Bilaterale III: Den Schweizer Weg weitergehen
- Einleitung Das Wichtigste in Kürze | Position economiesuisse
- Kapitel 1 Wichtiges Etappenziel bei den Bilateralen III ist erreicht
- Kapitel 2 Warum diskutieren wir heute über die Bilateralen III?
- Kapitel 3 Paket Bilaterale III – Was ist drin und wie ist der Inhalt zu bewerten?
- Kapitel 4 Fazit: Die Vorteile der Bilateralen III überwiegen klar
Paket Bilaterale III – Was ist drin und wie ist der Inhalt zu bewerten?
Paketansatz Bilaterale III
- Die Schweiz und die EU haben aus den im vorigen Kapitel genannten Gründen ein drittes bilaterales Vertragspaket (Bilaterale III) ausgehandelt, welches neben der Aktualisierung der fünf bestehenden auch den Abschluss von zwei neuen Binnenmarktabkommen sowie verschiedene Kooperationen umfasst.
- Dabei geht es um die Bereiche Strom, Lebensmittelsicherheit, Forschung, Bildung und Gesundheitssicherheit. Zudem nahm der Bundesrat den Dialog zur Finanzmarktregulierung mit der EU wieder auf.
- In der nachfolgenden Übersichtsgrafik werden sämtliche Elemente des Vertragspakets der Bilateralen III dargestellt.

- Die institutionellen Fragen (Streitbeilegung, dynamische Rechtsentwicklung und Ausnahmen davon) wurden nicht in einem grossen Rahmenvertrag (horizontaler Ansatz), sondern in den Binnenmarktabkommen (ausgenommen Landwirtschaft) einzeln geregelt (vertikaler, sektorieller Ansatz).
- Mit dem Vertragspaket der Bilateralen III werden keine neuen Verlinkungen unter den Binnenmarktabkommen geschaffen (keine «Super-Guillotine»). Nur die Bilateralen l bleiben wie bisher miteinander verbunden.
economiesuisse begrüsst, dass das neue Binnenmarktabkommen in den Bereichen Strom und Lebensmittelsicherheit sowie Kooperationen in den Bereichen Forschung, Bildung und Gesundheitssicherheit abgeschlossen werden konnten. Die Aktualisierung der bestehenden Binnenmarktabkommen und insbesondere des Abkommens über den Abbau technischer Handelshemmnisse (MRA) ist für die Schweizer Unternehmen von grosser Bedeutung.
Neues Binnenmarktabkommen Strom
- Mit der Weiterentwicklung des EU-Strommarktes verschärfen sich die regulatorischen Unterschiede zwischen der Schweiz und ihren Nachbarn zunehmend (siehe Blog Avenir Suisse).
- Dank dem Stromabkommen können Schweizer Akteure künftig gleichberechtigt und hindernisfrei am europäischen Strombinnenmarkt, bei EU-Handelsplattformen, Agenturen und Gremien teilnehmen.
- Somit sinkt das Stromimportrisiko insbesondere im Winter erheblich. Dieses Risiko hatte sich aufgrund neuer Regelungen in der EU verstärkt, die ab Ende 2025 vorsehen, dass 70 Prozent der Netzkapazitäten für den Stromhandel im Binnenmarkt reserviert sein müssen (siehe Studie BFE).
- Mit einem Stromabkommen dürfen Nachbarstaaten Grenzkapazitäten in die Schweiz explizit nicht einschränken, auch im Fall einer Energiekrise nicht.
- Das Abkommen enthält eine Klausel, wonach die Schweiz und die EU eine weitere Vertiefung der Kooperation im Energiesektor, insbesondere für Wasserstoff und erneuerbare Gase, prüfen werden.

economiesuisse begrüsst den Abschluss eines Stromabkommens mit der EU und sieht dieses als wichtiges Element für die Verbesserung der Netzstabilität, die Stärkung der Versorgungssicherheit sowie die Schaffung von neuen Handelsopportunitäten, z.B. im Bereich der Wasserkraft. Laut einer ETH-Studie im Auftrag von economiesuisse wird die Schweiz dank dem Stromabkommen bis 2050 Systemkosten in der Höhe von etwa 50 Milliarden Franken einsparen. Das sind 2 Milliarden Franken pro Jahr. Weitere Infos zu den Vorteilen des Stromabkommens finden Sie in unserem Blog vom November 2024
Mit dem Stromabkommen führt die Schweiz ein Wahlmodell ein
Heute sind wir (anders als bei einem Handy- oder Krankenkassenvertrag) bei einem Stromanbieter gefangen. Wir haben keine freie Wahl. Mit dem Abschluss eines Stromabkommens wird in der Schweiz neu ein Wahlmodell eingeführt. Mit diesem haben Haushalte und Unternehmen unter einer gewissen Verbrauchsschwelle künftig die Wahl, ob sie im System der Grundversorgung (in dem sie den Strom wie bisher bei ihrem lokalen Netzbetreiber zu vordefinierten Preisen beziehen) verbleiben oder ihren Strom neu am freien Markt einkaufen möchten. Zudem wird es (unter Berücksichtigung von Fristen und allenfalls unterjährigen Wechselgebühren) auch möglich sein, in die Grundversorgung mit regulierten Preisen zurückzukehren.
Zahlreiche Ausnahmen schützen die Interessen der Schweiz im Strombereich
- Schweizer Stromversorger und Verteilnetzbetreiber können in der öffentlichen Hand und öffentlichen Verwaltung integriert bleiben.
- Der Bau von notwendigen Reservekraftwerken ist bei Bedarf auch in Zukunft möglich, damit allfälligen Strommangellagen vorgebeugt werden kann.
- Die wichtigsten Schweizer Fördermassnahmen für erneuerbare Energien wurden in den Verhandlungen abgesichert.
- Das Stromabkommen enthält keine Vorgaben zum Wasserzins oder zur Vergabe von Konzessionen für Wasserkraftwerke. Es hält fest, dass die Schweiz über die Bedingungen zur Nutzung der Wasserkraft selbst entscheiden und die Wasserkraft sich in öffentlicher Hand befinden kann.
- Das Stromabkommen ist nicht auf den Verbrauch von Strom und Energie (Heizen, Effizienzmassnahmen bei Gebäuden usw.) anwendbar.
- Weitere Ausnahmen gemäss Faktenblatt des Bundes.
Neues Binnenmarktabkommen Lebensmittelsicherheit Aktualisierung Landwirtschaftsabkommen (per Zusatzprotokoll)
- Das neue Binnenmarktabkommen Lebensmittelsicherheit verbessert den Marktzugang durch einen umfassenden Abbau technischer Handelshemmnisse und stärkt den Konsumentenschutz in der Schweiz.
- Die in der Schweiz geltenden Standards, z.B. im Tierschutz oder im Bereich gentechnisch veränderter Organismen (GVO), wurden mithilfe von Ausnahmen abgesichert. Die Pflicht zur Angabe des Herkunftslandes bei Lebensmitteln, die in der Schweiz vertrieben werden, bleibt bestehen.
- Die Schweiz bleibt in der Ausgestaltung ihrer Agrarpolitik eigenständig (z.B. Grenzschutz oder Direktzahlungen).
- Das Abkommen betrifft weder die Klima-, Umwelt-, Landschafts- oder Ernährungspolitik, noch umfasst es die Besteuerung von Agrarprodukten.
economiesuisse begrüsst den Abschluss des neuen Binnenmarktabkommens Lebensmittelsicherheit. Dank der Mitgliedschaft der Schweiz in der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und beim Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel (RASFF) kann die Schweizer Bevölkerung künftig noch besser und schneller vor Täuschungen und gefährlichen Lebensmitteln geschützt werden.
Zahlreiche Konzessionen für die Schweiz im Landwirtschaftsbereich
- Der neu geschaffene gemeinsame Lebensmittelsicherheitsraum umfasst die im Landwirtschaftsabkommen bestehenden Bereiche Pflanzengesundheit, Futtermittel und Saatgut sowie den Handel mit Tieren und tierischen Erzeugnissen einschliesslich Lebensmittel tierischer Herkunft (gemeinsamer Veterinärraum). Neu wird darin auch der Handel mit nicht tierischen Lebensmitteln und die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln geregelt.
- Die bestehenden Anhänge des Abkommens, die nicht Teil des gemeinsamen Lebensmittelsicherheitsraums sind, werden weiter funktionieren wie bisher und unterstehen nicht der dynamischen Rechtsübernahme.
- Bei Streitfällen in diesen Anhängen ist ein paritätisches Schiedsgericht vorgesehen, aber ohne Einbezug des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
- Dazu kommt, dass allfällige Ausgleichsmassnahmen in diesen Anhängen nur im Falle einer Verletzung des Landwirtschaftsabkommens (inklusive Lebensmittelsicherheit) möglich sind, nicht jedoch im Falle einer Verletzung eines anderen Binnenmarktabkommens.
Kooperation in der Forschung: Teilnahme der Schweiz an Horizon Europe
- Mit den Bilateralen III wird die langfristige Vollassoziierung der Schweiz am EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe sichergestellt. Dabei handelt es sich mit einem gesamteuropäischen Budget von 95,5 Milliarden Euro um das grösste Forschungsförderprogramm der Welt.
- Die Leitung von EU-Forschungsprojekten aus der Schweiz war bis vor Kurzem nicht mehr möglich. Zudem konnten Schweizer Forschende beim European Research Council vorübergehend keine Fördermittel mehr beantragen. Damit fiel für sie ein zentrales Förderinstrument ausser Betracht
Grundsatz-Abkommen ermöglicht Schweiz Teilnahme an allen EU-Programmen
Als Basis für die Vollassoziierung bei Horizon Europe wurde mit der EU ein Grundsatz-Abkommen (specific agreement) ausgehandelt, das die Rahmenbedingungen für die aktuelle und künftige Teilnahme der Schweiz an allen EU-Programmen festhält (also Forschung, Innovation, allgemeine und berufliche Bildung, Jugend, Sport und Kultur). Die Schweiz wird im Einzelfall aber immer selbst entscheiden, ob sie sich an einem konkreten EU-Programm beteiligen will oder nicht. Das Grundsatz-Abkommen wird künftige Verhandlungen über die Teilnahme der Schweiz an EU-Programmen jedoch wesentlich erleichtern und beschleunigen.
Horizon Europe: Vorläufiges Comeback der Schweiz
Seit dem 1. Januar 2025 können Forschungs- und Innovationsakteure in der Schweiz an fast allen Ausschreibungen des Programmjahres 2025 von Horizon Europe und dem Euratom-Programm wieder nahezu uneingeschränkt teilnehmen. Eine Vollassoziierung an Horizon Europe ist langfristig jedoch nur dann gewährleistet, wenn die Schweizer Stimmbevölkerung den Bilateralen III dereinst zustimmt (siehe auch Blog vom Januar 2025).
economiesuisse begrüsst, dass die Forschungsakteure der Schweiz vorübergehend wieder bei Horizon Europe teilnehmen können. Unser Forschungsplatz ist für die Innovationsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft von grösster Bedeutung und hat unter der zwischenzeitlichen Abkoppelung von Horizon Europe gelitten (siehe Artikel zur Umfrage des SBFI von 2022). Forschungskooperationen mit anderen Ländern können die Vollassoziierung bei Horizon Europe bei Weitem nicht ersetzen. Als einer der weltweit führenden Forschungsstandorte ist es für die Schweiz absolut zentral, dass sie erneut in der «Champions League» der Forschung mitspielen darf.
Kooperation in der Bildung: Teilnahme der Schweiz an «Erasmus+»
- Dank den Bilateralen III wird eine erneute Beteiligung der Schweiz am EUBildungsprogramm «Erasmus+» ermöglicht. «Erasmus+» dient der Förderung von allgemeiner und beruflicher Bildung, Jugend und Sport in Europa.
- Für das Programm ist ein Budget von 26,2 Milliarden Euro vorgesehen, was fast eine Verdoppelung gegenüber dem Vorläuferprogramm darstellt.
- Der Bundesrat hat nach seiner Standortbestimmung im November 2024 bekanntgegeben, dass er eine Assoziierung am Programm per 2027 anstrebt.
economiesuisse erachtet die Vollassoziierung der Schweiz an «Erasmus+» als sinnvoll, so lange diese finanziell tragbar und das Kosten-Nutzen-Verhältnis positiv ist. Die Schweiz ist auf ein exzellentes Bildungssystem angewiesen, um hochstehende Forschung zu betreiben und Innovationen zu fördern. Die Förderung der internationalen Mobilität ist dabei ein wichtiges Element.
Neues Kooperationsabkommen Gesundheit
Das neue Kooperationsabkommen deckt die nachfolgenden Bereiche ab:
- die Zusammenarbeit mit dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC);
- die Teilnahme am Frühwarn- und Reaktionssystem (EWRS) der EU;
- der Einbezug der Schweiz in das neue EU-weite Dispositiv bei grenzüberschreitenden Gesundheitsbedrohungen;
- die partielle Beteiligung am mehrjährigen EU-Gesundheitsprogramm EU4Health (nur im Bereich «Krisenvorsorge»).
Die Zusammenarbeit kann auf weitere Bereiche der Gesundheit ausgeweitet werden, wenn beide Parteien dies explizit wünschen. Tabak, Arzneimittel und die grenzüberschreitende Patientenmobilität sind keine Bestandteile des neuen Kooperationsabkommens.
economiesuisse begrüsst den Abschluss des Kooperationsabkommens Gesundheitssicherheit. Mit dem neuen Abkommen wird der Schutz der Schweizer Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren verbessert.
Flankierende Massnahmen (FlaM) und Lohnschutz
- Zum Schutz der Erwerbstätigen vor missbräuchlichen Unterschreitungen der Schweizer Lohn- und Arbeitsbedingungen wurden im Jahr 2004 sogenannte flankierende Massnahmen (FlaM) eingeführt.
- Mit der Aktualisierung des Freizügigkeitsabkommens anerkennt die EU erstmals offiziell die Notwendigkeit eines Lohnschutzes in der Schweiz sowie der dafür notwendigen FlaM.
- So wird das bestehende duale Kontrollsystem inklusive Überwachungs- und Sanktionierungskompetenzen der paritätischen Kommissionen (Gewerkschaften und Arbeitgeber) und Kantone von der EU akzeptiert.
Zudem hat die EU der Schweiz unter anderem die nachfolgenden Ausnahmen vom Entsenderecht zugestanden:
- eine Nicht-Regressions-Klausel (sollte die EU den Lohnschutz im Entsenderecht reduzieren, müsste die Schweiz diese Regeln nicht dynamisch übernehmen),
- eine Voranmeldefrist (für ausländische Firmen, die in der Schweiz Dienstleistungen erbringen wollen) von vier Arbeitstagen aufgrund einer objektiven und branchenspezifischen Risikoanalyse,
- die Kautionspflicht für Unternehmen, die in der Vergangenheit den finanziellen Verpflichtungen nicht nachgekommen sind und
- eine Dokumentationspflicht für selbstständige Dienstleistungserbringer als Massnahme zur Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit.
Wichtig sind dabei auch die folgenden Punkte:
- Die Kontrolldichte wird auch künftig autonom durch die Schweiz bestimmt.
- Bei Nichtleistung der Kaution kann eine Sanktion bis hin zu einer Dienstleistungssperre verhängt werden.
- Die bestehende Meldepflicht wird auf selbstständig Erwerbstätige ausgedehnt.
- In den Verhandlungen sicherte die Schweiz ihre Rolle als Beobachterin bei der Europäischen Arbeitsbehörde (ELA) ab.
economiesuisse unterstützt die Bekämpfung von Lohndumping. Mit der Nicht-Regressions-Klausel wurde eine der Hauptforderungen der Gewerkschaften erfüllt. Das heutige Lohnschutzniveau bleibt auch künftig erhalten.
Der flexible Arbeitsmarkt darf nicht geschwächt werden
economiesuisse unterstützt zusätzliche inländische Massnahmen zur Sicherung des heutigen Lohnschutzniveaus. Eine Vereinfachung der Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (GAV), eine Verschärfung des Kündigungsschutzes, die flächendeckende Einführung von Mindestlöhnen oder sonstige sachfremde Anliegen, die über den Erhalt des heutigen Schutzniveaus hinausgehen, werden jedoch klar abgelehnt. Der flexible Arbeitsmarkt ist ein wichtiger Erfolgsfaktor der Schweiz, der nicht geschwächt werden darf.
Entsandte Arbeitnehmende machen nur 0,2 Prozent der Gesamtbeschäftigung aus
Die volkswirtschaftliche Bedeutung der FlaM muss korrekt eingeordnet werden. Gemäss Berechnungen von Avenir Suisse aus dem Jahr 2022 leisten entsandte Arbeitnehmende in der Schweiz ein Arbeitsvolumen, welches gerade einmal 0,2 Prozent der Gesamtbeschäftigung entspricht. Deshalb ist mit der Übernahme des EU-Entsenderechts und dank den FLaM auch künftig nicht mit systematisch negativen Auswirkungen auf das Lohnniveau in der Schweiz zu rechnen.
Dynamische Rechtsübernahme
- Die Schweiz wird über jede einzelne Übernahme von EU-Binnenmarktrecht innerhalb der Binnenmarktabkommen selbstständig entscheiden können.
- Für die dynamische Rechtsübernahme hat die Schweiz jeweils zwei Jahre Zeit. Dabei werden die direktdemokratischen Entscheidungsprozesse der Schweiz vollumfänglich gewahrt. Sollte es zu einem Gesetzesreferendum kommen, wird der Schweiz ein zusätzliches Jahr zur Umsetzung zugesichert.
- Es ist vorgesehen, dass die Schweiz bei der Entwicklung des für sie relevanten Rechts künftig wie die EU-Mitgliedstaaten systematisch konsultiert wird und ihre Anliegen im Rahmen des «decision shaping» aktiv einbringen kann.
- Im November 2024 hat der Bundesrat im Rahmen seiner Standortbestimmung kommuniziert, dass die Schweiz als Teil des Vertragspakets der Bilateralen III lediglich 150 EU-Rechtsakte mit Gesetzescharakter übernehmen muss.
Ein Binnenmarkt funktioniert nur, wenn für alle Teilnehmer die gleichen Regeln gelten. Waschmaschinen müssen z.B. im ganzen Binnenmarkt die gleichen Sicherheitsstandards erfüllen. Einmal zugelassen, können sie dann überall im europäischen Binnenmarkt verkauft und verwendet werden. Davon profitiert auch die Schweiz. Die dynamische Rechtsübernahme schafft gemeinsam mit der Einführung des Streitschlichtungsmechanismus verlässliche Rahmenbedingungen und dadurch mehr Rechtssicherheit für Schweizer Unternehmen.
Dynamische Rechtsübernahme gilt künftig nur für sechs von 140 Abkommen
Die Anwendbarkeit der dynamischen Rechtsübernahme im Rahmen der Bilateralen III ist stark limitiert. Sie gilt nicht flächendeckend, sondern ist auf vier bestehende (ohne Landwirtschaft) und die zwei neuen Binnenmarktabkommen beschränkt. Kommt hinzu, dass die Schweiz mit der EU zahlreiche Ausnahmen aushandeln konnte, die allesamt von der dynamischen Rechtsübernahme ausgenommen sind (eine Übersicht mit sämtlichen Ausnahmen wird im Anhang aufgeführt).
Dynamische Rechtsübernahme nur bei klarem Bezug zu Binnenmarktabkommen
Da die Schweiz nur sektoriell am europäischen Binnenmarkt teilnimmt, geht es im Rahmen der dynamischen Rechtsübernahme nicht darum, ob eine neue EU-Regelung allgemein binnenmarktrelevant ist. Entscheidend ist, ob sie in den Anwendungsbereich eines konkreten Binnenmarktabkommens zwischen der Schweiz und der EU fällt. Entgegen der Behauptung der Gegner der Bilateralen III, müssen deshalb zahlreiche EU-Regulierungen nicht übernommen werden. Dazu gehören z.B. das Lieferkettengesetz (CSDDD), die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), die Entwaldungsverordnung (EUDR), der CO2 -Grenzausgleichsmechanismus (CBAM), die Verordnung über künstliche Intelligenz (AI Act) oder das Gesetz über digitale Dienste (DSA). Der Grund dafür ist simpel: Es bestehen schlicht keine bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU in diesen Bereichen.
Die dynamische Rechtsübernahme ist keine Gefahr für die direkte Demokratie
Die Pflicht zur dynamischen Rechtsübernahme ist bereits heute im Luftverkehrsabkommen (Bilaterale I) sowie im Schengen/Dublin-Abkommen (Bilaterale II) verankert und hat seit deren Inkrafttreten 2002 bzw. 2008 zu keinerlei Problemen geführt. So konnte sich die Schweizer Stimmbevölkerung im Mai 2019 z.B. infolge eines Referendums in einer Volksabstimmung über die Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie im Schweizer Waffenrecht äussern.
Streitschlichtung
Im Paketansatz ist ein Streitschlichtungsmechanismus vorgesehen, welcher bei Uneinigkeiten zwischen der Schweiz und der EU bei der Umsetzung eines Binnenmarktabkommens zur Anwendung kommen wird. Dieser Mechanismus wird in der nachfolgenden Grafik im Detail dargestellt:

- Das für die Streitbeilegung zuständige Schiedsgericht ist paritätisch (gleichmässig) zusammengesetzt, z.B. mit je einem von der Schweiz und der EU ernannten Richter sowie einem unabhängigen Präsidium.
- Dies entspricht gängigen völkerrechtlichen Prinzipien: Die Schweiz hat in vielen ihrer Abkommen solche paritätischen Schiedsverfahren abgeschlossen.
- Bevor das paritätische Schiedsgericht angerufen wird, versuchen die Schweiz und die EU bei einem Streitfall zunächst im Rahmen des Gemischten Ausschusses (GA), eine politische Lösung zu finden.
- Das paritätische Schiedsgericht wird den EuGH nur beiziehen, wenn es um die Auslegung von EU-Recht geht, und auch dies nur, wenn die Auslegung für die Streitbeilegung notwendig und relevant ist.
Mit dem Streitschlichtungsmechanismus verbessert sich die Position der Schweiz gegenüber heute. Sie erhält damit ein Instrument, um ihre Interessen im Verhältnis zur EU auf dem Rechtsweg wirksam durchzusetzen. Bis vor Kurzem hat die EU-Kommission z.B. die Aufdatierung des Abkommens über technische Handelshemmnisse (MRA) verweigert, ohne dass sich die Schweiz vor einem paritätischen Schiedsgericht dagegen wehren konnte. Dank der Klärung der institutionellen Fragen wird dies in Zukunft nicht mehr möglich sein. Die Schweiz kann in solchen Fällen künftig das paritätische Schiedsgericht anrufen und nach einem positiven Schiedsentscheid verhältnismässige Ausgleichsmassnahmen gegenüber der EU ergreifen.
Die Schweiz bleibt auch in Zukunft eigenständig
Die Schweiz wird auch in Zukunft nicht von «fremden Richtern» gelenkt. Es sind drei Arten von Rechtsfällen zu unterscheiden:
- Entsteht ein Rechtsstreit in der Schweiz, ist ein Schweizer Gericht zuständig.
- Entsteht ein Rechtsstreit in einem EU-Land, etwa Deutschland, ist ein deutsches Gericht und allenfalls der Europäische Gerichtshof EuGH zuständig.
- Gibt es Differenzen zwischen der EU-Kommission und dem Bundesrat über die Auslegung von Regeln, z.B. im Landverkehr oder bei der Personenfreizügigkeit, dann kommt ein paritätisches Schiedsgericht zum Zug.
Das paritätische Schiedsgericht entscheidet künftig, welches Recht bei einem Streitfall zur Anwendung kommt – Schweizer Recht, Vertragsrecht oder EU-Binnenmarktrecht. Hat die Schweiz das EU-Binnenmarktrecht vertraglich übernommen, z.B. im Medtech-Bereich, entscheidet der EuGH ausschliesslich über die Frage der Auslegung des EU-Binnenmarktrechts. Haben sich die Schweiz und die EU auf spezielle Regeln verständigt, z.B. beim Lohnschutz, gilt dieses Recht.
Ausgleichsmassnahmen müssen in jedem Fall verhältnismässig sein
Im Falle der Feststellung einer Verletzung durch das paritätische Schiedsgericht können im durch die Verletzung betroffenen Abkommen oder in einem anderen Binnenmarktabkommen verhältnismässige Ausgleichsmassnahmen ergriffen werden. Diese dienen dazu, das Gleichgewicht zwischen den Vertragsparteien wiederherzustellen. Ausgleichsmassnahmen können im Maximum bis zur Suspendierung von Abkommen gehen – eine Kündigung ist ausgeschlossen. Eine Suspendierung ganzer Abkommen durch die EU dürfte jedoch kaum verhältnismässig sein, sollte die Schweiz einzelne Rechtsentwicklungen nicht übernehmen wollen. Die Prüfung der Verhältnismässigkeit der Ausgleichsmassnahmen erfolgt durch das paritätische Schiedsgericht.
Staatliche Beihilfen und Wettbewerbsregeln
- Die Aufnahme von EU-Regeln für staatliche Beihilfen ist auf die bestehenden Binnenmarktabkommen Luft- und Landverkehr sowie das neue Binnenmarktabkommen Strom beschränkt.
- Damit werden für Schweizer und EU-Akteure im Binnenmarkt gleiche Bedingungen geschaffen und Wettbewerbsverzerrungen durch staatliche Eingriffe vermieden («level playing field»).
- Alle übrigen bilateralen Abkommen sind von der Übernahme des EU-Beihilferechts ausgenommen. Die Förderung wirtschaftlich benachteiligter Regionen oder die Realisierung von wichtigen Projekten im Landesinteresse in der Schweiz werden wie bisher weiterhin möglich sein.
economiesuisse begrüsst, dass das EU-Beihilferecht künftig nur in den drei genannten Binnenmarktabkommen Anwendung finden wird. Zudem ist es wichtig, dass die Schweiz die Überwachung staatlicher Beihilfen selbst vornehmen darf (sogenanntes Zwei-Pfeiler-Modell). Aus Sicht der Wirtschaft ist eine erhöhte Transparenz der Subventionen und Beihilfen in der Schweiz generell wünschenswert.
Unabhängigkeit der Überwachung staatlicher Beihilfen bleibt gewährleistet
Die Einhaltung der staatlichen Beihilferegeln wird durch eine eigenständige, unabhängige Überwachungsinstanz mit gleichwertigem Vorgehen sichergestellt werden. Im Falle der EU ist dies die EU-Kommission. In der Schweiz wird die Wettbewerbskommission WEKO diese Aufgabe übernehmen. Diese kann über die Rückerstattung unrechtmässiger staatlicher finanzieller Beihilfen an Unternehmen entscheiden oder eine Genehmigung für geplante Beihilfen erteilen.
Aktualisierung Landverkehrsabkommen
- Im Rahmen des bestehenden Landverkehrsabkommens wird die Schweiz (wie im Vertrag ursprünglich vorgesehen) den internationalen Schienenpersonenverkehr für europäische Konkurrenten öffnen.
- Ausländische Anbieter müssen jedoch zwingend den Schweizer Taktfahrplan berücksichtigen, die Tarifintegration mit Halbtax und GA respektieren und die Schweizer Arbeitsbedingungen auf Schweizer Streckenabschnitten einhalten.
- Der Service public innerhalb der Schweiz ist nicht betroffen. Eine Liberalisierung des nationalen Verkehrs steht nicht zur Debatte. Der inländische öffentliche Verkehr ist von den EU-Beihilferegeln ausgenommen.
- Das heute geltende Kooperationsmodell (europäischer Anbieter + SBB) sowie die Zuständigkeit der Schweiz für die Zuweisung von Zugtrassen auf ihrem eigenen Territorium konnten in den Verhandlungen abgesichert werden.
- Die Zusammenarbeit mit der Eisenbahnagentur der EU (ERA) wird vertieft, ohne dass die ERA für den Bahnverkehr in der Schweiz zuständig sein wird.
economiesuisse begrüsst die kontrollierte Öffnung des grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehrs. Für Schweizer Bahnreisende ist ein Ausbau des Angebots internationaler Zugverbindungen zu erwarten, was die klimaschonende Mobilität fördert. Weitere Infos zu den Vorteilen eines offenen internationalen Schienenpersonenverkehrs finden Sie in unserem Blog vom Januar 2025.
Wichtige Ausnahmen beim grenzüberschreitenden Strassenverkehr gesichert
- In der Schweiz sind weiterhin höchstens 40-Tonnen-Lastwagen zulässig.
- Im gewerblichen Strassenverkehr dürfen im Ausland angemeldete Fahrzeuge weiterhin nur grenzüberschreitende Transporte von Personen und Gütern anbieten und nicht solche mit Start und Ziel in der Schweiz (Kabotageverbot).
- Das Nacht- und Sonntagsfahrverbot für Lastwagen bleibt.
- Die Zielsetzung der Alpeninitiative wird gestützt (kein Ausbau der Strassenkapazitäten durch die Alpen).
- Die EU akzeptiert die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) mit definierten höchstmöglichen Abgabesätzen
Aktualisierung Luftverkehrsabkommen
- Schweizer Fluggesellschaften erhalten durch den Austausch der Kabotagerechte (8. und 9. Freiheit) neu das Recht, Inlandflüge innerhalb von EU-Staaten anzubieten. Im Gegenzug dürfen EU-Fluggesellschaften in Zukunft Inlandflüge in der Schweiz anbieten.
- Schweizer Akteure bekommen neu die Möglichkeit, am Forschungsprogramm SESAR 3 teilzunehmen. Das Forschungsprogramm verfolgt die Modernisierung der europäischen Flugsicherung sowie die Förderung und Marktintegration von neuen, richtungsweisenden Technologien.
economiesuisse begrüsst die Aktualisierung des Luftverkehrsabkommens. Die Schweiz braucht konkurrenzfähige Flugunternehmen, die sie mit Europa und der ganzen Welt verbinden.
Aktualisierung Abkommen zum Abbau technischer Handelshemmnisse (MRA)
- Die Bilateralen III sichern eine regelmässige Aktualisierung des MRA, wobei der Grundgedanke des Abkommens unverändert bleibt. Die im MRA vorgesehenen Ausnahmen im Bereich der Fertigpackungen bleiben erhalten.
- Neu wird sich die Schweiz an der Marktüberwachung der EU beteiligen können, sprich an Massnahmen zur Gewährleistung der Produktsicherheit und -qualität.
- Die Schweiz und die EU werden bis zum Inkrafttreten der Bilateralen III eng zusammenarbeiten, um das ordnungsgemässe Funktionieren des MRA zu gewährleisten.
economiesuisse begrüsst die geplante Aktualisierung des MRA ausdrücklich. Für die Schweizer Industrie ist es äusserst wichtig, dass bereits während der Übergangszeit in gewissen Bereichen technische Anpassungen vorgenommen werden können, um eine erneute Gleichbehandlung von Schweizer Unternehmen am europäischen Binnenmarkt zu ermöglichen. Damit kann die fortlaufende Erosion des bilateralen Wegs im MRA gestoppt werden.
Unionsbürgerrichtlinie (UBRL)
- Seit 2004 regelt die UBRL die Freizügigkeit und den Aufenthalt von EU-Staatsangehörigen. Als Rechtsakt fasst die UBRL die meisten bis heute geltenden Regelungen im Bereich der Personenfreizügigkeit zusammen.
- In den Verhandlungen ist es dem Bundesrat gelungen, die Risiken für das Schweizer Sozialhilfesystem zu minimieren. Die UBRL wird lediglich massgeschneidert auf die Schweiz übernommen und mit einem wirksamen Schutzdispositiv verknüpft, welches Ausnahmen und Absicherungen umfasst.
economiesuisse begrüsst, dass nur diejenigen Teile der UBRL übernommen werden, welche sich auf die arbeitsmarktorientierte Zuwanderung im Rahmen der Personenfreizügigkeit beschränken. Damit wird eine Einwanderung in die Sozialsysteme der Schweiz verhindert und eine effektive Missbrauchsbekämpfung weiterhin ermöglicht.
Es droht keine Einwanderung in die Sozialsysteme der Schweiz
Beim Recht von EU-Staatsangehörigen auf Aufenthalt und beim Anspruch auf Sozialleistungen bis zu fünf Jahren ist die Rechtslage in der EU und der Schweiz bereits heute vergleichbar: Beides ist an einen bestehenden Arbeitsvertrag geknüpft. Zudem räumt die EU der Schweiz mehrere Ausnahmen ein, welche sie vor einer künftigen Änderung des EU-Rechts schützen:
- Das in der UBRL vorgesehene Daueraufenthaltsrecht, welches EU-Staatsangehörigen nach fünfjährigem Aufenthalt zusteht, steht in der Schweiz nur Erwerbstätigen offen.
- Die zusätzlich anwendbaren Integrationskriterien für eine Niederlassungsbewilligung gelten weiterhin (wie z.B. Kenntnisse einer Landessprache, Beachtung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, keine Abhängigkeit von der Sozialhilfe usw.).
- Die Schweiz kann den Aufenthalt von erwerbslosen Personen beenden, wenn diese sich nicht um ihre Erwerbsintegration bemühen und nicht mit der öffentlichen Arbeitsvermittlung (RAV) kooperieren, um eine Stelle zu finden.
Kriminelle EU-Staatsangehörige können auch künftig ausgewiesen werden
Der Schweiz wurde eine Ausnahme gewährt, wonach der in der UBRL geltende, verstärkte Schutz von kriminellen EU-Staatsangehörigen vor Ausweisung nicht gilt. Somit können wir bei unserer bisherigen Ausschaffungspraxis bleiben. Allerdings waren 2023 fast 70 Prozent aller Personen, die einen Landesverweis erhielten, Angehörige aus Staaten ausserhalb des EU-/EFTA-Raums.
Angehörige unserer Nachbarstaaten haben schon heute Daueraufenthaltsrecht
Bereits heute haben Angehörige von 15 EU- und EFTA-Staaten aufgrund des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) und von bilateralen Vereinbarungen einen Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung nach fünf Jahren Aufenthalt in der Schweiz. Mit der Übernahme von Teilen der UBRL wird dieser Anspruch nun auf alle übrigen EU-Mitgliedstaaten ausgedehnt. Die Folgen dieser Ausweitung dürften sich allerdings in Grenzen halten, da Angehörige der Nachbarstaaten mit den grössten Einwanderungskontingenten (Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich) schon heute ein Anrecht auf Daueraufenthalt nach fünf Jahren haben.
Verstetigung des Schweizer Kohäsionsbeitrags
- Das Vertragspaket der Bilateralen III sieht einen regelmässigen Beitrag der Schweiz zur Kohäsion innerhalb Europas vor. Dabei handelt es sich um autonom geleistete Finanzhilfen der Schweiz an bestimmte EU-Länder.
- Die Schweiz beteiligt sich bereits seit 2007 an ausgewählten Projekten zur Verringerung wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheiten in der EU, z.B. im Bereich der Berufsbildung. Zuletzt flossen rund 15 Prozent dieser Gelder in Massnahmen zur besseren Bewältigung von Migrationsbewegungen.
- Für die Übergangsphase von 2025 bis 2029 beläuft sich die finanzielle Verpflichtung der Schweiz wie bis anhin auf jährlich 130 Millionen Franken.
- Für den Zeitraum von 2030 bis 2036 haben der Bundesrat und die EU einen jährlichen Schweizer Kohäsionsbeitrag von 350 Millionen Franken vereinbart.
- Die Gelder fliessen nicht ins Budget der EU. Ihre Verwendung wird direkt mit den Partnerländern festgelegt. Dabei kann die Schweiz eigene thematische Schwerpunkte einbringen, Schweizer Projektpartner einbeziehen und mit den Partnern sicherstellen, dass die Mittel vor Ort zielgerichtet eingesetzt werden.
economiesuisse akzeptiert die Vereinbarung eines rechtsverbindlichen Mechanismus für einen regelmässigen Kohäsionsbeitrag der Schweiz an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten. Dies ist der Preis für die gesicherte Teilnahme am europäischen Binnenmarkt (zum Vergleich: gemäss Berechnungen von economiesuisse im Jahr 2019 beträgt der wirtschaftliche Nutzen der Binnenmarktabkommen je nach Annahme ungefähr 20 bis 30 Milliarden Franken pro Jahr). Verglichen mit dem Nicht-EU- aber EWR-Mitglied Norwegen, das für die volle Teilnahme am europäischen Binnenmarkt bald einen Kohäsionsbeitrag von 450 Millionen Franken pro Jahr zahlen wird, ist die Beitragshöhe der Schweiz fair. Es liegt auch im Interesse der Schweiz, die wirtschaftlichen Unterschiede im europäischen Binnenmarkt zu verringern, so dass die teilnehmenden Staaten zu attraktiven Zielmärkten mit höherer Kaufkraft heranwachsen.
Schweizer Schutzklausel bei der Personenfreizügigkeit
- Der Schweizer Verhandlungsdelegation ist es gelungen, sich mit der EU auf eine Konkretisierung der Schutzklausel im Freizügigkeitsabkommen (Art. 14, Abs. 2) zu einigen. Diese neu konzipierte Schutzklausel kann bei schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Problemen ausgelöst werden.
- Die neu konzipierte Schutzklausel kann von der Schweiz eigenständig aktiviert werden. Die Konkretisierung der Voraussetzungen für die Auslösung der Schutzklausel sowie allfälliger Schutzmassnahmen wird die Schweiz im Rahmen des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) selbst vornehmen.
- Die innenpolitische Umsetzung der Schutzklausel im AIG steht noch aus und wird ihren Wert massgeblich beeinflussen.
Die Funktionsweise der Schutzklausel wird in der nachfolgenden Grafik auf Basis des Faktenblatts des Bundes dargestellt:

economiesuisse begrüsst die Konkretisierung der Schutzklausel im Freizügigkeitsabkommen. Sie ist ein wichtiges Zeichen, dass der Bundesrat die Sorgen der Bevölkerung hinsichtlich der Zuwanderung ernst nimmt.
Gegenseitige Nichtdiskriminierung von Studierenden
- Die Schweiz und die EU haben vereinbart, dass EU-Studierende in der Schweiz nicht diskriminiert werden dürfen – sei es z.B. durch höhere Studiengebühren oder Obergrenzen.
- Im Gegenzug profitieren auch Schweizer Studierende von einer Nichtdiskriminierung bei den Studiengebühren, wenn sie an Hochschulen im EU-Raum studieren.
- Die Schweiz kann die Anforderungen für die Zulassung an Schweizer Hochschulen weiterhin selbst bestimmen (z.B. minimaler Notenschnitt) und ein gewisses Sprachniveau als Zulassungskriterium voraussetzen.
- Der prüfungsfreie Zugang für Schweizer Maturandinnen und Maturanden bleibt unangetastet. EU-Studierende haben weiterhin keinen Anspruch auf Stipendien.