2017

Wei­te­re Er­ho­lung im Zei­chen der Pro­duk­ti­vi­täts­er­hö­hung

Die Wirt­schaft muss sich wei­ter fit trim­men: Die hohen Kos­ten in der Schweiz, der welt­weit ra­sche Struk­tur­wan­del und der nach wie vor über­be­wer­te­te Fran­ken zwin­gen die Un­ter­neh­men zu wei­te­ren Pro­duk­ti­vi­täts­stei­ge­run­gen. eco­no­mie­su­is­se-Chef­öko­nom Ru­dolf Minsch er­war­tet, dass das Wachs­tum in et­li­chen Bran­chen mit einem leich­ten Be­schäf­ti­gungs­ab­bau ein­her­ge­hen wird. Ge­mäss der Kon­junk­tur­pro­gno­se für 2017, die der Wirt­schafts­dach­ver­band heute ver­öf­fent­licht hat, wird die Ar­beits­lo­sen­quo­te im kom­men­den Jahr nur minim auf 3,2 Pro­zent sin­ken. Das Wachs­tum des Brut­to­in­land­pro­dukts (BIP) werde mit 1,7 Pro­zent hin­ge­gen recht an­spre­chend aus­fal­len. Und weil die Im­port­prei­se nicht mehr sin­ken, er­war­tet eco­no­mie­su­is­se, dass die In­fla­ti­on in den po­si­ti­ven Be­reich zu­rück­kehrt. 

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Mit dem Brex­it und der Trump-Wahl er­leb­te die Welt 2016 zwei un­er­war­te­te po­li­ti­sche Er­eig­nis­se, wel­che die lang­fris­ti­ge Ent­wick­lung der Welt­wirt­schaft merk­lich be­ein­flus­sen kön­nen. Ru­dolf Minsch, Chef­öko­nom von eco­no­mie­su­is­se, er­war­tet al­ler­dings nur be­schränk­te Aus­wir­kun­gen auf die Welt­kon­junk­tur des lau­fen­den und des kom­men­den Jah­res. Die kon­junk­tu­rel­len Ef­fek­te so­wohl des Brex­it als auch der neuen Ad­mi­nis­tra­ti­on in den USA seien ge­trie­ben von den Er­war­tun­gen der Markt­ak­teu­re, er­klär­te er heute vor den Me­di­en: «Wäh­rend die hohe Un­si­cher­heit im Falle des Brex­it lang­fris­ti­ge In­ves­ti­tio­nen be­las­tet, be­ein­flusst die Trump-Wahl diese po­si­tiv, gehen doch viele Ak­teu­re von hö­he­ren In­fra­struk­tur­in­ves­ti­tio­nen und sin­ken­den Steu­ern aus.» Doch auch ohne die­sen Ef­fekt sei das Wachs­tum der US-Wirt­schaft im letz­ten hal­ben Jahr ro­bus­ter ge­wor­den. Damit wür­den die USA ein­mal mehr die Rolle der welt­wirt­schaft­li­chen Wachs­tums­lo­ko­mo­ti­ve über­neh­men. Dies steht in deut­li­chem Kon­trast zur nach wie vor ver­hal­te­nen Ent­wick­lung in Eu­ro­pa. Be­son­ders die Si­tua­ti­on in süd­eu­ro­päi­schen Staa­ten wie Grie­chen­land, Por­tu­gal und vor allem Ita­li­en ist laut Minsch be­sorg­nis­er­re­gend. Das süd­li­che Nach­bar­land lei­det nicht nur unter der hohen Staats­ver­schul­dung, son­dern weist auch ein Ban­ken­we­sen auf, das unter der Last fau­ler Kre­di­te zu kol­la­bie­ren droht. Auf­grund der un­ter­schied­li­chen Ent­wick­lun­gen in Eu­ro­pa und den USA wird sich auch die Zins­dif­fe­renz aus­wei­ten. Wäh­rend die US-No­ten­bank Fed die Zin­sen lang­sam er­hö­hen wird, bleibt in Eu­ro­pa die Geld­po­li­tik auch 2017 ultra-ex­pan­siv. 

Die ak­tu­el­le Lage der Schwei­zer Wirt­schaft

In einem Um­feld schwa­cher eu­ro­päi­scher Märk­te, einem über­be­wer­te­ten Fran­ken und hoher Kos­ten im In­land schlägt sich die Schwei­zer Wirt­schaft laut Minsch be­mer­kens­wert gut. Die Ex­port­zah­len haben sich er­holt, wenn­gleich das Wachs­tum vor allem durch die che­misch-phar­ma­zeu­ti­sche In­dus­trie ge­trie­ben wurde. Ver­schie­de­ne an­de­re Ex­port­bran­chen wie die Ma­schi­nen-, Elek­tro- und Me­tall­in­dus­trie, die Tex­til-, Nah­rungs­mit­tel- oder die Pa­pier­in­dus­trie haben zwar den Tief­punkt über­wun­den – die Er­trags­si­tua­ti­on ist aber für viele Un­ter­neh­men wei­ter­hin un­be­frie­di­gend. Auch der Tou­ris­mus kämpft noch mit den Fol­gen des Fran­ken­schocks. Die Bin­nen­wirt­schaft hin­ge­gen ent­wi­ckelt sich ro­bust. Stei­gen­de Aus­ga­ben für die Ge­sund­heit, die öf­fent­li­che Ver­wal­tung, die Ver­si­che­run­gen, der Han­del und der Ver­kehr stüt­zen die Kon­junk­tur. Ins­ge­samt rech­net eco­no­mie­su­is­se für das Jahr 2016 mit einem BIP-Wachs­tum von 1,5 Pro­zent.

Kon­junk­tu­rel­ler Aus­blick

2017 wird sich die Wachs­tums­sche­re zwi­schen den Sek­to­ren wei­ter schlies­sen. Auf­grund der etwas stär­ke­ren Dy­na­mik der Welt­wirt­schaft sind für 2017 stei­gen­de Ex­por­te zu er­war­ten. Am un­te­ren Ende der Ent­wick­lung ste­hen die Uhren- und die Tex­til­in­dus­trie, die nach zwei schwie­ri­gen Jah­ren ihre Wert­schöp­fung nun aber sta­bi­li­sie­ren soll­ten. In die­sem Zy­klus be­reits wei­ter fort­ge­schrit­ten sind die MEM-In­dus­trie und die Her­stel­ler von Prä­zi­si­ons­in­stru­men­ten, die 2017 wohl auf den Wachs­tums­pfad zu­rück­fin­den. Die che­misch-phar­ma­zeu­ti­sche In­dus­trie wird ihre Ex­pan­si­on fort­set­zen, 2017 je­doch etwas we­ni­ger stark wach­sen als in den ver­gan­ge­nen Jah­ren. 

Bei den Dienst­leis­tun­gen sticht her­vor, dass nach einem schwie­ri­gen 2016 die Ban­ken 2017 kaum zu­le­gen kön­nen. Dem­ge­gen­über ent­wi­ckeln sich die Ver­si­che­run­gen wei­ter­hin ro­bust. In der Ho­tel­le­rie und im Tou­ris­mus soll­te es 2017 wie­der leicht auf­wärts­ge­hen. Der De­tail­han­del kämpft zwar mit sin­ken­den Prei­sen, kann aber von leicht stei­gen­den Löh­nen, einer etwas tie­fe­ren Ar­beits­lo­sen­quo­te und der wei­te­ren Sta­bi­li­sie­rung des Ex­port­sek­tors pro­fi­tie­ren. Der Han­del ins­ge­samt (inkl. Gross­han­del und Han­del mit Mo­tor­fahr­zeu­gen) wird auch 2017 zu­le­gen kön­nen. Auf hohem Ni­veau hal­ten kann sich der Bau. Als ei­gent­li­che Stüt­zen der Bin­nen­kon­junk­tur er­wei­sen sich ein­mal mehr die öf­fent­li­che Ver­wal­tung, das Un­ter­richts- und das Ge­sund­heits­we­sen, die wei­ter­hin über­durch­schnitt­lich wach­sen. Das­sel­be trifft auf die Un­ter­neh­mens­be­ra­tung und die Treu­hand­bran­che zu, deren Dienst­leis­tun­gen stark ge­fragt sind. Wei­ter­hin nur seit­wärts ent­wi­ckelt sich die Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on, wäh­rend sich die Lage in der Elek­tri­zi­täts­wirt­schaft nach schwie­ri­gen Jah­ren etwas ver­bes­sern und ein mo­dera­tes Wachs­tum er­lau­ben soll­te. Ins­ge­samt pro­gnos­ti­ziert eco­no­mie­su­is­se kei­ner Bran­che eine ne­ga­ti­ve Ent­wick­lung, so­dass im Ver­gleich zu 2015 und 2016 die Bran­chen­un­ter­schie­de im kom­men­den Jahr klei­ner aus­fal­len wer­den.  

Ge­rin­ger Be­schäf­ti­gungs­an­stieg – In­fla­ti­on im po­si­ti­ven Be­reich

Wäh­rend die Wachs­tums­dif­fe­ren­zen zwi­schen den Bran­chen klei­ner ge­wor­den sind, setzt sich die un­ter­schied­li­che Be­schäf­ti­gungs­ent­wick­lung fort: Die ein­fa­che For­mel «bin­nen­ori­en­tier­te Bran­chen er­hö­hen, Ex­port­bran­chen re­du­zie­ren die Be­schäf­ti­gung» stimmt so aber nicht mehr. Die Not­wen­dig­keit struk­tu­rel­ler An­pas­sun­gen be­steht auch in der Ver­si­che­rungs­wirt­schaft. Wie ei­ni­ge Ex­port­bran­chen (Uhren, Tex­til, MEM) wird auch sie die Be­schäf­ti­gung trotz Wachs­tum re­du­zie­ren. Bei gleich­zei­ti­ger Seit­wärts­ent­wick­lung der Wert­schöp­fung bauen auch die Ban­ken, die Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons- und die Elek­tri­zi­täts­un­ter­neh­men 2017 Per­so­nal ab. Die kom­men­den zwölf Mo­na­te wer­den daher im Zei­chen der Pro­duk­ti­vi­täts­er­hö­hung der Schwei­zer Wirt­schaft ste­hen. Der Be­schäf­ti­gungs­auf­bau setzt sich dem­ge­gen­über in der che­misch-phar­ma­zeu­ti­schen In­dus­trie, im Ge­sund­heits­we­sen, in der Ver­wal­tung und in der Be­ra­tung/Treu­hand fort. Dass in der Wirt­schaft ge­ne­rell kein Schrump­fungs­pro­zess an­steht, son­dern die Pro­duk­ti­vi­tät ge­stei­gert wird, zeigt sich in der an­hal­tend star­ken Nach­fra­ge nach qua­li­fi­zier­tem Per­so­nal: Der Fach­kräf­te­man­gel stellt in vie­len Un­ter­neh­men eine Wachs­tums­brem­se dar. Ins­ge­samt wird die Be­schäf­ti­gung in der Schweiz 2017 nicht mehr stark zu­neh­men. Ent­spre­chend kann – wie be­reits 2016 – auch nächs­tes Jahr mit tie­fe­ren Zu­wan­de­rungs­zah­len ge­rech­net wer­den als in der Ver­gan­gen­heit. Die Ar­beits­lo­sen­quo­te geht denn auch le­dig­lich leicht von 3,3 Pro­zent auf 3,2 Pro­zent zu­rück. 

Im Laufe des Jah­res 2016 en­de­te die Phase sin­ken­der Im­port-, Pro­du­zen­ten- und Kon­su­men­ten­prei­se, die mit der Auf­he­bung der Wech­sel­kurs­un­ter­gren­ze durch die Schwei­ze­ri­sche Na­tio­nal­bank (SNB) be­gon­nen hatte. Ver­stärkt wur­den die Preis­sen­kun­gen durch die tie­fe­ren Erd­öl­prei­se. Für nächs­tes Jahr ist erst­mals seit 2011 wie­der mit einer po­si­ti­ven Teue­rungs­ra­te von 0,4 Pro­zent zu rech­nen.  

Ab­wärts­ri­si­ken

«An­ge­sichts der gros­sen Her­aus­for­de­run­gen kann sich die Schwei­zer Kon­junk­tur durch­aus sehen las­sen», bi­lan­ziert Minsch. Das gröss­te Ab­wärts­ri­si­ko stellt si­cher­lich die eu­ro­päi­sche Kon­junk­tur dar. Das Fi­nanz­sys­tem ist immer noch nicht sta­bil, weil Ban­ken in ei­ni­gen Län­dern hohe Be­stän­de not­lei­den­der Kre­di­te in ihren Bi­lan­zen füh­ren und die Ren­ta­bi­li­tät ge­ne­rell un­ge­nü­gend ist. Es rächt sich nun, dass die not­wen­di­gen Ab­schrei­bun­gen nicht früh­zei­tig und ent­schie­den vor­ge­nom­men wur­den. Das Pro­blem wird durch die hohe Staats­ver­schul­dung in ei­ni­gen Län­dern ak­zen­tu­iert. Ein Wie­der­auf­fla­ckern der Eu­ro­kri­se, in wel­cher der Fran­ken wohl wie­der stär­ker nach­ge­fragt würde, ist lei­der wei­ter­hin mög­lich. Ein zwei­tes Ab­wärts­ri­si­ko stel­len mög­li­che kurz­fris­ti­ge Ver­wer­fun­gen als Folge des Exits aus der ultra-ex­pan­si­ven Geld­po­li­tik dar. Tur­bu­len­zen an den Fi­nanz­märk­ten und hö­he­re Ri­si­ko­prä­mi­en könn­ten Un­ter­neh­men und Ban­ken mit einem hohen Fremd­ver­schul­dungs­an­teil Pro­ble­me be­rei­ten, die wei­te­re Kre­dit­ver­ga­be be­ein­träch­ti­gen und zu einem Rück­gang der Bau­tä­tig­keit füh­ren. Ein drit­tes Ab­wärts­ri­si­ko be­trifft das Wachs­tum Chi­nas. Die Ver­schul­dung der Un­ter­neh­men hat dort in den letz­ten Jah­ren stark zu­ge­nom­men und gros­se Staats­be­trie­be be­kun­den Schwie­rig­kei­ten, die er­for­der­li­chen Struk­tur­an­pas­sun­gen vor­zu­neh­men. Rück­schlä­ge in der kon­junk­tu­rel­len Ent­wick­lung sind daher nicht mehr aus­zu­schlies­sen. Zudem be­nö­tigt der Umbau der chi­ne­si­schen Wirt­schaft hin zu einer stär­ke­ren Kon­sum­ori­en­tie­rung Zeit und ist mit Un­si­cher­hei­ten be­haf­tet. 

Aus einer in­län­di­schen Sicht sind län­ger­fris­tig vor allem zwei Ge­fah­ren­her­de aus­zu­ma­chen: Ei­ner­seits sind die Im­mo­bi­li­en in der Schweiz sehr hoch be­wer­tet. Bei einer Zins­er­hö­hung droht hier eine schmerz­li­che Kor­rek­tur mit ne­ga­ti­ven kon­junk­tu­rel­len Aus­wir­kun­gen. An­de­rer­seits – und die­ses Ri­si­ko ist be­son­ders akut – würde ein auf­kom­men­der Pro­tek­tio­nis­mus, bei­spiels­wei­se in den trans­at­lan­ti­schen Wirt­schafts­be­zie­hun­gen, die auf of­fe­ne Märk­te an­ge­wie­se­ne Schwei­zer Wirt­schaft hart tref­fen. 

 

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