Null Prozent

Null Zoll in die Schweiz: Eine Win-win-win-Situation

Zölle sind gerade hoch im Kurs: Während die USA, China, die EU und weitere Länder ihre Zölle allerdings anheben, will sie die Schweiz für Industriegüter gleich ganz abschaffen. Die Massnahme ist jedoch keine Reaktion auf den aktuellen Handelskonflikt, sondern ein alter Zopf, der schon lange abgeschnitten gehört. Der administrative Aufwand der Zollerhebung und die dadurch generierten Bundeseinnahmen stehen in keinem Verhältnis. Die stark exportorientierte Schweizer Industrie will auch keinen Schutz in Form von Zöllen, sondern entlastet werden. Schliesslich profitieren von der Zollaufhebung nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Konsumenten und schliesslich die Volkswirtschaft insgesamt.

Der Bundesrat hat heute die Vernehmlassung eröffnet zu einer Vorlage, mit der die Schweiz den Zoll auf sämtliche Industriegüter beim Import auf Null setzen will. economiesuisse als Dachverband der Schweizer Wirtschaft begrüsst die Zollaufhebung ausdrücklich. Durch die längst überfällige Massnahme, die hochkompetitive Länder wie Hongkong und Singapur schon lange eingeführt haben, gewinnt die Schweiz gleich dreifach: 

1. Unternehmen: Der Zoll fällt weg, aber auch viel administrativer Aufwand 

Beim Import von Industriegütern in die Schweiz werden heute jährlich ungefähr 490 Millionen Schweizer Franken erhoben. Das entspricht 0,7 Prozent der Bundes- und 49 Prozent der Zolleinnahmen insgesamt (der Rest ist der stark geschützten Landwirtschaft zuzuschreiben). Die Unternehmen selbst wünschen sich diesen Schutz durch Zölle nicht. Im Gegenteil, denn die Zölle betragen im Schnitt 1,8 Prozent des Warenwerts. Laut WTO können Zollsätze unter 3,0 Prozent als «nuisance tariffs» klassifiziert werden (nuisance = Ärger, Belästigung, Plage), da die erzielten Einnahmen kleiner sind als der Aufwand, diese zu erheben. Ausgenommen auf Textilien (5,6 Prozent), Bekleidung (4,0 Prozent) und Holz/Papier (3,7 Prozent) fallen also für fast alle Schweizer Industriegüter «nuisance tariffs» an. 

Insgesamt werden die administrativen Einsparungen für die Importeure auf mindestens 100 Millionen Franken pro Jahr geschätzt, für die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) auf 7 Millionen, für ausländische Unternehmen, die in die Schweiz exportieren, auf 150 Millionen. Insbesondere KMU dürfte dies freuen, da sie das komplizierte Zollfachwissen heute oft extern einkaufen müssen. Dass die administrativen Kosten bei der Verzollung heute sehr hoch sind, zeigt auch die Tatsache, dass drei Viertel aller Zolleinnahmen auf Industriegüter aus Importen von Ländern entfallen, mit denen die Schweiz eigentlich ein Freihandelsabkommen hätte.

2. Konsumenten: Die Preise sinken 

Für den Import von Rohstoffen, Halbfabrikaten und Investitionsgütern, aber auch für Konsumgüter fielen mit der Zollaufhebung künftig keine Zölle mehr an. Kleider, Autos, Fahrräder oder Kosmetika könnten günstiger importiert werden. Wenn die Einfuhrpreise sinken, wird ausserdem auch mehr importiert, was den Wettbewerb verstärkt. Hinzu kommt, dass heute Hersteller im Ausland Parallelimporteuren teilweise den Ursprungsnachweis nicht ausstellen. Sie können ihre Produkte also über ihre Tochtergesellschaft teurer verkaufen. Wird der Ursprungsnachweis hinfällig, können Parallelimporteure nicht mehr benachteiligt werden, der Wettbewerb nimmt zu und die Preise sinken. Insgesamt wird geschätzt, dass das Preisniveau in der Schweiz durch die Zollaufhebung pro Jahr um 0,1 bis 2,6 Prozent beziehungsweise um durchschnittlich 350 Millionen Franken sinken würde. 

3. Die Volkswirtschaft: Wettbewerbsfähigere Exportindustrie 

Schliesslich profitiert die Volkswirtschaft als Ganzes, und zwar durch mehrere Effekte. Zölle verzerren heute die Handelsbeziehungen, da Konsumenten und Produzenten nicht nur basierend auf Qualität, Preis und Transportkosten ihre Entscheidungen fällen. Ausserdem sinken durch den Wegfall der Zölle die Importkosten – dies senkt die Produktionskosten der Unternehmen. Dadurch nimmt wiederum ihre Wettbewerbsfähigkeit zu, auch im Export. Für die Schweiz als eine der international integriertesten Volkswirtschaften der Welt ist das besonders wichtig. Laut Schätzungen würde das Bruttoinlandprodukt (BIP) in der Schweiz durch die Zollaufhebung jährlich um 860 Millionen Schweizer Franken höher liegen. Das Einkommen pro Kopf nähme um 43 Franken zu. 

Fazit 

Die Industriezollaufhebung ist eine strukturelle Massnahme wie aus dem ökonomischen Lehrbuch, von der nicht nur die direkt Betroffenen (Unternehmen und Konsumenten), sondern die Gesellschaft insgesamt profitiert: Eine Win-win-win-Situation. Klar ist aber auch, dass die Handelskosten weiter sinken müssen, will der Wirtschaftsstandort Schweiz gegenüber seiner Konkurrenz nicht weiter an Attraktivität verlieren (im jüngsten WEF-Report liegt die Schweiz nicht mehr auf dem ersten, sondern auf dem vierten Platz). Dazu gehören auch die komplette Digitalisierung und Vereinfachung der bestehenden Zollprozesse in der Schweiz. Die Wirtschaft legt deshalb besonderes Augenmerk auf das Transformations- und IT-Programm DaziT der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV), die genau dieses Ziel bis 2026 erreichen will.