Wirtschaftsdialog Schweiz-Italien: Intensive Beziehungen und Chancen für die Zukunft
Angesichts der unsicheren geopolitischen Lage und der Inflation, die Europa besonders hart trifft, hat die italienische Wirtschaft eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit bewiesen. Anlässlich des 13. Wirtschaftsdialogs Schweiz-Italien haben die beiden Partner die Rahmenbedingungen der bilateralen Beziehungen und die Chancen für Unternehmen diskutiert.
Ein Jahr nach dem letzten Arbeitsbesuch des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) in Rom bot die Neuauflage des Wirtschaftsdialogs, der am 24. Mai 2023 in Bern stattfand, die Gelegenheit, eine Standortbestimmung der guten und dichten bilateralen Wirtschaftsbeziehungen vorzunehmen. Neben wirtschaftlichen Fragen konnte auch der internationale Kontext mit dem Krieg in der Ukraine diskutiert werden. Es wurde in Erinnerung gerufen, dass beide Länder Teil der gleichen Wertegemeinschaft sind.
ITALIEN, EIN ZENTRALER WIRTSCHAFTSPARTNER
Mit Blick auf eine Wachstumsrate von 3,7 Prozent im Jahr 2022 betonten die Teilnehmer des Dialogs die Widerstandsfähigkeit der italienischen Wirtschaft nach der Pandemie und die Dynamik der Beziehungen zur Schweiz. Die Zahlen sprechen für sich: Unser transalpiner Nachbar ist auch unser drittwichtigster Handelspartner auf globaler Ebene und der zweitwichtigste in Europa. Im Jahr 2022 wuchsen die Schweizer Exporte um 33 Prozent auf 20,6 Milliarden Franken, während die Importe um 13 Prozent auf 21,3 Milliarden Franken stiegen. Jede Woche werden Waren und Dienstleistungen im Wert von eine Milliarde Franken grenzüberschreitend gehandelt, wovon 40 Prozent in den angrenzenden Regionen abgewickelt werden. Auch an der Investitionsfront ist das Bild positiv, da Italien laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) an sechster Stelle der Empfänger von Schweizer Direktinvestitionen steht (22,6 Milliarden Franken im Jahr 2021). Zahlreiche Schweizer Unternehmen sind in Italien präsent und schaffen über 50'000 Arbeitsplätze.
EIN ENORMES POTENZIAL UND CHANCEN, DIE ES ZU NUTZEN GILT
Trotz der Stärke dieser Partnerschaft und der eher positiven Aussichten für das Jahr 2023 bot der Austausch mit der italienischen Delegation unter der Leitung von Alessandro Guaidano, stellvertretender Generaldirektor der Generaldirektion Europäische Union und Zentraldirektor für europäische Länder, auch Gelegenheit, die Sorgen des Schweizer Privatsektors anzusprechen. Aufgrund der anhaltenden Bürokratie und der stark regulierten Märkte in einigen Sektoren besteht in mehreren Bereichen wie beispielsweise dem Transportwesen, dem Gesundheitssystem oder beim Zugang zum italienischen Finanzmarkt für Schweizer Marktteilnehmer noch ungenutztes Potenzial.
Mit einer diversifizierten und innovativen Industrielandschaft ist Italien ein attraktiver Produktionsstandort. Der Austausch konzentrierte sich aber auch auf den Umstand, dass Italien nicht immer als Land mit einfachem Geschäftsverkehr wahrgenommen wird. Dies hat sich als investitionshemmend erwiesen. Dabei bieten sich durchaus Chancen in den Bereichen Infrastruktur, Pharma, Digitalisierung, Energie oder in anderen Nischensektoren wie Cleantech. In dieser Hinsicht bietet der umfassende Reformplan der italienischen Regierung – «Processi di riforma per incentivare gli investimenti diretti esteri (PNRR)» – interessante Investitionsmöglichkeiten für Schweizer Unternehmen, die sich auf diesem Markt positionieren möchten und die es zu unterstützen gilt. Der mit über 200 Milliarden Euro ausgestattete Plan umfasst drei strategische Achsen: Digitalisierung und Innovation, ökologischer Übergang und soziale Eingliederung.
NORMALISIERUNG IN STEUERFRAGEN
Das Inkrafttreten des Abkommens über die Besteuerung von Grenzgängerinnen und Grenzgängern zwischen Italien und der Schweiz ist auf gutem Wege. Mit mehr als 80’000 italienischen Grenzgängerinnen und Grenzgängern, die in der Schweiz (insbesondere im Tessin) arbeiten, ist dieses Abkommen wichtig für Schweizer Unternehmen, die nach wie vor mit einem Arbeitskräftemangel zu kämpfen haben. Das 2020 unterzeichnete Abkommen, das nun zwei Zusatzvereinbarungen über die Bestimmungen zur Telearbeit und die Streichung der Schweiz von der schwarzen Liste der italienischen Steuerbehörden enthält, muss von Italien noch definitiv genehmigt und anschliessend formell ratifiziert werden.