«Ausnahmezustand» der Bundesfinanzen jetzt beenden
economiesuisse hat Empfehlungen zum Voranschlag des Budgets und den Finanzplan des Bundes erarbeitet, wie der Bundeshaushalt nach der äusserst turbulenten Corona-Zeit wieder zurück zur Stabilität findet. Aktuelle Diskussionen im Vorfeld der Wintersession laufen jedoch in die entgegengesetzte Richtung: Es drohen Mehrausgaben und neue Bundesaufgaben. Zudem steigt die Gefahr von strukturerhaltenden Massnahmen. Dies trübt die Aussichten, dass der Bund bald zur umsichtigen Haushaltsführung von vor der Krise zurückkehrt. Dabei wäre gerade dies jetzt erforderlich.
economiesuisse hat für die Budgetberatung in der Wintersession und generell für das weitere Vorgehen in der Finanzpolitik im dossierpolitik Bundesfinanzen 2022 Empfehlungen erarbeitet:
- Das Budget 2022 soll wie vom Bundesrat vorgeschlagen beschlossen werden. Auf Aufstockungen ist zu verzichten.
- Der Corona-Krisenmodus ist zu beenden: Konkret sind keine weiteren ausserordentlichen Ausgaben im Corona-Zusammenhang zu beschliessen, die Nothilfen sind weitestgehend zu beenden und es ist zu den bekannten regulären Wirtschaftshilfen zurückzukehren.
- Aus der Corona-Krise sollen für den Bund keine neuen Aufgaben entstehen.
- Die Corona-Schulden sind schliesslich verbindlich und vollständig abzutragen. Die Schuldenbremse soll wie vor der Krise konsequent und unverändert eingehalten werden.
Mehrausgaben und neue Bundesaufgaben
Die Beratungen im Vorfeld der Wintersession zeigen, dass diese Empfehlungen der Wirtschaft gleich mehrfach infrage gestellt werden. Das Bundesbudget soll in diversen Punkten aufgestockt werden. Weitere ausserordentliche Ausgaben sollen beschlossen und die Corona-Nothilfemassnahmen auf breiter Front verlängert werden. Die Gefahr steigt, dass aus der Nothilfe immer mehr strukturerhaltende Massnahmen werden. Dies ist ernüchternd, sind doch die finanziellen Aussichten des Bundes bekannt. Der Haushalt ist über die nächsten Jahre zwar ohne Abstriche finanzierbar, aber neue ungeplante Belastungen werden das sich eben erst wieder einstellende Gleichgewicht von Einnahmen und Ausgaben zweifellos strapazieren.
Neue Sozialbeiträge durch die Hintertüre
Je länger der Bund Notmassnahmen wie beispielsweise die Härtefallunterstützung oder die Erwerbsausfallentschädigung verlängert, desto grösser die Gefahr, dass der Staat auf Dauer neue Aufgaben finanzieren muss. Gefährlich sind auch die «weichen» Kriterien, welche die Inanspruchnahme regeln. Das ist gut in der Krise, wenn Hilfen schnell fliessen sollen. Nun wird jedoch absehbar, dass bei weiter verlängerten Notmassnahmen auch in einem Jahr noch Ansprüche geltend gemacht werden mit dem Verweis auf ungenügende Umsätze oder eine fortdauernd eingeschränkte Erwerbstätigkeit. Notmassnahmen, die für den Krisenfall geschaffen wurden, drohen so zum Aufhänger für strukturerhaltende Massnahmen und einem neuen Gefäss für Sozialbeiträge zu werden. Diese Gefahr ist umso reeller, je länger die Hilfen bestehen. Finanziell geht es sehr rasch um grosse Beträge von Hunderten von Millionen Franken. Der Haushalt des Bundes wird dadurch zusätzlich durch Massnahmen belastet, die vor der Krise kein Thema oder politisch chancenlos waren.
Die Schuldenbremse nicht aushebeln
Solange die Massnahmen aus dem ausserordentlichen Haushalt finanziert werden, belasten sie das Budget des Bundes nicht. Dieser «Ausweg» aus der Schuldenbremse erhöht den Anreiz, Notmassnahmen ohne zwingende Gründe zu verlängern. Auch aus diesem Grund müssen die Notmassnahmen, soweit sie weiterbestehen, in den ordentlichen Haushalt zurückgeführt werden. Will die Politik das Notventil der Ausserordentlichkeit weiter nutzen, ist mindestens zu verlangen, dass die dadurch entstehenden Fehlbeträge im ausserordentlichen Haushalt – die «Corona-Schulden» – über die Zeit wieder vollständig abgetragen werden, wie es der Bundesrat in der Vernehmlassung zum Abbau der Corona-Schulden in Variante 1 vorsieht. Alles andere wäre stossend und würde die Schuldenbremse verletzten oder im Kern infrage stellen.
Finanzpolitischen Ausnahmezustand jetzt beenden
Gesunde Finanzen und eine massvolle Verschuldung sind wichtige Erfolgs- und Standortfaktoren der Schweiz. Gerade in der Corona-Pandemie hat sich dies eindrücklich gezeigt. Sie machen die Schweiz auch in der Krise handlungsfähig, und zwar ohne Steuererhöhungen und Sparprogramme. Die Schuldenbremse hat dabei in den Jahren vor der Krise massgeblich zur guten Ausgangslage beigetragen. Die disziplinierende Wirkung der Schuldenbremse führt dazu, dass sich die Politik bei ihren jährlichen Verhandlungen über das Bundesbudget auf einen Ausgabenrahmen beschränken muss. Im Grundsatz müssen sich die Ausgaben an den geplanten Einnahmen orientieren. Zu diesem guten Zustand vor der Krise ist deshalb jetzt zurückzukehren. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Erfolgsfaktoren auch in der Zukunft wirken. Nach zwei Jahren finanzpolitischem «Ausnahmezustand» ist es jetzt Zeit dafür.
Beispiel: Unterstützung für den öffentlichen Verkehr
Ein Beispiel: Der Bundesrat sieht eine weitere Corona-Unterstützung für den öffentlichen Verkehr vor (215 Mio. Franken) und will diese über den ordentlichen Haushalt finanzieren. In den Vorberatungen wurde der Betrag in den ausserordentlichen Haushalt verschoben und der im ordentlichen Haushalt entstandene neue Spielraum mit einer höheren Einlage in den Bahninfrastrukturfonds gleich wieder aufgefüllt. Mit solchen Vorgängen verfestigt sich eine Ausgabenpolitik, die ausschliesslich für unerwartete, plötzlich auftretende Krisensituationen geschaffen wurde und für die es bald zwei Jahre nach Ausbruch der Pandemie keinen Raum mehr gibt. Die Schuldenbremse erlaubt in Notsituationen praktisch unbeschränkte Ausgaben. Ist die ausserordentliche Situation aber vorbei bzw. die Krisenlage wieder überschaubar, muss in den ordentlichen Modus zurückgekehrt werden. Findet diese Rückkehr nicht statt bzw. wird sie verzögert, wird das Schuldenbrems-«Notventil» – der ausserordentliche Haushalt – überstrapaziert bzw. in nicht mehr sachgerechter Weise eingesetzt.