Konjunktur

Wirt­schaft­li­che Er­ho­lung ver­liert an Schwung, setzt sich aber fort

Pan­de­mie­be­ding­te Ein­schrän­kun­gen, Lie­fer­eng­päs­se und Preis­stei­ge­run­gen dämp­fen die wirt­schaft­li­che Er­ho­lung in der Schweiz. Den­noch wer­den 2022 ins­be­son­de­re wert­schöp­fungs­in­ten­si­ve Bran­chen wei­ter zu­le­gen kön­nen und das Wirt­schafts­wachs­tum hält an. eco­no­mie­su­is­se schätzt, dass das Brut­to­in­land­pro­dukt (BIP) in die­sem Jahr um 3,8 Pro­zent und im nächs­ten Jahr um 2,5 Pro­zent steigt. Auch die Ar­beits­lo­sen­quo­te pro­fi­tiert vom Wachs­tum und re­du­ziert sich von 3,0 Pro­zent 2021 auf 2,7 Pro­zent im nächs­ten Jahr. Die kon­junk­tu­rel­len Ri­si­ken sind al­ler­dings gross.

Nach einer star­ken Auf­hol­pha­se der Welt­wirt­schaft im zwei­ten und drit­ten Quar­tal 2021 wird die po­si­ti­ve Ent­wick­lung gegen Ende des Jah­res wie­der deut­lich ge­dämpft. Ers­tens hält die Co­ro­na-Pan­de­mie die Welt­wirt­schaft wei­ter­hin in Atem. Neue Mu­ta­tio­nen, Impf­durch­brü­che und eine man­geln­de Durch­imp­fung in vie­len Län­dern sor­gen für gros­se Un­si­cher­hei­ten. Es bleibt un­klar, wie die Pan­de­mie­be­kämp­fung ge­lin­gen kann und wie tief die Re­gie­run­gen al­len­falls künf­tig in die wirt­schaft­li­che Frei­heit ein­grei­fen. Zwei­tens hat die wirt­schaft­li­che Er­ho­lung zu Lie­fer­eng­päs­sen bei vie­len Ma­te­ria­li­en und Pro­duk­ten ge­führt. Die star­ke Nach­fra­ge kann daher nicht voll­stän­dig be­frie­digt wer­den. Drit­tens haben Auf­schwung und Knapp­hei­ten zu er­heb­li­chen Preis­stei­ge­run­gen ge­führt: En­er­gie, Roh­stof­fe, Nah­rungs­mit­tel, aber auch ver­ar­bei­te­te In­dus­trie­pro­duk­te haben sich stark ver­teu­ert. Alle drei Fak­to­ren wir­ken sich nun brem­send auf die wirt­schaft­li­che Er­ho­lung aus. Zudem haben sich die ge­stie­ge­nen Pro­du­zen­ten­prei­se in den USA und in Eu­ro­pa be­reits in deut­lich hö­he­ren Kon­su­men­ten­prei­sen ma­ni­fes­tiert, was den Kon­sum be­las­tet.

Tou­ris­mus rech­net mit har­tem Rück­schlag

Die Schwei­zer Wirt­schaft hat sich in die­sen schwie­ri­gen Pan­de­mie­quar­ta­len im in­ter­na­tio­na­len Ver­gleich sehr gut ge­schla­gen. Die drei Fak­to­ren (un­si­che­rer Pan­de­mie­ver­lauf, Lie­fer­eng­päs­se, Preis­stei­ge­run­gen) stel­len aber auch die hie­si­gen Un­ter­neh­men vor gros­se Her­aus­for­de­run­gen. Der hef­tigs­te Rück­schlag droht of­fen­sicht­lich dem Tou­ris­mus: Rei­se­be­schrän­kun­gen, Qua­ran­tä­ne­re­geln und die Un­si­cher­heit füh­ren dazu, dass die aus­län­di­schen Gäste wohl gröss­ten­teils fern­blei­ben wer­den. Im­mer­hin sor­gen die Schwei­zer Gäste für eine ge­wis­se Sta­bi­li­tät. Auch die star­ke Er­ho­lung der Luft­fahrt ist in Ge­fahr. Ähn­li­ches gilt für die Gas­tro­no­mie, Clubs oder den Ver­kehr, die pan­de­mie­be­dingt – in­fol­ge be­hörd­li­cher An­wei­sun­gen oder durch Ver­hal­tens­än­de­run­gen der Be­völ­ke­rung – einem schwie­ri­gen Win­ter ent­ge­gen­se­hen.

Den­noch ist nicht davon aus­zu­ge­hen, dass es zu einem er­neu­ten Wirt­schafts­ein­bruch kommt. Zu stark sind die po­si­ti­ven Wachs­tums­im­pul­se wert­schöp­fungs­in­ten­si­ver Bran­chen: Wei­ter­hin sta­bil und über­durch­schnitt­lich wach­sen die Ver­si­che­run­gen, In­for­ma­tik, Phar­ma­in­dus­trie, Me­di­zi­nal­gü­ter­in­dus­trie und Un­ter­neh­mens­be­ra­tung, die auch für 2022 eine po­si­ti­ve Ent­wick­lung vor sich sehen. Auch meh­re­re Bran­chen, die 2020 pan­de­mie­be­dingt star­ke Ein­bus­sen er­fah­ren muss­ten, gehen nach den Er­fah­run­gen des lau­fen­den Jah­res für 2022 von einem an­hal­ten­den und teil­wei­se star­ken Wachs­tum aus. Dies gilt ins­be­son­de­re für die Ma­schi­nen-, Elek­tro- und Me­tall­in­dus­trie, den Gross­han­del, die Tex­til- und die Uh­ren­in­dus­trie. Auch die Schwei­zer Strom­wirt­schaft er­holt sich wei­ter.

Bran­chen wie die Nah­rungs­mit­tel­in­dus­trie, die Ban­ken oder der De­tail­han­del er­war­ten zwar eine mo­dera­te, aber den­noch po­si­ti­ve Ent­wick­lung im nächs­ten Jahr. Dies gilt auch für den Bau, wobei das Wachs­tum 2022 hier etwas we­ni­ger dy­na­misch aus­fal­len wird als im sehr er­folg­rei­chen 2021. In einem an­hal­tend schwie­ri­gen Markt­um­feld be­fin­den sich die Bran­chen Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on, Wer­bung oder Über­set­zung.

Leicht stei­gen­de In­fla­ti­ons­ra­te

Trotz der ak­tu­ell gros­sen Her­aus­for­de­run­gen soll­te die BIP-Ent­wick­lung für die Schweiz also ins­ge­samt po­si­tiv blei­ben. Nach dem star­ken Er­ho­lungs­jahr 2021 mit einem BIP-Wachs­tum von 3,8 Pro­zent wird das nächs­te Jahr aber we­ni­ger dy­na­misch und das Wachs­tum schwächt sich auf 2,5 Pro­zent ab.

Der stär­ke­re Fran­ken führt dazu, dass die Preis­stei­ge­run­gen aus dem Aus­land in etwas ab­ge­schwäch­ter Form bei den Schwei­zer Kon­su­men­tin­nen und Kon­su­men­ten an­kom­men. Die Teue­rung in der Schweiz ist ver­gleichs­wei­se tief, und auch 2022 ist nicht mit einem star­ken In­fla­ti­ons­schub zu rech­nen. eco­no­mie­su­is­se geht davon aus, dass die In­fla­ti­ons­ra­te etwas an­steigt und im Jah­res­durch­schnitt rund 1,2 Pro­zent be­tra­gen wird. Damit ver­bleibt sie immer noch im Ziel­kor­ri­dor der Schwei­zer Na­tio­nal­bank.

Kon­junk­tur­ri­si­ken sind gross

Die vor­lie­gen­de Kon­junk­tur­pro­gno­se ba­siert auf der An­nah­me, dass die epi­de­mio­lo­gi­sche Si­tua­ti­on über den Win­ter an­spruchs­voll wird, aber die Ein­schrän­kun­gen in die Wirt­schafts­frei­heit mo­derat blei­ben. Die Ent­wick­lung der Pan­de­mie hat in den letz­ten zwei Jah­ren aber mehr­fach für Über­ra­schun­gen ge­sorgt. Kurz­fris­ti­ge wirt­schaft­li­che Rück­schlä­ge sind daher auch künf­tig mög­lich.

In der neu­es­ten Um­fra­ge von eco­no­mie­su­is­se zeigt sich, dass die gröss­ten Kon­junk­tur­ri­si­ken auch die­je­ni­gen sind, wel­che das ak­tu­el­le Wachs­tum be­las­ten. Zwei Fünf­tel aller Be­frag­ten sehen den Ver­lauf der pan­de­mi­schen Ent­wick­lung als Haupt­ri­si­ko für die Kon­junk­tur. Wie die unten ste­hen­de Ta­bel­le zeigt, fol­gen die Lie­fer­eng­päs­se und die Roh­stoff­knapp­heit. Auch die In­fla­ti­on wird häu­fig als kon­junk­tu­rel­les Ri­si­ko ge­nannt – dies auch im Hin­blick auf eine mög­li­che Straf­fung der Geld­po­li­tik in den USA. Für die Schweiz be­deu­tend sind zudem die sehr hohen Im­mo­bi­li­en­be­wer­tun­gen. Bei einer Kor­rek­tur könn­te dies schmerz­li­che kon­junk­tu­rel­le Ef­fek­te nach sich zie­hen. Nach dem Fach­kräf­te­man­gel sind die Wech­sel­kurs­ri­si­ken, die bi­la­te­ra­len Be­zie­hun­gen zur EU und Han­dels­kon­flik­te ak­tu­ell etwas in den Hin­ter­grund ge­tre­ten.

Die gröss­ten Kon­junk­tur­ri­si­ken

Tabelle

Quel­le: eco­no­mie­su­is­se, n=131

Pro­gno­sen Volks­wirt­schaft­li­che Ge­samt­rech­nung

Tabelle 2

Pro­gno­sen Prei­se und Ar­beits­markt

Tabelle 3

Exo­ge­ne An­nah­men*

Tabelle 4

* In­put­grös­sen für die Schät­zung der Kon­junk­tur­pro­gno­sen