Weshalb Kostenziele genauso schädlich sind wie die Kostenbremsen-Initiative
Der Bundesrat lehnt die Kostenbremsen-Initiative ab und hat einen indirekten Gegenvorschlag verabschiedet. Die Wirtschaft begrüsst den ablehnenden Entscheid, wird jedoch den Gegenvorschlag bekämpfen. Kern des Vorschlags ist nämlich ein sogenanntes Kostenziel: Bund und Kantone sollen unter Einbezug der gesundheitspolitischen Akteure jährlich festlegen, wie hoch das Kostenwachstum in den einzelnen Bereichen der Grundversicherung ausfallen darf. Das eröffnet einen fragwürdigen politischen Bazar und gefährdet die bisher sehr gute Schweizer Gesundheitsversorgung.
Um die Kosten im Gesundheitswesen wird seit Jahren gestritten. Die Mitte-Partei hat deshalb eine Volksinitiative eingereicht, die das Wachstum dieser Kosten mittels eines Maximalwerts begrenzen will. Eine Umsetzung dieses starren Mechanismus ist jedoch nicht so einfach, wie suggeriert wird. Denn die Schweiz hat kein zentralistisches Gesundheitssystem wie beispielsweise Grossbritannien mit dem National Health Service (NHS). Dort warten Menschen regelmässig Jahre auf wichtige Behandlungen und Therapien oder werden aufgrund der hohen Kosten gar nicht behandelt. Im Gegensatz dazu ist die Schweiz mit ihrem dezentralen System bisher gut gefahren. Deshalb wäre eine solche Umstellung nicht wünschenswert – sie führt schlimmstenfalls zu schwierigen Triage-Entscheiden, wie wir sie gerade aktuell in der Corona-Pandemie zu verhindern suchen. Auch juristische Gutachten wie dasjenige von Prof. Ueli Kieser kommen zu diesem Schluss.
Gegenvorschlag will ebenfalls Kostenziele einführen
Der Bundesrat lehnt die Kostenbremsen-Initiative ab, wie er am Mittwoch mitgeteilt hat. Allerdings hat er gleichzeitig einen indirekten Gegenvorschlag verabschiedet, der nicht weniger problematisch ist. Er will nämlich Vorgaben für Kostenziele in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) einführen. Dieser Vorschlag wurde bereits im Vernehmlassungsverfahren breit kritisiert, wird nun aber trotzdem dem Parlament als Scheinlösung des Kostenproblems präsentiert.
Die Idee des indirekten Gegenvorschlags: Bund und Kantone sollen jährlich Ziele für das maximale Kostenwachstum in der OKP festlegen. Dabei beziehen sie die verantwortlichen gesundheitspolitischen Akteure mit ein. Dies führt unweigerlich dazu, dass diejenigen Akteure mit dem grössten Einfluss profitieren. Verlieren werden dabei auf jeden Fall Patientinnen und Patienten. Die Ärzteverbindung FMH stellt sich klar gegen diesen indirekten Gegenvorschlag, da es durch solche Kostenbegrenzungen zu Wartezeiten kommen wird, unter denen insbesondere ältere, chronisch und mehrfacherkrankte Patientinnen und Patienten leiden.
Rollenkonflikte der Kantone kritisch hinterfragen
Die Politik beschäftigt sich schon seit Jahren mit der Kosteneindämmung, ohne einen spürbaren Effekt erreicht zu haben. Sie behindert tendenziell eher die Arbeit der Gesundheitsfachleute und sorgt dafür, dass diese mit immer mehr Bürokratie beschäftigt sind und demotiviert werden.
Statt immer neue Regulierungen zur Kostendämmung zu produzieren, sollte der Bund sich auf die Grundsätze des regulierten Wettbewerbs konzentrieren. Dabei sollten insbesondere die seit Langem aufgezeigten Rollenkonflikte der Kantone kritisch beurteilt und entschärft werden. Für die Finanzierung der Kosten braucht es hingegen ein Gleichgewicht zwischen Solidarität und Selbstverantwortung, das im politischen Prozess explizit ausgehandelt werden sollte.