# 7 / 2022
10.11.2022

Bundesfinanzen 2023: Tiefrote Zahlen erfordern Priorisierung

Position economiesuisse

1) Das Budget 2023 muss die Schuldenbremse einhalten. Der Finanzplan ist zu bereinigen.

Das Parlament beschliesst in der Wintersession das Bundesbudget für das Jahr 2023. Hält sich das Parlament an die Vorgaben des Bundesrats, ist das Budget schuldenbremskonform. Weitere Massnahmen sind für das nächste Jahr nicht nötig.

Die finanziellen Mittel des Bundes genügen jedoch nicht, um ab 2024 alle vom Parlament beschlossenen Vorhaben zu finanzieren. Gleichzeitig diskutiert das Parlament weitere Projekte mit teilweise hohen Preisschildern (siehe Tabelle «Mögliche Mehrbelastungen Bundeshaushalt»). Mit dem Beschluss von neuen Ausgaben droht die finanzielle Überlastung noch grösser zu werden. Die Schuldenbremse verbietet, dass eine solche Situation eintritt. Und das ist richtig so. Es braucht deshalb jetzt Bereinigungsmassnahmen, damit der Finanzplan ab 2024 die Schuldenbremse einhält.

Zusätzlich zum ohnehin defizitären Finanzplan stehen kurz- bis mittelfristig vor allem auf der Ausgabenseite zahlreiche noch nicht finanzierte Vorhaben auf der Agenda. Angesichts der Haushaltslage ist für diese Projekte eine Gegenfinanzierung zwingend.

Der massive Schuldenaufbau der Neunziger und frühen Nuller Jahre hat gezeigt, wozu eine Ausgabenpolitik ohne Zügel führt. Die Erfahrungen unter Corona waren diesbezüglich nicht beruhigender. Im Krisenmodus hat das Parlament in kürzester Zeit Milliardensummen ausgegeben. Dieses Ausgabengebaren setzt sich offenbar fort.

 

 

 

Der Bundeshaushalt ist am Punkt, an dem es eine Grundsatzdiskussion braucht. Sind neue Aufgaben wirklich nötig und ist jede Aufgabenerweiterung unverzichtbar? Können Abstriche beim Bestehenden gemacht werden und wenn ja, wo? Ist man bereit, für mehr staatliche Aufgaben vors Volk zu gehen und höhere Steuern und Abgaben zu fordern?

Als Hilfestellung für die Frage, ob der Bund tatsächlich neue Aufgaben übernehmen oder bestehende Aufgaben intensivieren soll, können beispielsweise folgende Überlegungen einbezogen werden:

  • Ist die Realisierung technisch und zeitlich überhaupt möglich?
  • Wird die föderale Ordnung im Bundesstaat respektiert (insbesondere die verfassungsmässige Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen)?
  • Ist eine neue Lösung effizient (kostengünstig) und nachhaltig mit Blick auf Auswirkungen und Folgekosten?
  • Gibt es günstigere, eventuell private Lösungen?
  • Schliesslich: Kann die Finanzierung unter realistischen Annahmen sichergestellt werden und, wenn ja, wie?

2) Ohne konsequente Gegenfinanzierung muss auf neue Ausgaben verzichtet werden.

Wofür der Bund das Geld der Steuerzahlenden ausgibt, ist vor allem eine politische Frage. Für die Wirtschaft stehen wachstums- und wohlstandsfördernde Aufgaben im Vordergrund. Ausgabenbeschlüsse sollten zudem von den Kriterien Wirksamkeit, Effizienz, Nachhaltigkeit und der Einhaltung der föderalen Ordnung geleitet sein. Ganz sicher aber, und ist eigentlich selbstverständlich, muss aufgezeigt werden, wie neue Aufgaben finanziert oder gegenfinanziert werden. Das stellt auch der Bundesrat im oben erwähnten Zusatzbericht vom Oktober 2022 klar: «Allfällige neue Aufgaben müssen entweder durch Mehreinnahmen gedeckt oder durch Einsparungen in anderen Bereichen kompensiert werden». Das ist letztlich auch das, was die Schuldenbremse verlangt: Mit den bestehenden Einnahmen sind die Ausgaben zu finanzieren. Wer mehr ausgeben will, muss neue Mittel beschaffen. Ungedeckte Checks gibt es – zu Recht – keine.

Kürzungen bei bestehenden Aufgaben oder Totalverzichte sind politisch schwierig umsetzbar. Dennoch darf auch dieser Weg nicht a priori verschlossen bleiben. Was vor 30 Jahren wichtig war, muss heute nicht mehr dieselbe Bedeutung haben. Andere oder neue Themen können als Aufgaben für den Staat wichtiger geworden sein. Wenn nichts vom Alten je in Frage gestellt werden darf, bedeutet jede neue oder erweiterte Staatsaufgabe einen Staatsausbau. Ob das Volk (und auch die Wirtschaft) bereit ist, einen regelmässigen Staatsausbau mit höheren Steuergeldern mitzutragen, erscheint fraglich. Bei einer derart grossen Zahl von meist teuren Ausbauvorhaben, wie sie derzeit in der Diskussion stehen, muss es im Sinne einer Prioritätenverschiebung möglich sein, Bestehendes zu hinterfragen oder im mindesten das Mittelwachstum auf neue Aufgaben umzuleiten. Reicht das nicht, bleibt nichts anderes übrig, als auf Ausbauvorhaben zu verzichten und auch bei jüngst beschlossenen Projekten noch einmal über die Bücher zu gehen. Dasselbe sagt auch der Bundesrat in aller Klarheit unter dem Titel «Rückkommen oder Verzicht auf neu beschlossene Ausgaben» (z.B. Gegenvorschlag Prämienentlastungsinitiative).

3) Mehreinnahmen über Steuererhöhungen sind in der kurzen Frist keine Lösung; sie müssten zuerst vom Volk als gewollter Staatsausbau bestätig werden.

Auch der Bundesrat dämpft allfällige Hoffnungen. Die realistischen Optionen erscheinen sehr begrenzt. Bei der Firmensteuer (Gewinnsteuer) wird es in den nächsten Jahren darum gehen, die Einnahmen auf dem heutigen Niveau zu halten, nachdem sich mit der Mindestbesteuerung der OECD (nach Plan ab 2024) die Rahmenbedingungen des Unternehmensstandorts Schweiz in einem sensiblen Bereich verschlechtern werden. Allfällige Mehreinnahmen aus der Mindestbesteuerung werden nicht ansatzweise helfen, die Finanzprobleme des Bundes zu lösen. Sie müssen vielmehr für Standortmassnahmen verwendet werden, um die bestehenden und für den Bundeshaushalt gewichtigen Firmensteuereinnahmen zu sichern.

Bei der Einkommenssteuer stehen gegenwärtig eher Steuerentlastungen als Steuererhöhungen zur Diskussion (Erhöhung Steuerabzug Krankenkasse, Abschaffung Eigenmietwert und Heiratsstrafe bzw. Einführung Individualbesteuerung). Diese müssen hinsichtlich der finanziellen Folgen für den Bundeshaushalt sorgfältig geprüft und abgewogen werden. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für den allgemeinen Bundeshaushalt wäre ein Novum. Solche Erhöhungen waren bisher immer für einen gewissen Zweck bestimmt (z.B. für die AHV oder IV). Zudem hat das Volk für die Sicherung der AHV gerade eine weitere Anhebung der Mehrwertsteuer ab 2024 beschlossen. Nochmals eine Erhöhung dürfte es deshalb in nächster Zeit schwer haben.

Steuererhöhungen brauchen in jedem Fall eine Volksabstimmung und Volksabstimmungen sind politische Risikozonen. Sie zeigen aber klipp und klar, was mehrheitlich gewünscht und nicht gewünscht ist – ob die Bevölkerung eine neue Staatsaufgabe mitträgt, und sie effektiv auch zu bezahlen bereit ist.

4) Ausgaben dürfen nur unter restriktiven Bedingungen in den ausserordentlichen Haushalt verschoben werden; eine Umgehung der Schuldenbremse ist ein Verstoss gegen die Verfassung.

In Krisen kann der Bund mehr ausgeben, als er effektiv Mittel zur Verfügung hat – dieses Notventil der Schuldenbremse ist richtig und in der Corona-Pandemie wurde davon zum ersten Mal seit Bestehen der Schuldenbremse in grossem Umfang Gebrauch gemacht. Ein Notventil ist aber das, was es ist: eine letzte Lösung in einer besonders schwierigen Situation. Damit die Schuldenbremse über den Weg des ausserordentlichen Haushalts nicht umgangen werden kann, sind die Kriterien restriktiv.

Ohnehin besteht die Verpflichtung, dass auch Fehlbeträge im ausserordentlichen Haushalt ausgeglichen werden müssen. Das hat sich bei den Corona-Schulden und der Diskussion um ihren Abbau gezeigt. Der Abbau ist Pflicht, einzig besteht die Möglichkeit, sich dafür Zeit zu nehmen. Weil die Finanzierung damit von heute in die Zukunft verschoben wird, ist es richtig, dass die Anwendungskriterien für ausserordentliche Zahlungen restriktiv sind und auf die restriktive Handhabung auch bestanden wird. Der ausserordentliche Zahlungsbedarf darf nicht zu einer praktischen Lösung werden, um finanziellen Restriktionen im ordentlichen Haushalt aus dem Weg zu gehen. Das hat das Volk mit der Einführung der Schuldenbremse nicht gewollt.

Die Ausnahmekriterien galten im ersten und zweiten Corona-Jahr und sie gelten momentan für die Schutzsuchenden aus der Ukraine. Sie dürfen aber weder für eine Teilentschuldung der SBB noch zur Abfederung von steigenden Preisen, Energiekosten oder Krankenkassenprämien in Anspruch genommen werden. Die inflationäre Anwendung einer Regelung, die einzig für die äussersten Krisen gedacht ist, würde die finanzielle Glaubwürdigkeit und Stabilität des Bundes aufs Spiel setzen. Sie führt die Schweiz über kurz oder lang auch in eine Lage, die mit Blick über die Grenzen bestens bekannt ist: hohe und laufend zunehmende Verschuldung, sinkende Handlungsmöglichkeiten und dafür steigende volkswirtschaftlichen Risiken zum Nachteil der Bevölkerung und der Wirtschaft.