# 13 / 2019
13.09.2019

Annahme der Kündigungsinitiative bedeutet das Ende des bilateralen Wegs

Wie die Kündigungsinitiative den bilateralen Weg zerstört

Die Bilateralen I sind das Fundament, auf dem die Schweiz nach der Ablehnung des Beitritts zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 1992 ihre Beziehungen mit der EU geregelt hat. Es hat mehrere Jahre gedauert, das Vertragspaket auszuhandeln. Erst 1999 hat die Schweiz die fertig ausgehandelten Abkommen unterschrieben. Die Stimmberechtigten haben sie daraufhin im Jahr 2000 mit überwältigenden 67,2 Prozent an der Urne angenommen. Seit 2002 sind sie in Kraft. In der Folge haben die Schweizer Stimmbürger in zahlreichen weiteren Abstimmungen den bilateralen Weg bestätigt. Deshalb erstaunt auch nicht weiter, dass laut aktuellen Umfragen 80 Prozent der Schweizer Bevölkerung hinter den Bilateralen stehen.

Trotzdem hat die SVP gemeinsam mit der Auns im Oktober 2017 die Kündigungsinitiative (KI) lanciert und am 31. August 2018 mit 116’139 gültigen Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht. Der Initiativtext lässt keinen Interpretationsspielraum offen: Die Schweiz soll die Personenfreizügigkeit (PFZ) mit den EU-/EFTA-Ländern beenden und ein dauerhaftes Verbot für den Abschluss vergleichbarer Abkommen in der Verfassung verankern. Scharf formuliert sind auch die Übergangsbestimmungen: Zunächst wird dem Bundesrat eine Frist von zwölf Monaten eingeräumt, um «auf dem Verhandlungsweg anzustreben», dass die Personenfreizügigkeit ausser Kraft gesetzt wird. Wenn dies nicht gelingt, hat die Landesregierung weitere 30 Tage Zeit, um den Vertrag zu kündigen. Auch die Initianten räumen ein, dass die Schweiz – falls nicht überraschend doch eine Lösung mit Brüssel gefunden wird – spätestens 13 Monate nach einem Ja das ganze Paket der Bilateralen I kündigen müsste. Denn als dieses 1999 ausgehandelt wurde, einigte man sich auf die sogenannte «Guillotine-Klausel». Sie besagt, dass die sieben Abkommen (siehe Abbildung 1) nicht einzeln gekündigt werden können. Wird ein Abkommen aufgegeben, treten sechs Monate später automatisch alle anderen auch ausser Kraft. Mit anderen Worten: Nimmt die Schweiz die Kündigungsinitiative an, wird sie den bilateralen Weg beenden.

Das Wegfallen der Bilateralen I hätte auch Auswirkungen auf die Mitgliedschaft der Schweiz in der European Freetrade Association (EFTA). Die Freihandelszone mit Norwegen, Liechtenstein und Island gründet auf der EFTA-Konvention, die wiederum grundsätzlich auf den Bilateralen I aufbaut. Der Bundesrat hält deshalb fest: «Bei einer Kündigung des FZA (Personenfreizügigkeitsabkommen) ist eine unveränderte Weiterführung der EFTA-Konvention nicht möglich.»

 

Abbildung 1

Wortlaut des Initiativtextes

Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:

Art. 121b Zuwanderung ohne Personenfreizügigkeit

1 Die Schweiz regelt die Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern eigenständig.
2 Es dürfen keine neuen völkerrechtlichen Verträge abgeschlossen und keine anderen neuen völkerrechtlichen Verpflichtungen eingegangen werden, welche ausländischen Staatsangehörigen eine Personenfreizügigkeit gewähren.
3 Bestehende völkerrechtliche Verträge und andere völkerrechtliche Verpflichtungen dürfen nicht im Widerspruch zu den Absätzen 1 und 2 angepasst oder erweitert werden.

Art. 197 Ziff. 12
12. Übergangsbestimmung zu Art. 121b (Zuwanderung ohne Personenfreizügigkeit)

1 Auf dem Verhandlungsweg ist anzustreben, dass das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit innerhalb von zwölf Monaten nach Annahme von Artikel 121b durch Volk und Stände ausser Kraft ist.
2 Gelingt dies nicht, so kündigt der Bundesrat das Abkommen nach Absatz 1 innert weiteren 30 Tagen.