Luftverkehrsabkommen: mehr Freiheit über den Wolken
Auch am Himmel gibt es Grenzen. Dass Schweizer Flugpassagiere davon kaum je etwas mitbekommen, ist vor allem dem Luftverkehrsabkommen mit der EU zu verdanken. Es hat nicht nur die Transportrechte der Airlines liberalisiert, sondern regelt auch die Zusammenarbeit der Flugsicherungsbehörden und die Zulassung neuer Fluggeräte.
Für 50 Franken nach London? Wie geht so etwas eigentlich?
Mit einem Wort: Luftverkehrsabkommen. Das Abkommen hat viel dazu beigetragen, dass die Schweiz auch nach dem Swissair-Grounding luftfahrttechnisch gut erschlossen blieb. Denn der Vertrag führte endlich auch die Niederlassungs- und Investitionsfreiheit für Fluggesellschaften ein, weshalb neue Anbieter die entstandene Lücke nutzen und den Wettbewerb beleben konnten. Auch zuvor als unrentabel betrachtete Strecken tauchen seither im Flugplan auf, und das Ticket für die lang ersehnte Reise nach Schottland oder Portugal ist so für jedermann erschwinglich geworden.
Und wieso gibt's Bangkok bereits für 450 Franken?
Weil sich die Liberalisierung des Flugverkehrs in Europa auch auf die Interkontinentalflüge auswirkt. Denn grosse Maschinen, die beispielsweise von Zürich nach Singapur oder New York fliegen, sind allein mit Schweizer Passagieren nie ausreichend zu füllen. Die vielen neuen oder häufiger bedienten innereuropäischen Verbindungen verbessern die Auslastung dieser Flugzeuge, sorgen aber auch im Langstreckenbereich für mehr Konkurrenz und damit für tiefere Preise.
Dank dem Luftverkehrsabkommen ist das Ticket für die lang ersehnte Reise nach Schottland oder Portugal für jedermann erschwinglich geworden.
Wie war es denn vorher?
Fliegen wir in der Zeit zurück: Ein kurzer Vergleich mit den 1990er-Jahren macht deutlich, wie gross der Unterschied ist. Damals mussten die Rechte für Flugverbindungen zwischen zwei Staaten in jedem Einzelfall ausgehandelt werden, und auch die Preise waren stark reguliert. Das effiziente Betreiben von Tochtergesellschaften in anderen Ländern war massiv erschwert, was nicht zuletzt der Swissair zum Verhängnis wurde (Grounding). Denn bei der Liberalisierung des Flugverkehrs blieb die Schweiz zunächst aussen vor.
Wann kam die Wende?
Die Wende kam erst mit dem Abschluss des Luftverkehrsabkommens als Teil der Bilateralen I. Seither verfügen Schweizer Fluggesellschaften an Europas Himmel über nahezu alle wichtigen Freiheiten.
Welche Freiheiten hat eine Fluggesellschaft im europäischen Luftverkehr?
Grounding der Swissair...
Für die Swissair kam das Abkommen zwar zu spät, doch ihre Nachfolgerin Swiss profitiert heute sehr stark davon. Denn obwohl sie längst der Lufthansa gehört, ist sie noch immer eine Airline mit Geschäftssitz in der Schweiz, die nach Schweizer Recht operiert. Gleiches gilt für viele kleinere Fluggesellschaften, etwa Helvetic Airways, Skywork oder easyJet Switzerland.
Wie kann die Schweiz mitgestalten?
Dank dem Luftverkehrsabkommen konnte die Schweiz zudem der 2002 gegründeten Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) beitreten. Diese legt die Standards bezüglich Flugsicherheit und Umweltschutz für den Flugverkehr in Europa fest. Dazu zählt beispielsweise die Zulassung neuer Fluggeräte, die in allen EASA-Ländern vereinheitlicht wurde. Davon profitieren auch Schweizer Hersteller wie der Flugzeugbauer Pilatus in Stans oder Marenco Swiss Helicopter in Mollis. Die EASA erstellt zudem die Regeln für die Flugausbildung und den Flugbetrieb sowie Sicherheitsstandards für Flughäfen. Dank dem Abkommen kann die Schweiz ihre Bedürfnisse und ihr Know-how direkt einbringen und die Regeln mitgestalten.
Mehr Sicherheit und Effizienz dank einheitlichem Luftraum
Ein dritter Aspekt des Luftverkehrsabkommens betrifft die Flugsicherung. Dank dem Vertrag kann sich die Schweiz am Grossprojekt «Single European Sky» (SES) beteiligen, das den Luftraum über Europa vereinheitlichen soll. Der Grundgedanke: Anstatt sich an nationalen Grenzen zu orientieren, soll der Flugverkehr möglichst sicher und effizient abgewickelt werden. Das spart Umwege und damit Flugzeit und sehr viel Kerosin, was wiederum der Umwelt nützt. Die nationale Flugsicherung Skyguide hat sich von Beginn weg stark in dieses zukunftsweisende Projekt eingebracht. Zusammen mit Deutschland, Frankreich und den Beneluxstaaten gehört die Schweiz mittlerweile zum Luftraumblock Zentraleuropa (FABEC). Piloten, die künftig dieses Gebiet überfliegen, werden nicht mehr an jeder Landesgrenze mit einer anderen Flugsicherung in Kontakt treten müssen, sondern nur noch einen Ansprechpartner haben, der sie sicher ans Ziel dirigiert. Weil sie auch hier in den entscheidenden Gremien vertreten ist, kann die Schweiz diesen Integrationsprozess aktiv mitgestalten.