Zwei Fragezeichen neben Münzstapel

Co­ro­na-Not­pro­gram­me: Woher nimmt der Bund das Geld?

Zur fi­nan­zi­el­len Ab­fe­de­rung der wirt­schaft­li­chen Fol­gen der Aus­brei­tung des Co­ro­na­vi­rus hat der Bun­des­rat Not­mass­nah­men be­schlos­sen. Die­ser Bei­trag gibt eine Über­sicht über die Fi­nan­zie­rung, auch wenn noch nicht alle De­tails ent­schie­den sind. Klar ist je­doch: Die Schul­den­brem­se ist fle­xi­bel genug, damit auch sehr gros­se Mass­nah­men­pa­ke­te im Rah­men der ge­setz­li­chen Vor­ga­ben mög­lich sind. 

Der Bun­des­rat hat zwei grös­se­re Mass­nah­men­pa­ke­te zur Be­wäl­ti­gung der Co­ro­na-Krise ge­schnürt. Als erste So­fort­hil­fe hat er am 13. März 10 Mil­li­ar­den Fran­ken zur Ver­fü­gung ge­stellt. Von die­sem Be­trag wer­den 8 Mil­li­ar­den Fran­ken zur Fi­nan­zie­rung von Kurz­ar­beits­ent­schä­di­gun­gen in den Aus­gleichs­fonds der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung (ALV) ge­lei­tet. Der Bund rich­tet die­sen Be­trag in Form von so­ge­nann­ten Tre­so­re­rie­dar­le­hen aus. Dabei han­delt es sich um fi­nan­zi­el­le Mit­tel, die vom ALV-Fonds bis zu einem be­stimm­ten Be­trag bei der Bun­dest­re­so­re­rie (die «Kasse des Bun­des»), ohne Umweg über den Bun­des­haus­halt, di­rekt ab­ge­ru­fen wer­den kön­nen. Die Mit­tel stel­len, wie es der Name sagt, Dar­le­hen dar. Sie sind dem Bund zu ver­zin­sen und zu­rück­zu­zah­len.

Der ALV-Fonds kann sich auf diese Weise bis zu einer Höhe von 2,5 Pro­zent der bei­trags­pflich­ti­gen Lohn­sum­me ver­schul­den. Die­ser Wert liegt ak­tu­ell un­ge­fähr bei 8 Mil­li­ar­den Fran­ken. Braucht die ALV mehr Mit­tel und über­steigt die Ver­schul­dung die 2,5-Pro­zent-Marke, muss der Bun­des­rat die Lohn­bei­trä­ge für die ALV er­hö­hen und eine Sa­nie­rungs­vor­la­ge vor­le­gen. Um eine sol­che Ent­wick­lung zu ver­hin­dern – der Bun­des­rat geht davon aus, dass die ALV ef­fek­tiv zu­sätz­li­che Mit­tel über 8 Mil­li­ar­den Fran­ken hin­aus be­nö­tigt –, wurde in einem zwei­ten Mass­nah­men­pa­ket, das der Bun­des­rat am 20. März vor­ge­legt hat, eine Ein­la­ge in den ALV-Fonds von 6 Mil­li­ar­den Fran­ken in Form eines Nach­trags­kre­dits be­schlos­sen. An­ders als bei den vor­er­wähn­ten Tre­so­re­rie­mit­teln han­delt es sich dies­mal nicht um rück­zahl­ba­re Dar­le­hen, son­dern um eine A-Fonds-perdu-Ein­la­ge des Bun­des. Die ALV kann damit mehr Mit­tel ein­set­zen, bis die 2,5-Pro­zent-Marke er­reicht wird. 

Auch Selbst­stän­di­ger­wer­ben­de wer­den ent­schä­digt

Wei­ter tä­tigt der Bund im Rah­men des zwei­ten Mass­nah­men­pa­kets eine Ein­la­ge von vier Mil­li­ar­den Fran­ken in die Er­werbs­aus­fall­ver­si­che­rung (EO) zur Ent­schä­di­gung von Er­werbs­aus­fäl­len von Selbst­stän­di­ger­wer­ben­den. Auch dies ist eine A-Fonds-perdu-Ein­la­ge, die nicht zu­rück­be­zahlt wer­den muss. Wei­te­re grös­se­re Nach­trags­kre­di­te (teil­wei­se rück­zahl­ba­re Dar­le­hen, teil­wei­se A-Fonds-perdu-Bei­trä­ge) gehen in die Be­rei­che Sport und Kul­tur. Fer­ner er­hält die Armee zu­sätz­li­che Gel­der für den Kauf von Sa­ni­täts­ma­te­ri­al und Impf­stof­fen.

Fir­men sol­len li­qui­de blei­ben

Das um­fang­reichs­te Ele­ment des zwei­ten Mass­nah­men­pa­kets ist der Ver­pflich­tungs­kre­dit von 20 Mil­li­ar­den Fran­ken, den der Bun­des­rat für die Si­cher­stel­lung der Fir­men­li­qui­di­tät be­schlos­sen hat. Der Bund ga­ran­tiert in die­sem Um­fang Kre­di­te, die Bürg­schafts­or­ga­ni­sa­tio­nen ge­gen­über dem Ban­ken­sys­tem ver­bür­gen. Die Kre­di­te wer­den von den Ban­ken ab dem 26. März an Fir­men (KMU) als Über­brü­ckungs­hil­fen ver­ge­ben. Die Kre­di­te sind grund­sätz­lich in­ner­halb von fünf Jah­ren rück­zahl­bar und ab einer Höhe von 500'000 Fran­ken in ge­rin­gem Um­fang ver­zins­lich. Die Mo­da­li­tä­ten hat der Bun­des­rat in einer Ver­ord­nung fest­ge­legt. Das In­stru­ment des Ver­pflich­tungs­kre­dits wurde ge­wählt, weil es dem Bund er­mög­licht, fi­nan­zi­el­le Ver­pflich­tun­gen, die im Ein­zel­nen in ihrer Höhe nicht klar sind, über meh­re­re Jahre ein­zu­ge­hen. Das Fi­nanz­haus­halts­ge­setz des Bun­des sieht die­ses In­stru­ment ex­pli­zit für die Über­nah­me von Bürg­schaf­ten durch den Bund vor. Im Rah­men eines Ver­pflich­tungs­kre­dits flies­sen un­mit­tel­bar keine Mit­tel. Aus­ga­ben ent­ste­hen dem Bund erst, wenn von den Bürg­schafts­or­ga­ni­sa­tio­nen (bzw. den Ban­ken) ge­währ­te Über­brü­ckungs­hil­fen nicht zu­rück­be­zahlt wer­den und es zu Kre­dit­aus­fäl­len kommt. In die­sen Fäl­len ent­ste­hen dem Bund fi­nan­zi­el­le Ver­pflich­tun­gen, die der Bund bis zur fest­ge­leg­ten Höhe des Ver­pflich­tungs­kre­dits von 20 Mil­li­ar­den Fran­ken tra­gen kann. Weil der Bun­des­rat be­reits kurz­fris­tig, das heisst noch im lau­fen­den Rech­nungs­jahr, mit Kre­dit­aus­fäl­len rech­net, be­an­tragt er dem Par­la­ment eine erste 1-Mil­li­ar­den-Fran­ken-Tran­che des Ver­pflich­tungs­kre­dits als Nach­trags­kre­dit.  

Tabelle mit Übersicht über die Corona-Massnahmen des Bundes

 

Die mil­li­ar­den­schwe­ren Mass­nah­men, die der Bund zur Ab­fe­de­rung der wirt­schaft­li­chen Fol­gen der Co­ro­na-Krise be­schlos­sen hat (und viel­leicht wei­ter be­schliesst), kön­nen nicht im or­dent­li­chen Bud­get un­ter­ge­bracht wer­den. Das Fi­nanz­haus­halts­ge­setz des Bun­des sieht für sol­che aus­ser­or­dent­li­chen Fälle eine Spe­zi­al­re­gel vor: Die höchst­zu­läs­si­gen Aus­ga­ben des Bun­des ge­mäss Schul­den­brem­se kön­nen um einen aus­ser­or­dent­li­chen Zah­lungs­be­darf er­höht wer­den. Die Regel ist unter an­de­rem bei aus­ser­or­dent­li­chen und vom Bund nicht steu­er­ba­ren Ent­wick­lun­gen an­wend­bar. Es han­delt sich um die so­ge­nann­te Er­gän­zungs­re­gel der Schul­den­brem­se, die 2010 ein­ge­führt wurde und für Si­tua­tio­nen wie die jet­zi­ge mass­ge­schnei­dert ist. 

Par­la­ment muss Amor­ti­sa­ti­ons­frist fest­le­gen

Die zur Kri­sen­be­wäl­ti­gung be­schlos­se­nen Zu­satz­aus­ga­ben kön­nen ab einem Min­dest­be­trag von 0,5 Pro­zent der Ge­samt­aus­ga­ben in un­be­grenz­ter Höhe als aus­ser­or­dent­lich be­han­delt wer­den. Sie wer­den auf einem Konto aus­ser­halb der Staats­rech­nung, dem Amor­ti­sa­ti­ons­kon­to, sta­tis­tisch er­fasst. Als Vor­ga­be gilt le­dig­lich, dass diese Aus­ga­ben über die Zeit amor­ti­siert, also durch Über­schüs­se im or­dent­li­chen Haus­halt oder durch aus­ser­or­dent­li­che Ein­nah­men, wie sie zum Bei­spiel durch die Ver­stei­ge­rung von 5G-Mo­bil­funk­li­zen­zen an­ge­fal­len sind, aus­ge­gli­chen wer­den. Das Ge­setz sieht dafür eine Frist von sechs Jah­ren vor, die Frist kann vom Par­la­ment aber not­falls ver­län­gert wer­den. Der­zeit hat das Amor­ti­sa­ti­ons­kon­to einen po­si­ti­ven Stand von über 3 Mil­li­ar­den Fran­ken. Wür­den alle vom Bun­des­rat ak­tu­ell zur Be­wäl­ti­gung der Co­ro­na-Krise be­schlos­se­nen Nach­trags­kre­di­te als aus­ser­or­dent­li­che Aus­ga­ben ein­ge­stuft, würde der Saldo des Amor­ti­sa­ti­ons­kon­tos um rund neun Mil­li­ar­den Fran­ken ins Ne­ga­ti­ve rut­schen. Die­ser Fehl­be­trag muss spä­ter, wenn die Wirt­schaft sich er­holt hat, amor­ti­siert wer­den, damit die neu ent­stan­de­nen Schul­den des Bun­des wie­der ab­ge­baut wer­den. Zur Amor­ti­sa­ti­on könn­ten Ein­spa­run­gen im or­dent­li­chen Haus­halt be­schlos­sen wer­den. Oder, ein­fa­cher noch, es könn­ten dazu Kre­dit­res­te im or­dent­li­chen Haus­halt ver­wen­det wer­den, die re­gel­mäs­sig an­fal­len und eine Amor­ti­sa­ti­on in einer Frist von rund zehn Jah­ren er­lau­ben wür­den (so­lan­ge der Fehl­be­trag unter 10 Mil­li­ar­den Fran­ken bleibt). Dafür ist al­ler­dings eine Än­de­rung des Fi­nanz­haus­halts­ge­set­zes not­wen­dig. Das ge­naue Vor­ge­hen muss vom Bun­des­par­la­ment noch fest­ge­legt wer­den sowie auch die vom Bun­des­rat im zwei­ten Mass­nah­men­pa­ket ge­fäll­ten Be­schlüs­se ganz ge­ne­rell po­li­tisch noch be­stä­tigt wer­den müs­sen.

Die Schul­den­brem­se je­den­falls, das zeigt sich ein­mal mehr, ist ein fle­xi­bles In­stru­ment, das in allen Si­tua­tio­nen ein­wand­frei funk­tio­niert. Es kann nicht nur mit Ein­nah­men­spit­zen, wie sie in den ver­gan­ge­nen Jah­ren er­freu­li­cher­wei­se wie­der­holt vor­la­gen, um­ge­hen, son­dern auch mit Kri­sen­si­tua­tio­nen und da­durch al­len­falls not­wen­dig wer­den­den hohen, aus­ser­or­dent­li­chen Aus­ga­ben.