Die richtige Regulierung für Cloud, Blockchain und Kryptowährung
Eine technologieneutrale Entschlackung und Re-Regulierung, verbunden mit der Klärung zentraler Persönlichkeits- und Datenschutzfragen: So macht sich die Schweiz regulatorisch bereit für das digitale Zeitalter – Ein Gastbeitrag von René Buholzer
Längst ist klar, dass die Digitalisierung mehr als ein Hype ist und wir vor fundamentalen Veränderungen stehen. Wie macht sich der Standort Schweiz bereit für Zukunftstechnologien?
Zentral erscheint, dass eine globale und gesamtwirtschaftliche Perspektive eingenommen wird. Detailregulierungen entlang traditioneller Branchen sind Gift für innovative Veränderungen. Die sich abzeichnenden Umbrüche durch die Digitalisierung – sowohl im Dienstleistungssektor als auch in der Industrie – gilt es mit einer optimistischen Grundhaltung willkommen zu heissen und als Chance zu begreifen. Die Veränderungen lösen aber auch Unsicherheiten und Ängste aus. Nehmen wir sie nicht ernst, riskieren wir eine politisch-gesellschaftliche Gegenreaktion, die im Extremfall dazu führt, dass sich die Schweiz von zukunftsträchtigen Entwicklungen selber ausschliesst.
So gelingt der Sprung ins digitale Zeitalter
Die beste Prävention gegen mögliche Ängste sind Information und Bildung. Deshalb gilt es erstens, die «Digital skills» ab der Grundstufe in die Lehrpläne und Studiengänge einzubauen. Insbesondere sind die Kompetenzen in den MINT- Fächern zu stärken. Denn der wichtigste Einzelfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Schweiz im 21. Jahrhundert dürfte ein Bildungs- und Forschungsplatz sein, der kompetitiv und international vernetzt ist und der sich auf die Bedürfnisse der Digitalisierung fokussiert.
Digitale Innovationen sind auf eine medienbruch-freie Wertschöpfungskette angewiesen. Deshalb muss es zweitens möglich sein, Individuen und Unternehmen verlässlich und anwenderfreundlich digital identifizieren zu können. Das würde nicht zuletzt das Thema E-Government endlich vorantreiben.
Drittens braucht die Schweiz auch in Zukunft eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur und hier insbesondere ein flächendeckendes Breitbandnetz. Dazu sind die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen und beispielsweise Bewilligungsverfahren zu beschleunigen.
Viertens benötigt die Wirtschaft Raum für Innovationen. Positive Dynamiken dürfen nicht durch starre, vorauseilende staatliche Vorgaben eingeschränkt werden. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass es Spannungsfelder gibt. Werden diese nicht balanciert geregelt, könnten Missstände oder das Fehlverhalten Einzelner dazu führen, dass unerwünschte Verbote oder Überregulierung das regulatorische Vakuum füllen.
Drei aktuelle Trends mit Spannungspotenzial
Die folgenden drei Trends zeigen exemplarisch, wo es bezüglich der Regulierung Spannungen geben kann:
- Blockchain und Kryptowährungen: Diese neue Technologie könnte die Infrastrukturkosten der Banken markant senken. Niedrige Ausführungskosten ermöglichen beispielsweise Mikrozahlungen, was etwa den Zugang zu «bankfreien» Emerging Markets gewähren könnte. Gleichzeitig stellen sich wichtige Fragen: Wie steht es um die Sicherheit? Wie lassen sich bei einer grösseren Verbreitung der Blockchain-Technologie Hackerangriffe verhindern? Wie verhindern wir Geldwäscherei? Welche Aufsichts- und Vollzugsbehörden sind angesichts der digitalen und somit grenzenlosen Natur der Kryptowährungen zuständig? Wie gehen wir mit Outsourcing-Risiken um? Welchen Verbraucherschutz ist sinnvoll und braucht es in einer digitalen Welt?
- Big Data und Analytik erzeugen neue Informationen, womit Datenbestände monetarisiert werden können. Dadurch können Entscheidungen fundierter getroffen werden und es entstehen neue Geschäftsmöglichkeiten: Etwa indem man ganzheitliche Kundenprofile (durch die Verknüpfung interner Daten mit solchen aus den sozialen Medien) oder verbesserte Compliance -Monitoring Tools schafft. Dabei stellen sich zahlreiche Fragen bezüglich der Daten-Governance. Wer entscheidet, wozu meine Daten verwendet werden, wer sie speichern und wer sie weitergeben darf? Gibt es im digitalen Raum ein «Recht auf Vergessen»? Muss es eine Definition der «digitalen Persönlichkeit» geben und damit verbundene «online»-Persönlichkeitsrechte an den eigenen Daten – vergleichbar mit einklagbaren Persönlichkeitsrechten, die «offline» gelten? Wer ist juristisch verantwortlich, wenn Algorithmen Entscheidungen treffen?
- Im Cloud-basierten Geschäft stellen sich Fragen bezüglich landesspezifischer und grenzüberschreitender Vorschriften. Gelten die Regeln am Ort des Kunden, dort wo er ansässig ist, wo der Dienstleistungserbringer ist oder wo sich der Server, auf dem die Software läuft, befindet?
Unternehmen sollen Regulierungen mit unbeabsichtigten Folgen melden können
Der Fragenkatalog in diesen drei Bereichen liesse sich fast beliebig verlängern. Zentral aber ist, dass bei der Beantwortung dieser Fragen das Prinzip der Wettbewerbsneutralität zwischen bestehenden Dienstleistern und neuen Anbietern gewahrt wird. Sogenannte «Regulatory Sandboxes», also Sonderregimes, die es erlauben, unter erleichterten regulatorischen Bedingungen neue Geschäftsmodelle in der Praxis mit realen Kunden zu testen, mögen in klar eingegrenzten Bereichen sinnvoll sein. Dies gilt auch für die von der Eidgenössischen Finanzaufsicht Finma angeregte Banklizenz «light» welche die Bewilligungserfordernisse differenziert regulieren will.
Langfristig sind allerdings nachhaltige Lösungen gefragt. Die beispielsweise von den «FinTech»-Promotoren identifizierten übermässigen Regulierungen, die einen Marktzugang faktisch aus Kosten- oder «time to market»- Gründen verunmöglichen, sollten vielmehr dazu veranlassen, sich grundsätzlich die Frage zu stellen, wie nötig, zeitgemäss und Kosten-Nutzen-effizient die heutige Regulierung ist. Vor diesem Hintergrund wäre eine vorurteilslose Überprüfung der bestehenden Regulierung, insbesondere auf allfällige Markt- und Sektor-Zutrittsbarrieren, auf ihre Tauglichkeit und Wohlfahrtswirkung für die BürgerInnen im digitale Zeitalter vorzunehmen.
Eine solche technologie- und anbieterneutrale Entschlackung und Re-Regulierung, verbunden mit der Klärung zentraler Persönlichkeits- und Datenschutzfragen, wäre das Gebot der Stunde, um die Schweiz regulatorisch für die Zukunft bereit zu machen! Die EU führte einen «call of evidence» durch. Analog dazu könnte der Bundesrat die Wirtschaft aufrufen, konkrete Regulierungen mit unbeabsichtigten Folgen aufzuführen, um sie dann dem 21. Jahrhundert anzupassen.