Die leeren Versprechen der Vollgeld-Initiative
- Einleitung Das Wichtigste in Kürze | Position economiesuisse
- Kapitel 1 Milch und Honig
- Kapitel 2 Was ist Vollgeld?
- Kapitel 3 Ein gewaltiges Experiment mit ungewissem Ausgang
- Kapitel 4 Mit leeren Versprechen zu mehr Unsicherheit
- Kapitel 5 Der Kleinkunde bezahlt die Zeche
- Kapitel 6 Regulierungstsunami bahnt sich an
- Kapitel 7 Das Vollgeldsystem belastet und behindert die Nationalbank
Der Kleinkunde bezahlt die Zeche
Eingeschränkte Wahlfreiheit
Die Schweizer Bevölkerung muss nicht nur das Risiko einer Währungskrise in Kauf nehmen, sondern wird im Vollgeldsystem auch sonst kräftig zur Kasse gebeten. Denn unter Vollgeld bliebe dem Bankkunden einzig die Wahl zwischen einem sicheren, zinslosen und mit Gebühren behafteten Vollgeld-Zahlungskonto und einem Sparkonto, das zwar mit Zinszahlungen vergütet wird, jedoch einem gewissen Risiko ausgesetzt bleibt und nicht für Zahlungszwecke benutzt werden kann. Das heute von den Kunden bevorzugte Sichtkonto wäre verboten. Die Initianten begrüssen dieses Verbot, lassen dabei aber ausser Acht, dass die Wahl eines Sichtkontos durchaus ein bewusster und rationaler Entscheid sein kann. Denn die Sicherheit ist nicht das einzige Kriterium bei der Wahl des Bankkontos. So dürften die Kunden am Sichtkonto schätzen, dass sie ihr Geld grundsätzlich jederzeit abheben können und im Normalfall gleichzeitig Zinsen erhalten als Entschädigung für das eingegangene Risiko, dass sie ihr Geld in Extremsituation unter Umständen nicht vollständig abheben können. Dass sich die Kunden nicht aus Unwissen über das Risiko für ein Sichtkonto entscheiden, sondern sich dem Risiko durchaus bewusst sind, zeigt eine Umfrage, in der 88 Prozent der Teilnehmer eine diesbezügliche Frage entsprechend beantworten. Trotzdem möchten die Initianten mit einem Verbot des Sichtkontos erwirken, dass der Kunde auf dessen Vorteile verzichten muss.
Wählt ein Anleger im Vollgeld-System die mit Risiken verbundene Variante eines Sparkontos, muss er sein Geld für eine bestimmte Zeitdauer der Bank überlassen und kann währenddessen nicht darüber verfügen. Denn die heute übliche Praxis, dass bei Sparkonten eine Rückzugslimite von mehreren Zehntausend Franken existiert und damit ein Teil der Ersparnisse jederzeit verfügbar ist, wäre nicht mehr verfassungskonform: Damit Zahlungs- und Sparkonten klar getrennt sind, sieht die Initiative vor, dass die Nationalbank eine Mindesthaltedauer für Spareinlagen (zum Beispiel drei Monate) festlegt. Dies wird dazu führen, dass gerade liquiditätsintensive Unternehmen vermehrt das zinslose und gebührenpflichtige Zahlungskonto wählen müssen, um nicht in Liquiditätsengpässe zu geraten. Ein unerwarteter, kurzfristiger Liquiditätsbedarf würde zukünftig sowohl die Wirtschaft als auch Privatpersonen vor grosse Probleme stellen. Erleidet das eigene Auto aufgrund eines Unfalls einen Totalschaden, wird eine Neuanschaffung nur durch die Aufnahme eines Kredits möglich, wenn auf dem Zahlungskonto zu wenig Geld vorhanden ist. Es wäre deswegen nötig, für allerlei Eventualitäten Rückstellungen auf dem Zahlungskonto zu bilden, um jederzeit liquid zu bleiben.
Kostenfalle Vollgeld
Eine Bank muss das Vollgeld ihrer Kunden ausserhalb ihrer Bilanz führen. Es wird ihr damit verboten, Zahlungskonten als Finanzierungsquelle für Kredite zu verwenden. Wie soll sie unter diesen Bedingungen die Kosten für die Kontoführung decken? Sie müsste zahlreiche Leistungen, die heute für den Kunden teilweise kostenlos sind, diesem weiterverrechnen. Gebühren für die allgemeine Kontoführung, Überweisungen, Rechnungen oder Abhebungen am Geldautomaten erhielten ein Preisschild, für die der Kunde aufkommen müsste. Wie sich die Kosten in einem Vollgeld-System dauerhaft präsentieren würden, lässt sich aktuell mit der Tiefzinspolitik der SNB erahnen. Gebühren werden regelmässig erhöht oder neu erhoben, was sich gerade im Portemonnaie der Kleinkunden bemerkbar macht. Einen weiteren Kostenschub werden die Banken und im Endeffekt auch deren Kunden finanzierungsseitig erfahren. Zwar ist zu erwarten, dass sich die Banken anderweitig, zum Beispiel via den Kapitalmarkt oder Spareinlagen finanzieren können. Jedoch ist mit durchschnittlich höheren Fremdfinanzierungskosten zu rechnen – insbesondere bei kleineren und regional ausgerichteten Kreditinstituten, die einen schwierigeren Zugang zum internationalen Kapitalmarkt haben. Bereits Adolf Jöhr, erster Generalsekretär der SNB, zeigte dies als logische Folge des Banknotenverbots für private Banken auf. Für das Buchgeldverbot sind aufgrund ähnlicher Umstände dieselben Auswirkungen zu erwarten. Einige Banken werden aufgrund der höheren Kosten und deren unter Umständen schwierigen Weiterverrechnung wohl keine Zahlungskonten mehr anbieten. Da die Führung von Zahlungskonten mit hohen Fixkosten verbunden ist, dürften insbesondere Kleinkunden von einer kleineren Auswahl betroffen sein. Das plausibelste Szenario ist daher, dass der Kleinkunde die Zeche zahlt. Entweder muss er sein Kapital für eine staatlich bestimmte Mindestdauer der Bank überlassen, oder aber er zahlt hohe Gebühren für sein Zahlungskonto, das er erst noch aus einer geringeren Anzahl Anbietern auswählen muss.
Wenn Banken aufgrund staatlicher Eingriffe ihre Dienstleistungen nur noch vermögenden Kunden anbieten könnten, würde ihnen wohl der Schwarze Peter zugeschoben. Da der Bund gemäss Initiativtext die Versorgung der Wirtschaft mit Finanzdienstleistungen gewährleisten soll und dabei vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abweichen kann, würde die Politik möglicherweise Preisvorschriften erlassen und die Finanzinstitute verpflichten, ein Vollgeldkonto für alle zu führen. Schlimmer noch: Eine solche Entwicklung könnte den Weg ebnen für eine vollständige Verstaatlichung des Bankwesens.