Asylgesetzrevision: für ein zukunftsfähiges und faires Asylwesen
- Einleitung Das Wichtigste in Kürze | Position economiesuisse
- Kapitel 1 Eine breit abgestützte Revision
- Kapitel 2 Ein zukunftsfähiges Asylsystem für die Schweiz
- Kapitel 3 Vorteile für alle dank Neustrukturierung
- Kapitel 4 Ein wichtiger Mosaikstein bei der Umsetzung der MEI
- Kapitel 5 Fazit: Konstruktive Lösungen anstatt weitere Blockade
Vorteile für alle dank Neustrukturierung
Effizienter und klar definierter Ablauf ermöglicht rasche Entscheide
Die Abwicklung der Gesuche erfolgt in vier Schritten. In der Vorbereitungsphase werden die notwendigen Abklärungen getroffen, damit die kurzen Fristen für die Behandlung der Gesuche eingehalten werden können. Sie dauert maximal 21 Tage (Ausnahme Dublin-Verfahren mit nur zehn Tagen) und beginnt sofort nach Eintritt in ein Zentrum des Bundes. Der Asylsuchende ist während dieser Zeit in einem solchen untergebracht. Wichtig ist innerhalb dieser ersten Tage auch die medizinische Versorgung und umgehende Abklärungen durch professionelles Personal. Während der Vorbereitungsphase kann bereits eine erste Kategorisierung nach den drei festgelegten Verfahrenstypen gemacht werden.
Dublin-Verfahren, beschleunigtes und erweitertes Verfahren im Vergleich
Beschleunigtes Verfahren: Asylgesuche, bei denen rasch klar ist, dass für einen Entscheid (positiv oder negativ) keine weiteren Abklärungen nötig sind, werden in einem beschleunigten Verfahren abgehandelt (rund 20 Prozent aller Gesuche). Innerhalb des beschleunigten Verfahrens erfolgt grundsätzlich keine Zuweisung an die Kantone, sie werden vollumfänglich in den Bundeszentren abgewickelt. Die Asylgesuche sollen innerhalb von 100 Tagen rechtskräftig entschieden werden, bei einem negativen Entscheid muss ebenfalls die Wegweisung innerhalb dieser Frist vollzogen werden. Personen, die einen positiven Entscheid erhalten, werden auf die Kantone verteilt und dort so rasch wie möglich integriert. Gesuche, bei denen ein rechtskräftiger Entscheid binnen der festgelegten 100 Tage nicht möglich ist, werden in das sogenannte erweiterte Verfahren überführt.
Erweitertes Verfahren: Das erweiterte Verfahren (rund 40 Prozent aller Gesuche) kommt vor allem dann zur Anwendung, wenn nach der Anhörung oder im Rahmen des Beschwerdeverfahrens weitere Abklärungen notwendig werden, der Entscheid also nicht sofort gefällt werden kann. In diesem Fall werden die Asylsuchenden für die Dauer des Verfahrens und des Wegweisungsvollzugs den Kantonen zugewiesen. Innert Jahresfrist soll der Entscheid gefällt und eine allfällige Wegweisung vollzogen sein.
Dublin-Verfahren: Asylsuchende, die über ein Land in die Schweiz kommen, das ebenfalls dem Dublin-Abkommen angehört (rund 40 Prozent der Gesuche), verbleiben bis zum Entscheid im Bundeszentrum und werden nicht auf die Kantone verteilt. Die Frist für den Entscheid ist bei dieser Kategorie kurz, weil die Rückweisung in das Erstland gemäss Dublin-Abkommen bereits feststeht. Kann ein Dublin-Verfahren nicht ordnungsgemäss durchgesetzt werden, dann wird das Gesuch je nach Situation im beschleunigten Verfahren oder im erweiterten Verfahren abgewickelt.
Ist die Vorbereitungsphase abgeschlossen, beginnt mit dem sogenannten erstinstanzlichen Verfahren die eigentliche Abwicklung des Prozesses. Im beschleunigten Verfahren ist der Ablauf detailliert und verbindlich festgelegt und muss eingehalten werden – die Fristen sind hier sehr eng. Stellt sich im Rahmen der Anhörung zu den Asylgründen heraus, dass weitere Abklärungen notwendig sind und deshalb das beschleunigte Verfahren nicht durchgeführt werden kann, so tritt der Asylsuchende in das erweiterte Verfahren über. In diesem Fall erfolgt eine Zuweisung in den entsprechenden Kanton, der für die weiteren Schritte zuständig ist. Nachdem dort ein Entscheid gefällt ist, beginnt unmittelbar die gesetzlich vorgesehene Beschwerdefrist von sieben Tagen.
Legt der Asylsuchende einen Rekurs ein, so läuft das Beschwerdeverfahren an. Nach Eingang der Beschwerde gegen einen materiellen Asylentscheid befindet das Bundesverwaltungsgericht im beschleunigten Verfahren innerhalb von 20 Tagen. Bei Nichteintretensentscheiden (insbesondere Dublin-Verfahren) beträgt die Beschwerdefrist im beschleunigten Verfahren und im erweiterten Verfahren sogar nur sieben Tage. Während der gesamten Zeit des Beschwerdeverfahrens erfolgt eine intensive Rückkehrberatung.
Als letzter Schritt wird der Asylsuchende entweder zur Integration einem Kanton zugewiesen (wenn er nicht schon dort ist, weil er das erweiterte Verfahren durchlaufen hat), oder es erfolgt der Vollzug der Wegweisung. Für diesen ist im beschleunigten Verfahren und im Dublin-Verfahren der Standortkanton des Zentrums des Bundes zuständig. Asylgesuche im erweiterten Verfahren werden einem Kanton zugewiesen, der wie bisher auch für den Vollzug der Wegweisungen zuständig ist.
Grafik 2
Mit dem beschleunigten und erweiterten Verfahren erfahren Asylsuchende schneller, ob sie in der Schweiz bleiben können oder weggewiesen werden.
Behandlung eines Asylgesuches
Kosten können gesenkt werden
Die Umsetzung der vorgeschlagenen Neustrukturierung im Asylbereich soll mittel- bis langfristig zu Einsparungen führen. In einer ersten Phase fallen jedoch Anlaufkosten an, um die Infrastruktur und die personelle Situation auf die Neustrukturierung anzupassen: Die Unterbringungskapazitäten des Bundes werden auf 24’000 Gesuche pro Jahr ausgerichtet, dazu sind gewisse Investitionen notwendig. Weiter erfordert die straffe Taktung des Verfahrens mehr Personal als heute, dies im Umfang von zusätzlich rund 250 Stellen. Ein weiterer Faktor sind die Mehrkosten für den vorgeschlagenen Rechtsschutz. Aufwände für medizinische Versorgung, Bildungsmassnahmen für schulpflichtige Kinder und Kosten für Dolmetscher und spezifische Abklärungen kommen hinzu.
Den erhöhten Kosten insbesondere in der Anfangsphase stehen jedoch mittel- bis langfristig folgende Einsparungen gegenüber:
- Durch die Neustrukturierung können die Verfahren gestrafft und unnötige Verzögerungen vermieden werden.
- Durch die geringere Anzahl Asylsuchende, die den Kantonen zugeteilt werden, und die Verkürzungen des Aufenthalts der Betroffenen in den Kantonen auch im erweiterten Verfahren werden die Aufwendungen bei den Sozialhilfe- und Betreuungskosten sinken.
- Rasche Verfahren werden dazu führen, dass weniger Personen wegen Unzumutbarkeit des Vollzugs der Wegweisung vorläufig aufgenommen werden. Das bedeutet auch hier tiefere Sozialhilfekosten.
- Längerfristig wird die Beschleunigung der Verfahren erfahrungsgemäss zu einer Abnahme der unbegründeten Gesuche führen.
Die Revision bringt somit unter dem Strich kostenmässig sowohl für den Bund wie auch für die Kantone und Gemeinden (v.a. weniger Sozialhilfekosten) Vorteile und ist deshalb auch aus finanzpolitischer Sicht sinnvoll. Gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen in der Asylpolitik, die sich so rasch wohl nicht verändern werden.
Grafik 3
Die Gesamtkosten können trotz zusätzlichen Personal- und Betriebskosten um 110 Millionen Franken pro Jahr gesenkt werden.
Jährliche Einsparungen
Gefahr von Artikel 121a (Masseneinwanderungsinitiative) für die Asylpolitik
Der Artikel 121a in der Bundesverfassung, der zur Umsetzung ansteht, will die Einwanderung mit Höchstzahlen und Kontingenten steuern. Sollte die Umsetzung von Artikel 121a zu einer Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens (PFZA) mit der EU führen, könnte diese auch andere Abkommen mit der Schweiz kündigen, zu denen sie eine Verbindung mit dem PFZA sieht. Betroffen wären die Abkommen Schengen und Dublin. Diese sind zwar formell nicht mit dem PFZA verknüpft, das Schengen-Abkommen ergänzt aber das PFZA, indem es den Reiseverkehr im gesamten Schengen-Raum erleichtert. Und weil das Dublin-Abkommen mit dem Schengen-Abkommen verknüpft ist, würde folglich auch dieses wegfallen. Sollte das passieren, hätte das für die Schweiz schwerwiegende Folgen, denn innerhalb des Dublin-Abkommens werden die Zuständigkeiten für die Behandlung der Asylgesuche europaweit geregelt. Das Abkommen ist aufgrund der aktuellen Flüchtlingskrise stark unter Druck (wie auch der Vertrag über Schengen). Ein Wegfall würde die hiesige Asylpolitik vor zusätzliche Herausforderungen stellen. Die Schweiz könnte sich dann nicht mehr auf die Dublin-Zuständigkeiten berufen und würde als Zielland noch attraktiver – wie bereits in den 1990er-Jahren. Vor diesem aktuellen Hintergrund ist die Revision mit der Beschleunigung und Neustrukturierung der Asylverfahren umso wichtiger.