tier- und Men­schen­ver­suchs­ver­bot – Ja zu For­schungs­we­gen mit Im­pul­sen für Si­cher­heit und Fort­schritt» for­dert ein voll­um­fäng­li­ches Ver­bot von Tier­ver­su­chen und von For­schung am Men­schen. Die Durch­füh­rung von Tier­ver­su­chen soll als Tier­quä­le­rei ein­ge­stuft und daher be­straft wer­den. Zudem sol­len die Ein­fuhr und der Han­del für sämt­li­che Pro­duk­te (unter an­de­rem me­di­zi­ni­sche Güter wie Impf­stof­fe), die unter An­wen­dung von Tier­ver­su­chen ent­wi­ckelt wur­den, ver­bo­ten wer­den.

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

eco­no­mie­su­is­se lehnt die Volks­in­itia­ti­ve aus nach­ste­hen­den Grün­den de­zi­diert ab. Die Wirt­schaft wehrt sich auch gegen einen Ge­gen­vor­schlag.

Schwä­chung des For­schungs­stand­orts Schweiz

Die At­trak­ti­vi­tät und Stär­ke des For­schungs­stand­orts zählt zu den zen­tra­len Er­folgs­fak­to­ren der Schweiz. Drei Vier­tel der For­schungs­aus­ga­ben wer­den hier­zu­lan­de von Pri­va­ten ge­tä­tigt. Hier­bei spielt die che­misch-phar­ma­zeu­ti­sche In­dus­trie eine be­son­de­re Rolle. Sie ist zudem ein wich­ti­ger Eck­pfei­ler der Schwei­zer Wirt­schaft und war in den letz­ten Jah­ren stets der Wachs­tums- und Ex­port­mo­tor schlecht­hin. Die In­itia­ti­ve würde die Un­ter­neh­men die­ser wich­ti­gen Bran­che dazu zwin­gen, einen Teil ihrer Ak­ti­vi­tä­ten ins Aus­land zu ver­la­gern. Dies ginge kon­se­quen­ter­wei­se mit Ar­beits­platz­ver­lus­ten ein­her. Die ri­go­ro­sen Ein­schrän­kun­gen wür­den auch die At­trak­ti­vi­tät der Schwei­zer Hoch­schu­len deut­lich sen­ken, was bis hin zur Schlies­sung ge­wis­ser For­schungs­in­sti­tu­tio­nen füh­ren könn­te.

Nicht ver­ein­bar mit in­ter­na­tio­na­len Ver­pflich­tun­gen

Ge­mäss Bun­des­rat ist das in der In­itia­ti­ve vor­ge­se­he­ne Ein­fuhr- und Han­dels­ver­bot nicht mit in­ter­na­tio­na­len Ver­pflich­tun­gen der Schweiz ver­ein­bar. Eine der­ar­ti­ge Ein­schrän­kung wi­der­sprä­che so­wohl der na­tio­na­len als auch der in­ter­na­tio­na­len Han­dels­po­li­tik. Die Schweiz würde so ihre Ver­pflich­tun­gen ge­gen­über WTO, EU und an­de­ren Han­dels­part­nern ver­let­zen. Han­dels­strei­tig­kei­ten und Re­tor­si­ons­mass­nah­men könn­ten die Folge sein. Schwei­zer Be­am­te müss­ten zudem über­prü­fen kön­nen, unter wel­chen Be­din­gun­gen für den Im­port in die Schweiz be­stimm­te Pro­duk­te her­ge­stellt wur­den, was zu einem un­ver­hält­nis­mäs­si­gen Auf­wand füh­ren würde.

Ver­sor­gung der Schwei­zer Be­völ­ke­rung mit Me­di­ka­men­ten ge­fähr­det

Nicht zu­letzt hätte die In­itia­ti­ve gra­vie­ren­de Aus­wir­kun­gen auf das Ge­sund­heits­we­sen in der Schweiz. Da Pro­duk­te, die unter An­wen­dung von Tier­ver­su­chen und kli­ni­schen Stu­di­en ent­wi­ckelt wor­den sind, weder her­ge­stellt noch im­por­tiert wer­den dürf­ten, wäre die Ver­sor­gung der Be­völ­ke­rung mit Me­di­ka­men­ten, Impf­stof­fen und an­de­ren Me­di­zin­pro­duk­ten nicht si­cher­ge­stellt. Ins­be­son­de­re hätte die Schwei­zer Be­völ­ke­rung kei­nen Zu­gang zu den neu­es­ten Me­di­ka­men­ten und Be­hand­lungs­me­tho­den, falls bei deren Ent­wick­lung Tier­ver­su­che durch­ge­führt wor­den sind.

Ge­gen­vor­schlag ist kein gang­ba­rer Weg

Aus wis­sen­schaft­li­cher Sicht gibt es für viele Tier­ver­su­che noch keine Al­ter­na­ti­ve. In­so­fern ist es der fal­sche Zeit­punkt, einen von der Min­der­heit der WBK-NR ge­for­der­ten Aus­stiegs­plan fest­zu­le­gen und so die Zu­kunft der For­schung in der Schweiz in le­bens­wich­ti­gen Be­rei­chen zu ge­fähr­den. Zu­sätz­li­che Kri­te­ri­en und Ver­bo­te bei Tier­ver­su­chen, wie sie die Min­der­hei­ten vor­se­hen, wür­den zudem die wei­te­ren For­schungs­ar­bei­ten, zum Bei­spiel ak­tu­ell im Zu­sam­men­hang mit einer Pan­de­mie­be­kämp­fung, er­heb­lich er­schwe­ren. Der Na­tio­nal­rat hat sich erst kürz­lich sehr deut­lich gegen sol­che zu­sätz­li­chen Ver­bo­te aus­ge­spro­chen (Ab­leh­nung der Pa. Iv. 18.491). Es gibt ins­be­son­de­re in der ak­tu­el­len Si­tua­ti­on kei­nen Grund, die­sen kla­ren Ent­scheid des Na­tio­nal­rats zu än­dern.

Stand der Be­ra­tun­gen

Die Vor­la­ge wurde in der Früh­jahrs­ses­si­on 2021 vom Na­tio­nal­rat als Er­strat be­han­delt. Die vor­be­ra­ten­de Kom­mis­si­on (WBK-NR) hat die In­itia­ti­ve ein­stim­mig ver­wor­fen. Eine Min­der­heit woll­te der Vor­la­ge einen di­rek­ten bzw. einen in­di­rek­ten Ge­gen­vor­schlag ge­gen­über­stel­len.

Der Bun­des­rat emp­fiehlt die Volks­in­itia­ti­ve Volk und Stän­den zur Ab­leh­nung.

Be­ur­tei­lung der Be­ra­tun­gen

Die Schwei­zer Wohn­be­völ­ke­rung soll wei­ter­hin Zu­gang zu den mo­derns­ten Me­di­ka­men­ten, Impf­stof­fen und Be­hand­lungs­me­tho­den haben. Nach dem Bun­des­rat emp­fiehlt auch der Na­tio­nal­rat der Stimm­be­völ­ke­rung die ra­di­ka­le Volks­in­itia­ti­ve ohne Ge­gen­vor­schlag zur Ab­leh­nung. eco­no­mie­su­is­se ist er­freut über das klare Votum der Gros­sen Kam­mer; die Volks­in­itia­ti­ve wird von allen Frak­tio­nen ab­ge­lehnt. Ge­ra­de vor dem Hin­ter­grund der Co­ro­na-Pan­de­mie ist dies auch nicht wei­ter er­staun­lich, käme doch eine An­nah­me der In­itia­ti­ve einem fak­ti­schen For­schungs­ver­bot gleich – mit ne­ga­ti­ven Fol­gen für den For­schungs­stand­ort Schweiz und die Ge­sund­heits­ver­sor­gung der Schwei­zer Wohn­be­völ­ke­rung.

RA­DI­KA­LES WER­BE­VER­BOT FÜR TA­BAK­PRO­DUK­TE STEHT IM WI­DER­SPRUCH ZU VER­FAS­SUNGS­MÄS­SI­GEN RECH­TEN

Die Volks­in­itia­ti­ve for­dert ein Ver­bot jeder Art von Wer­bung und Spon­so­ring für Ta­bak­pro­duk­te, die Kin­der und Ju­gend­li­che er­reicht. Ge­mäss In­iti­an­ten ist der In­itia­tiv­text breit aus­zu­le­gen. So soll das Wer­be­ver­bot auch für Al­ter­na­tiv­pro­duk­te wie zum Bei­spiel elek­tro­ni­sche Zi­ga­ret­ten gel­ten. Ein­zig Wer­bung, die sich aus­schliess­lich an Er­wach­se­ne rich­tet und keine Min­der­jäh­ri­gen er­reicht, wäre wei­ter­hin zu­läs­sig.

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

eco­no­mie­su­is­se lehnt die In­itia­ti­ve ab. Bei einer An­nah­me könn­ten in der Schweiz legal er­hält­li­che Pro­duk­te nicht mehr be­wor­ben wer­den. Selbst im Kiosk wäre Wer­bung de facto ver­bo­ten. Dies stellt einen mas­si­ven Ein­griff in die Wirt­schafts­frei­heit (Art. 27 BV) dar. Die ge­for­der­ten Ein­schrän­kun­gen, wel­che ein kom­plet­tes Wer­be­ver­bot für Tabak- und Al­ter­na­tiv­pro­duk­te be­deu­ten, sind über­schies­send, un­ver­hält­nis­mäs­sig und klar ab­zu­leh­nen. Sol­che to­ta­len, un­dif­fe­ren­zier­ten Wer­be­ver­bo­te sind ra­di­ka­le In­ter­ven­tio­nen und Ein­schrän­kun­gen von eta­blier­ten Ver­fas­sungs­rech­ten, die sich nicht recht­fer­ti­gen las­sen. Der be­rech­tig­te und wich­ti­ge Ju­gend­schutz darf nicht als Vor­wand be­nutzt wer­den, um um­fas­sen­de Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Wer­be­ver­bo­te ein­zu­füh­ren. Zudem wirkt ein Wer­be­ver­bot in der Wirt­schaft wie ein In­no­va­ti­ons­ver­bot. Schliess­lich würde ein fak­ti­sches Wer­be­ver­bot auch ein ge­fähr­li­ches Prä­ju­diz für an­de­re Pro­duk­te dar­stel­len, wie bei­spiels­wei­se Al­ko­hol oder fett- und zu­cker­hal­ti­ge Nah­rungs­mit­tel.

Dar­über hin­aus be­steht ein enger Kon­nex zu den ak­tu­el­len Be­ra­tun­gen zum Ta­bak­pro­duk­te­ge­setz. Der Na­tio­nal­rat hat sich im De­zem­ber 2020 bei den Wer­be­be­schrän­kun­gen für einen har­ten, ver­gli­chen zur Fas­sung des Stän­de­rats vom Sep­tem­ber 2019 aber aus­ge­gli­che­ne­ren Weg ent­schie­den. eco­no­mie­su­is­se sieht darin einen wich­ti­gen Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung. Die Fas­sung des Stän­de­rats und die vor­lie­gen­de In­itia­ti­ve zie­len beide auf ein to­ta­les und un­dif­fe­ren­zier­tes Wer­be­ver­bot ab und gehen des­halb klar zu weit.

Stand der Be­ra­tun­gen

In der Früh­jahrs­ses­si­on 2021 be­riet der Na­tio­nal­rat die Vor­la­ge als Er­strat. Des­sen vor­be­ra­ten­de Kom­mis­si­on (SGK-NR) emp­fahl– wie schon der Bun­des­rat – die Vor­la­ge Volk und Stän­den zur Ab­leh­nung zu emp­feh­len.

Be­ur­tei­lung der Be­ra­tun­gen

Der Na­tio­nal­rat ist dem Bun­des­rat ge­folgt und emp­fiehlt der Stimm­be­völ­ke­rung die Volks­in­itia­ti­ve ohne Ge­gen­vor­schlag zur Ab­leh­nung. Ein der­art ra­di­ka­les und un­dif­fe­ren­zier­tes Wer­be­ver­bot ging der Gros­sen Kam­mer zu weit. eco­no­mie­su­is­se schliesst sich die­ser Emp­feh­lung an. Eine An­nah­me der Volks­in­itia­ti­ve würde einen schwer­wie­gen­den Ein­griff in die ver­fas­sungs­mäs­sig ga­ran­tier­te Wirt­schafts­frei­heit dar­stel­len und – wie tref­fen­der­wei­se von meh­re­ren Na­tio­nal­rä­ten und Na­tio­nal­rä­tin­nen er­wähnt – ein ge­fähr­li­ches Prä­ju­diz für an­de­re Pro­duk­te wie fett- und zu­cker­hal­ti­ge Le­bens­mit­tel, Al­ko­hol oder Fleisch schaf­fen. Für po­ten­zi­ell we­ni­ger schäd­li­che Al­ter­na­tiv­pro­duk­te wie Ta­bak­pro­duk­te zum Er­hit­zen und E-Zi­ga­ret­ten käme ein to­ta­les Wer­be­ver­bot zudem einem In­no­va­ti­ons­ver­bot gleich. Dies wie­der­um würde eine wirk­sa­me Ri­si­kom­in­de­rungs­po­li­tik ver­un­mög­li­chen. Kin­der und Ju­gend­li­che vor Wer­bung für Ta­bak­pro­duk­te und E-Zi­ga­ret­ten zu schüt­zen ist rich­tig und wich­tig. Dies soll mit­tels ziel­ge­rich­te­ten und ver­hält­nis­mäs­si­gen Mass­nah­men im ak­tu­ell dis­ku­tier­ten Ta­bak­pro­duk­te­ge­setz si­cher­ge­stellt wer­den. Der vom Na­tio­nal­rat in der ver­gan­ge­nen Win­ter­ses­si­on ein­ge­schla­ge­ne Weg stellt dies­be­züg­lich einen ers­ten Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung dar.

MIT WICH­TI­GEN ÜBER­GANGS­BE­STIM­MUN­GEN DIE FI­NANZ­STA­BI­LI­TÄT ER­HAL­TEN

Too-big-to-fail-In­stru­men­te (TBTF) wie bei­spiels­wei­se Bail-in-Bonds sind für Ban­ken ein wich­ti­ges In­stru­ment, um die auf­sichts­recht­li­chen Ei­gen­mit­tel­vor­ga­ben zu er­fül­len. Die gel­ten­den Aus­nah­men bei der Ver­rech­nungs­steu­er (VSt) für Zin­sen aus TBTF-In­stru­men­ten lau­fen Ende 2021 aus. Der Bun­des­rat be­an­tragt im In­ter­es­se der Fi­nanz­sta­bi­li­tät, die Gel­tungs­dau­er der Aus­nah­me­be­stim­mun­gen um fünf Jahre, also bis Ende 2026, zu ver­län­gern. Da die Aus­nah­men be­reits im gel­ten­den Recht be­ste­hen, er­ge­ben sich da­durch keine zu­sätz­li­chen Aus­wir­kun­gen.

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

eco­no­mie­su­is­se un­ter­stützt eine Ver­län­ge­rung der be­ste­hen­den Aus­nah­me­be­stim­mung für die Zin­sen von TBTF-In­stru­men­ten bei der VSt und emp­fiehlt daher die An­nah­me der Vor­la­ge. Ohne diese Wei­ter­füh­rung wür­den be­trof­fe­ne TBTF-In­stru­men­te für aus­län­di­sche In­ves­to­ren un­at­trak­tiv, der Ei­gen­ka­pi­tal­auf­bau für sys­tem­re­le­van­te Ban­ken würde er­schwert und folg­lich die Kri­sen­re­sis­tenz des Fi­nanz­plat­zes Schweiz ver­rin­gert.

Grund­le­gen­der Re­form­be­darf bei der Ver­rech­nungs­steu­er

In­ter­na­tio­na­le In­ves­to­ren kön­nen die VSt auf schwei­ze­ri­schen An­lei­hen in der Pra­xis re­gel­mäs­sig nicht oder nur sehr schwer zu­rück­for­dern. Selbst wenn sie auf­grund eines Dop­pel­be­steue­rungs­ab­kom­mens dazu be­rech­tigt sind, ist der ad­mi­nis­tra­ti­ve Auf­wand bzw. die zeit­li­che Ver­zö­ge­rung zu gross. Die Not­wen­dig­keit die­ser Vor­la­ge be­legt die un­zeit­ge­mäs­sen ver­rech­nungs­steu­er­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen für den Schwei­zer Fi­nanz- wie auch den Werk­platz und damit den grund­le­gen­den Re­form­be­darf bei der VSt. Wenn die Wirt­schaft auch die er­neu­te Ver­län­ge­rung der Aus­nah­me­be­stim­mung un­ter­stützt, muss es den­noch das Ziel sein, das Pro­blem der VSt auf An­lei­hen grund­sätz­lich zu be­he­ben und glei­che Rah­men­be­din­gun­gen für alle Fi­nanz­markt­teil­neh­mer zu ge­währ­leis­ten.

In­ter­na­tio­na­le Ent­wick­lun­gen ma­chen Ver­rech­nungs­steu­er­re­form vor­dring­lich

Be­reits die ur­sprüng­li­che Aus­nah­me­re­ge­lung, die per 2013 in Kraft trat, wurde in Er­war­tung einer grund­le­gen­den VSt-Re­form auf vier Jahre be­fris­tet. Da die Re­vi­si­on in die­sem Zeit­rah­men nicht ge­glückt ist, muss­te die Aus­nah­me per 2017 für wei­te­re fünf Jahre ver­län­gert wer­den. Nun lässt die VSt-Re­form 2021 wei­ter­hin auf sich war­ten. Vor­ge­se­hen ist des­halb eine er­neu­te, fünf­jäh­ri­ge Ver­län­ge­rung der Aus­nah­me­be­stim­mung. Die Wirt­schaft ist auf eine Re­form deut­lich vor Ab­lauf der er­neu­ten Aus­nah­me­frist an­ge­wie­sen. Die ver­schärf­ten in­ter­na­tio­na­len An­for­de­run­gen im Nach­gang des OECD-BEPS-Pro­jekts (Base ero­si­on and pro­fit shif­ting) und die lau­fen­den OECD-/G-20-Steu­er­dis­kus­sio­nen in Sa­chen Di­gi­ta­li­sie­rung ma­chen die Um­set­zung der längst fäl­li­gen Ver­rech­nungs­steu­er­re­form jetzt vor­dring­lich.

Hin­der­nis­se für die Un­ter­neh­mens­fi­nan­zie­rung be­sei­ti­gen

Die Bot­schaft des Bun­des­rats für die Re­form der VSt ist für das 2. Quar­tal 2021 ver­spro­chen und die ent­spre­chen­den Eck­wer­te sind be­reits fest­ge­legt. Die Wirt­schaft un­ter­stützt den Bun­des­rat in die­sen Eck­wer­ten und wird dem Par­la­ment die Um­set­zung im Ge­setz emp­feh­len. Die Re­form darf nicht er­neut schei­tern, ins­be­son­de­re nicht zu einem Zeit­punkt, in dem die Schwei­zer Wirt­schaft mehr denn je auf gute Rah­men­be­din­gun­gen und ein för­der­li­ches Um­feld an­ge­wie­sen ist. Seit Jahr­zehn­ten be­ste­hen­de Hin­der­nis­se für die Un­ter­neh­mens­fi­nan­zie­rung und die Ent­wick­lung des schwei­ze­ri­schen Ka­pi­tal­mark­tes sind end­lich zu be­sei­ti­gen.

Stand der Be­ra­tun­gen

Der Na­tio­nal­rat be­han­del­te die Vor­la­ge in der Früh­jahrs­ses­si­on 2021 als Er­strat. Die WAK-NR emp­fahl ihrem Rat mit 22 zu 0 Stim­men bei 3 Ent­hal­tun­gen, der Vor­la­ge des Bun­des­rats zu­zu­stim­men.

Be­ur­tei­lung der Be­ra­tun­gen

Der Na­tio­nal­rat hat sich ohne Ge­gen­stim­men dafür aus­ge­spro­chen, Zin­sen auf TBTF-In­stru­men­te für wei­te­re fünf Jahre (bis 2026) von der Ver­rech­nungs­steu­er aus­zu­neh­men. eco­no­mie­su­is­se be­grüsst die­sen kla­ren Ent­scheid, trägt er doch zur Sta­bi­li­tät des Fi­nanz­plat­zes Schweiz bei. Die um­fas­sen­de Re­form der Ver­rech­nungs­steu­er bleibt den­noch vor­dring­lich und soll­te mög­lichst rasch in An­griff ge­nom­men wer­den.

Stän­de­rat

AHV21: UN­AUS­GE­WO­GE­NE SCHEIN­LÖ­SUNG KOR­RI­GIE­REN

Die AHV muss drin­gend re­for­miert wer­den. Seit 2014 sind die Ein­nah­men und Aus­ga­ben nicht mehr aus­ge­wo­gen. Die Si­tua­ti­on wird sich mit der Pen­sio­nie­rung der ge­bur­ten­star­ken Jahr­gän­ge ab dem Jahr 2020 wei­ter ver­schär­fen. In den bei­den letz­ten Jahr­zehn­ten sind alle Ver­su­che einer An­pas­sung der Al­ters­vor­sor­ge ge­schei­tert, da sie als un­aus­ge­wo­gen oder zu kom­plex gal­ten. Die Re­form AHV21 soll sich des­halb auf die we­sent­li­chen Ele­men­te zum Er­halt des Leis­tungs­ni­veaus und der Si­che­rung der Fi­nan­zie­rung be­schrän­ken.

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

Die vor­be­ra­ten­de Kom­mis­si­on für so­zia­le Si­cher­heit und Ge­sund­heit des Stän­de­rats (SGK-SR) hat die Dis­kus­si­on zur Re­form AHV21 ab­ge­schlos­sen. Lei­der hat es die Kom­mis­si­on ver­passt, den be­reits un­aus­ge­wo­ge­nen Ent­wurf des Bun­des­rats ins Gleich­ge­wicht zu brin­gen. Im Ge­gen­teil, mit der Er­hö­hung des Ehe­paar­pla­fonds und der Er­hö­hung der Zu­satz­fi­nan­zie­rung wurde eine un­aus­ge­wo­ge­ne Schein­lö­sung be­schlos­sen. An­ge­sichts der enor­men fi­nan­zi­el­len Her­aus­for­de­run­gen kommt für eco­no­mie­su­is­se nur eine Re­form in­fra­ge, die die AHV auch struk­tu­rell ent­las­tet, und zwar im Um­fang der Zu­satz­fi­nan­zie­rung.

Mehr fin­den Sie auch hier: AHV21 un­aus­ge­wo­ge­ne Schein­lö­sung.

Stand der Be­ra­tun­gen

Der Stän­de­rat be­riet die Re­form in der Früh­jahrses­si­on 2021 als Er­strat.

Be­ur­tei­lung der Be­ra­tun­gen

Der Stän­de­rat hat in der Früh­jahrs­ses­si­on die Wei­chen für eine aus­ge­wo­ge­ne und trag­fä­hi­ge AHV-Re­form ge­stellt. Die nun vor­lie­gen­de Fas­sung si­chert im­mer­hin das Leis­tungs­ni­veau der 1. Säule für die nä­he­re Zu­kunft. An­ge­sichts der de­mo­gra­fi­schen Ent­wick­lung drängt sich den­noch eine nach­hal­ti­ge Lö­sung zur Sta­bi­li­sie­rung der AHV auf; die Fi­nan­zie­rungs­lü­cke wird nicht klei­ner wer­den. eco­no­mie­su­is­se un­ter­stützt des­halb den Auf­trag des Stän­de­rats an den Bun­des­rat, bis Ende 2026 eine wei­te­re Re­form­vor­la­ge aus­zu­ar­bei­ten. Lesen Sie hier die aus­führ­li­che Be­ur­tei­lung von eco­no­mie­su­is­se. 

WAS CO­RO­NA BEI KMU NICHT AN SCHA­DEN AN­RICH­TET, RICH­TET DIE 99%-IN­ITIA­TI­VE AN

Die Volks­in­itia­ti­ve «Löhne ent­las­ten, Ka­pi­tal ge­recht be­steu­ern» (in­of­fi­zi­ell «99%-In­itia­ti­ve») will Ka­pi­tal­ein­kom­men (Zin­sen, Di­vi­den­den usw.) über einem noch zu be­stim­men­den Schwel­len­be­trag im Um­fang von 150 Pro­zent ver­steu­ern. Also um 50 Pro­zent höher als an­de­re Ein­kom­mens­ar­ten. Der so ge­ne­rier­te Mehr­er­trag soll für Um­ver­tei­lungs­mass­nah­men ein­ge­setzt wer­den.

Der In­itia­tiv­text lässt in Bezug auf die Um­set­zung viele Fra­gen offen: Was genau fällt unter den Be­griff Ka­pi­tal­ein­kom­men, ab wel­chem Be­trag kommt die hö­he­re Be­steue­rung zum Tra­gen und wie wer­den die Mehr­er­trä­ge um­ver­teilt?

Po­si­ti­on eco­no­mie­su­is­se

eco­no­mie­su­is­se lehnt die Volks­in­itia­ti­ve de­zi­diert ab.

An­griff auf die Sub­stanz kri­sen­be­trof­fe­ner KMU und Start-ups

Eine mas­siv er­höh­te Be­steue­rung von Ka­pi­tal­ein­kom­men, wie sie die Volks­in­itia­ti­ve ver­langt, würde bei be­reits von Co­ro­na-Mass­nah­men stark in Mit­lei­den­schaft ge­nom­me­nen KMU (z. B. in der Gas­tro- oder der ex­port­ori­en­tier­ten Ma­schi­nen-, Elek­tro- und Me­tall­in­dus­trie) zu einem er­heb­li­chen Mit­tel­ab­fluss füh­ren. So müss­ten sich die Un­ter­neh­mer deut­lich mehr Mit­tel aus­schüt­ten, um nach Abzug der neu deut­lich hö­he­ren Di­vi­den­den­steu­er die Ver­mö­gens­steu­er über­haupt be­glei­chen zu kön­nen.

Bei der Ge­ne­ra­tio­nen­über­ga­be wären diese oft als Fa­mi­li­en­ge­sell­schaf­ten ge­führ­ten Fir­men (im­mer­hin vier Fünf­tel aller Schwei­zer Un­ter­neh­men) von der In­itia­ti­ve exis­ten­zi­ell be­droht. So muss zur Al­ters­si­che­rung der Vor­gän­ger­ge­ne­ra­ti­on und Ab­gel­tung der Ge­schwis­ter bei Nach­fol­ge­lö­sun­gen in der Regel ein Ka­pi­tal­ge­winn rea­li­siert wer­den. Selbst in klei­ne­ren Ver­hält­nis­sen wird dabei ein Schwel­len­wert von 100'000 Fran­ken über­schrit­ten. Die neue 150-Pro­zent-Über­be­steue­rung würde einen hap­pi­gen Teil des Er­lö­ses weg­be­steu­ern. Soll die Al­ters­vor­sor­ge der Vor­gän­ger nicht ge­fähr­det wer­den, müs­sen die Nach­fol­ger die­sen Steu­er­be­trag be­rap­pen. Das ent­zieht dem Un­ter­neh­men wich­ti­ge Sub­stanz für Zu­kunfts­in­ves­ti­tio­nen und trifft die Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men in einer oh­ne­hin kri­ti­schen Phase mas­siv.

Auch Start-ups wären von der In­itia­ti­ve be­trof­fen. Jung­fir­men ver­fü­gen in aller Regel nicht über die Mit­tel, hohe Löhne aus­zu­zah­len. Ihre At­trak­ti­vi­tät für den Grün­der­kreis sowie an­ge­stell­te Spe­zia­lis­ten be­ruht statt­des­sen auf Mit­ar­bei­ter­be­tei­li­gun­gen, die sich bei Ge­dei­hen des Un­ter­neh­mens zu einem spä­te­ren Zeit­punkt aus­zah­len. Wür­den pri­va­te Ka­pi­tal­ge­win­ne in der Schweiz der Be­steue­rung un­ter­wor­fen (zumal einer ex­zes­si­ven Be­steue­rung von 150 Pro­zent), würde den Start-ups die be­triebs­wirt­schaft­li­che Basis ent­zo­gen und die Schweiz als Start-up-Stand­ort un­in­ter­es­sant.

Es stell­te sich somit die Frage, warum die Steu­er­zah­len­den in der ak­tu­el­len Lage Mil­li­ar­den für die Stüt­zung und den Er­halt von Be­trie­ben aus­ge­ben, wenn gleich­zei­tig durch Vor­la­gen wie die 99%-In­itia­ti­ve die Zu­kunft der­sel­ben Fir­men ge­fähr­det wird. Ja, die In­itia­ti­ve bringt gar jene wi­der­stands­fä­hi­gen und volks­wirt­schaft­lich wich­ti­gen Un­ter­neh­men in Ge­fahr, die heute mit wenig und oder kei­ner staat­li­chen Hilfe durch die Krise kom­men. Bei An­nah­me der In­itia­ti­ve wür­den Fir­men ka­pi­tal­mäs­sig «ent­leert», was ihre Wi­der­stands­fä­hig­keit in künf­ti­gen Kri­sen er­heb­lich ver­rin­gert.

Ir­re­füh­ren­des «1 Pro­zent»-Ar­gu­ment

Die In­iti­an­ten be­haup­ten, dass nur rund ein Pro­zent der Steu­er­pflich­ti­gen – näm­lich jene mit einem Ver­mö­gen von über drei Mil­lio­nen Fran­ken – von der In­itia­ti­ve be­trof­fen sind. Diese Aus­sa­ge ist ir­re­füh­rend. Ers­tens soll in der Aus­le­gung der In­iti­an­ten die Di­vi­den­den­be­steue­rung aus­drück­lich auch un­ter­halb die­ses Schwel­len­wer­tes er­höht wer­den. Zwei­tens würde der Schwel­len­wert von «z. B. 100'000 Fran­ken» bei einer Nach­fol­ge­re­ge­lung leicht über­schrit­ten, weil die über viele Jahre auf­ge­bau­te Fir­men­sub­stanz in der Regel ein Mehr­fa­ches des ur­sprüng­li­chen Werts be­trägt. Diese Wert­stei­ge­rung wäre zu 150 Pro­zent zu ver­steu­ern, mit dras­ti­schen Fol­gen für das Un­ter­neh­men und seine Ar­beits­plät­ze.

Be­reits über­durch­schnitt­lich hohe Ver­mö­gens­be­steue­rung

Die Be­steue­rung von Ver­mö­gen ist in der Schweiz im Ver­gleich der OECD-Staa­ten über­durch­schnitt­lich hoch. Kan­to­na­le Ver­mö­gens­steu­ern ge­ne­rie­ren sta­bil hohe Er­trä­ge von über 7 Mil­li­ar­den Fran­ken. An­ders als eine von der Kon­junk­tur und der Ent­wick­lung der Ka­pi­tal­märk­te ab­hän­gi­ge Ka­pi­tal­ge­winn­steu­er er­bringt die Ver­mö­gens­steu­er re­gel­mäs­si­ge Er­trä­ge, weil sie am sta­bi­len Ver­mö­gens­be­stand an­setzt. Die kan­to­na­len Fi­nanz­di­rek­to­ren leh­nen die In­itia­ti­ve denn auch ins­be­son­de­re des­halb ab, weil die Ver­mö­gens­steu­er, die schon heute in­di­rekt die­sel­ben Ka­pi­tal­ein­kom­men be­las­tet, damit unter Druck ge­ra­ten könn­te.

Ex­tre­me Un­be­stimmt­heit ver­un­mög­licht freie Wil­lens­bil­dung

Die Juso-In­itia­ti­ve ist in ab­so­lut ent­schei­den­den Fra­gen un­klar. Dies be­trifft die De­fi­ni­ti­on von Ka­pi­tal­ein­kom­men (was auch Ver­äus­se­rungs­ge­win­ne auf Fir­men­be­tei­li­gun­gen und Im­mo­bi­li­en um­fas­sen kann), die Höhe des Schwel­len­be­trags, die be­haup­te­ten Steu­er­fol­gen un­ter­halb die­ses Schwel­len­be­trags, die Höhe des fi­nan­zi­el­len Mehr­er­trags, die steu­er­li­che Ent­las­tung der Ar­beits­ein­kom­men und die Art der Rück­ver­tei­lung über So­zi­al­trans­fers.

Stand der Be­ra­tun­gen

Der Stän­de­rat be­han­del­te die Volks­in­itia­ti­ve in der Früh­jahrs­ses­si­on 2021 als Zweitrat. Seine vor­be­ra­ten­de Kom­mis­si­on emp­fahl die Vor­la­ge zur Ab­leh­nung, ge­nau­so wie Na­tio­nal­rat und Bun­des­rat.

Be­ur­tei­lung der Be­ra­tun­gen

Der Stän­de­rat emp­fiehlt den Stimm­bür­ge­rin­nen und Stimm­bür­gern die 99%-In­itia­ti­ve der Jung­so­zia­lis­ten deut­lich und ohne Ge­gen­vor­schlag zur Ab­leh­nung. Er folgt darin der Gros­sen Kam­mer und der Lan­des­re­gie­rung. eco­no­mie­su­is­se be­grüsst die­ses klare Votum; eine An­nah­me der In­itia­ti­ve würde unter an­de­rem die Ka­pi­tal­de­cke von oh­ne­hin durch die Co­ro­na-Pan­de­mie ge­schwäch­ten Fa­mi­li­en­be­trie­ben, KMU und Start-ups mas­siv schmä­lern. Zudem exis­tiert in der Schweiz be­reits ein bun­ter Strauss an Um­ver­tei­lungs­mass­nah­men (AHV, Kran­ken­kas­sen­prä­mi­en­ver­bil­li­gung usw.). Die In­itia­ti­ve ist nicht nur un­nö­tig, son­dern auch brand­ge­fähr­lich für den Wirt­schafts­stand­ort Schweiz.