Westschweizer Unternehmer kämpfen gegen die «Selbstbestimmungs»-Initiative
Entgegen den Behauptungen der Initianten hat die sogenannte «Selbstbestimmungs»-Initiative (SBI) weitreichende Konsequenzen für die Schweizer Wirtschaft. Denn durch eine Annahme wären über 600 wirtschaftsrelevante Abkommen, welche die Schweiz mit Handelspartnern aus der ganzen Welt abgeschlossen hat, potenziell gefährdet – und das auch rückwirkend. Das isoliert die Schweiz international, schadet ihrem guten Ruf als verlässliche Vertragspartnerin und schafft Rechtsunsicherheit. Deshalb sind am Montag gleich mehrere Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Westschweiz vor die Medien getreten, um klar Stellung gegen die Initiative zu beziehen.
Die Initiative schafft ein Problem, wo gar keines ist
Die Initiative will dem Schweizer Landesrecht absoluten Vorrang vor dem internationalen Völkerrecht einräumen. Falls es zu einem Konfliktfall kommt, würde das Landesrecht vorgehen. So weit, so gut. Doch die Verpflichtung von Bund und Kantonen, keine völkerrechtlichen Verpflichtungen einzugehen, die der Verfassung widersprechen, bringt nichts Neues – sie besteht bereits heute. Entsprechend sind Widersprüche zwischen Landesrecht und Völkerrecht äusserst selten und konnten bisher pragmatisch aufgelöst werden. Diese Praxis hat sich bewährt und der Schweiz die nötige aussenpolitische Handlungsfreiheit bewahrt. Wieso also soll die Schweiz ein gut funktionierendes System, das Rechtssicherheit mit sich bringt, komplett umkrempeln, zugunsten einer unsicheren Zukunft?
Schweiz als souveräner Staat – auch dank dem Völkerrecht
Eine weitere Behauptung der Initianten: Nur mit Annahme der SBI kann die Schweiz ihre Souveränität zurückerobern. Auch das ist falsch. Die kleine Schweiz hat gerade dank dem Völkerrecht die Möglichkeit, ihre Interessen auf dem internationalen Parkett zu wahren: Es zählt die Stärke des Rechts, anstatt das Recht des Stärkeren. Nicht selten ist es zudem die Schweiz, welche in internationalen Organisationen mit konstruktiven Vorschlägen Abkommen zum Durchbruch verhilft. Patrick Odier, geschäftsführender Teilhaber der Lombard Odier, erläutert: «Niemand zwingt uns etwas auf. Wir entscheiden selbst darüber, welche Verträge wir mit anderen Ländern eingehen möchten. Das Volk kann sagen, wenn es mit einem Vertrag nicht einverstanden ist, und das ist auch gut so. Jedes Abkommen, das die Mitgliedschaft in einer Organisation beinhaltet, unterliegt einem obligatorischen Referendum, und alle wichtigen Verträge – wie beispielsweise die Bilateralen – unterliegen dem fakultativen Referendum. Niemand hält uns davon ab, einen Vertrag zu kündigen, aber es muss in Zusammenarbeit mit den Vertragsparteien passieren.»
Rund 600 wirtschaftsrelevante Abkommen potenziell betroffen
Eine Annahme der Initiative würde rund 600 Wirtschaftsabkommen, welche die Schweiz mit Handelspartnern aus der ganzen Welt abgeschlossen hat, gefährden. Dazu zählen unter anderem Freihandels-, Investitionsschutz- sowie WTO-Abkommen. Solche internationalen Verträge sind für exportorientierte Unternehmen in der Schweiz essenziell. «Unsere Wirtschaft verdient fast zwei von fünf Franken im Ausland. Und neun von zehn exportierenden Firmen sind KMU – wie das meine», erklärt Aude Pugin, CEO von APCO Technologies und Präsidentin der Industrie- und Handelskammer des Kantons Waadt. Nicolas Durand, CEO des auf medizinische Diagnostik spezialisierten Unternehmens Abionic, machen insbesondere die Folgen in Bezug auf die Rechtsunsicherheit Sorgen: «Unsere Produkte retten Leben. Wir sind kurz davor, diese weltweit zu exportieren. Dafür brauchen wir aber noch Investoren. Bei zunehmender Rechtsunsicherheit in unserem Land würden wir diese wohl nicht mehr finden.»
Guter Ruf der Schweiz als verlässliche Vertragspartnerin steht auf dem Spiel
Allein die Tatsache, dass die Initiative rückwirkend Folgen auf bereits vor Jahren abgeschlossene internationale Verträge hätte, reicht aus, um die Glaubwürdigkeit der Schweiz auf internationaler Ebene zu untergraben. «Mein KMU profitiert stark von der Verlässlichkeit der Schweiz im Ausland. Angesichts des harten Wettbewerbs macht die Bedeutung des abgegebenen Versprechens den Unterschied», illustriert Isabelle Harsch, die an der Spitze eines mittelständischen Familienunternehmens steht, das insbesondere im Transport von Kunstwerken tätig ist.
Ausführlichere Informationen zu den Folgen für die Schweizer Wirtschaft können Sie in unserem neuen Booklet nachlesen.