Lastwagen camion

«Back to the fu­ture» im Gü­ter­ver­kehr?

Der Gü­ter­ver­kehr ist für das Funk­tio­nie­ren un­se­res All­tags un­ver­zicht­bar. Bei sei­ner Wei­ter­ent­wick­lung fehlt es der Po­li­tik je­doch an Mut, fort­schritt­li­cher En­er­gie und Rea­lis­mus. Struk­tur­er­halt und staat­li­che In­ter­ven­tio­nen prä­gen statt­des­sen das Bild. Das müss­te so nicht sein.

Ohne den Gü­ter­ver­kehr stün­de die Schweiz in­nert kür­zes­ter Zeit fast voll­stän­dig still: Die Re­ga­le in den Su­per­märk­ten blie­ben leer, die Tank­stel­len ge­schlos­sen und kri­ti­sche In­fra­struk­tu­ren wie Spi­tä­ler wären im Nu un­ter­ver­sorgt. Auf den Stras­sen würde sich bald der Müll häu­fen. Ein rei­bungs­lo­ser Gü­ter­ver­kehr ist in un­se­rer Ge­sell­schaft also schlicht nicht weg­zu­den­ken.

Die Ver­kehrs­trä­ger Schie­ne und Stras­se leis­ten heute beide ihren Bei­trag, damit Güter in der Schweiz von A nach B kom­men. Sie haben ihre spe­zi­fi­schen Stär­ken und Schwä­chen: Die Stras­se ist preis­güns­tig, fle­xi­bel und vor allem in der immer wich­ti­ge­ren Fein­ver­tei­lung un­ver­zicht­bar. Die Schie­ne hat ihre Vor­tei­le beim ge­bün­del­ten Trans­port auf län­ge­ren Stre­cken und ins­be­son­de­re bei Schütt­gut oder Flüs­sig­kei­ten. Ei­gent­lich lies­sen sich beide Ver­kehrs­trä­ger gut in­ein­an­der ver­schrän­ken: Die erste und letz­te Meile mit dem Last­wa­gen, da­zwi­schen der Haupt­lauf auf der Schie­ne. So stellt man sich auch ge­mein­hin den «kom­bi­nier­ten Ver­kehr» vor.

Die Rea­li­tät sieht an­ders aus. Die Ver­kehrs­trä­ger drif­ten aus­ein­an­der: Dem Stras­sen­ver­kehr wer­den immer neue Stei­ne in den Weg ge­legt, in der Hoff­nung, er möge nur un­at­trak­tiv genug wer­den, dass mög­lichst alles auf der Schie­ne trans­por­tiert wird. Über die An­sprü­che der Kun­din­nen und Kun­den wird dabei sel­ten ge­spro­chen. Die Schie­ne schafft es wie­der­um nicht, ihren rie­si­gen Rück­stand bei Prei­sen, In­no­va­ti­ons­kraft und Ver­läss­lich­keit wett­zu­ma­chen. Auch hier fehlt der Fokus auf den Nut­zen. Trotz Markt­öff­nung «er­drückt» die Markt­macht von SBB Cargo die meis­ten Avan­cen eines Wett­be­werbs, der die Struk­tu­ren etwas auf­lo­ckern könn­te. Damit feh­len der Bahn echte An­rei­ze, um für ihre Kun­den zu kämp­fen. Die jüngs­ten Vor­schlä­ge des Bun­des zur Sub­ven­tio­nie­rung des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs zeu­gen von wenig Mut, die bis­he­ri­gen Ge­wohn­hei­ten zu durch­bre­chen und die Dinge an­ders an­zu­pa­cken.

Für die Wei­ter­ent­wick­lung des Gü­ter­ver­kehrs drän­gen sich vier we­sent­li­che Hebel auf:

  1. Op­ti­mie­ren statt Ma­xi­mie­ren: Der Gü­ter­ver­kehr braucht keine Ex­trem­lö­sun­gen, son­dern ein funk­tio­nie­ren­des Zu­sam­men­spiel der Ver­kehrs­trä­ger. Die Zu­kunft ge­hört nicht ex­klu­siv der Schie­ne oder der Stras­se. Ihre Markt­an­tei­le sind keine po­li­tisch de­fi­nier­ba­ren Grös­sen, son­dern sol­len sich auf­grund der Markt­be­dürf­nis­se ein­pen­deln.
  2. De­re­gu­lie­rung statt mehr Re­gu­lie­rung: Damit der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr eine nach­hal­ti­ge Zu­kunft hat, muss mehr aus dem heu­ti­gen Sys­tem her­aus­ge­holt wer­den. Ef­fi­zi­enz (at­trak­ti­ves Preis-Leis­tungs-Ver­hält­nis, un­bü­ro­kra­ti­scher Zu­gang, voll-di­gi­ta­le Ab­wick­lung) und Ef­fek­ti­vi­tät (zu­ver­läs­si­ge, fle­xi­ble, trans­pa­ren­te, si­che­re Trans­por­te) sind zu stei­gern.
  3. Ein Mi­ni­mum an neu­tra­len Ba­sis­dienst­leis­tun­gen: Ei­ni­ge Grund­funk­tio­nen im Gü­ter­ver­kehr sind na­tür­li­che Mo­no­po­le. Diese gilt es neu zu or­ga­ni­sie­ren, so dass alle Trans­por­teu­re und Lo­gis­ti­ker dis­kri­mi­nie­rungs­frei­en Zu­gang haben. Auf die­ser Basis muss sich der Wett­be­werb ent­fal­ten kön­nen.
  4. Spiel­raum für die Dekar­bo­ni­sie­rung si­chern: Emis­si­ons­re­duk­tio­nen mit dem Ziel Netto-Null 2050 sind auch für den Gü­ter­ver­kehr zwin­gend. Die Schie­ne fährt in der Schweiz schon weit­ge­hend mit er­neu­er­ba­rem Strom, al­ler­dings vor allem im Per­so­nen­ver­kehr. Im Gü­ter­ver­kehr be­steht noch Nach­hol­be­darf, bei­spiels­wei­se bei den Die­sel­loks. Der Stras­sen­gü­ter­ver­kehr ver­fügt über kür­ze­re In­ves­ti­ti­ons­zy­klen und wird die Dekar­bo­ni­sie­rung schnell be­werk­stel­li­gen kön­nen. Dafür sind je­doch Rah­men­be­din­gun­gen wie Be­frei­ung al­ter­na­ti­ver An­trie­be von LSVA und CO2-Ab­ga­be ent­schei­dend, damit ge­nü­gend In­ves­ti­ti­ons­mit­tel be­reit­ste­hen.

Um den Gü­ter­ver­kehr in eine ge­sun­de Rich­tung wei­ter­zu­ent­wi­ckeln, braucht es neue Im­pul­se. Qua­li­tät, Leis­tungs­fä­hig­keit und In­no­va­ti­on aus markt­wirt­schaft­li­chen Lö­sun­gen müs­sen dafür in der Po­li­tik über eta­blier­te Struk­tu­ren ge­stellt wer­den. Denn die Zu­kunft des Gü­ter­ver­kehrs liegt nicht in der Ver­gan­gen­heit.

Die Erst­pu­bli­ka­ti­on die­ses Bei­trags er­folg­te am 8. No­vem­ber 2022 auf «han­dels­zei­tung.ch».