War­ten auf Big­ler – oder: Eine Hy­po­thek fürs Ge­wer­be

Hans-Ul­rich Big­ler ist kein Mann der lei­sen Töne, der fei­nen Nu­an­cen, der dif­fe­ren­zier­ten Bot­schaf­ten. Der ab­ge­wähl­te Na­tio­nal­rat und Oberst im Ge­ne­ral­stab a.D. weiss: Wer Auf­merk­sam­keit braucht, setzt auf ma­xi­ma­len Lärm­pe­gel. Hilf­reich ist bis­wei­len auch ein Griff zum ver­ba­len Zwei­hän­der. Fak­ten und Wahr­heit, Re­spekt und An­stand blei­ben dabei schon mal auf der Stre­cke. Dumm nur: Mit sei­nen jüngs­ten Es­ka­pa­den zur Un­ter­neh­mens-Ver­ant­wor­tungs-In­itia­ti­ve er­weist der Ge­wer­be­ver­bands­di­rek­tor sei­ner ei­ge­nen Kli­en­tel einen Bä­ren­dienst.

Wenn’s um gros­se Un­ter­neh­men geht, sieht Hans-Ul­rich Big­ler rot. In den Kon­zer­nen stei­ge die Ner­vo­si­tät, ver­kün­det er in der jüngs­ten Aus­ga­be sei­ner Ge­wer­be­zei­tung und ver­weist auf die Un­ter­neh­mens-Ver­ant­wor­tungs-In­itia­ti­ve, die im No­vem­ber vors Stimm­volk kommt. Im Ori­gi­nal­ton: «Fern­ab der Golf­plät­ze (sic!) hän­gen über­all die oran­gen Fah­nen ‹Kon­zern-Ver­ant­wor­tungs-In­itia­ti­ve Ja!› an Fens­tern und Gar­ten­zäu­nen. Die Ner­vo­si­tät in den Kon­zern­zen­tra­len ist des­halb be­rech­tigt», froh­lockt er.

Das Ver­hal­ten der Kon­zer­ne sei zu­neh­mend un­er­träg­lich, wet­tert Big­ler in der «Sonn­tags­zei­tung». Auf po­li­ti­scher Ebene hät­ten die Gross­un­ter­neh­men und ihre Ver­bän­de wie eco­no­mie­su­is­se zu­las­ten der KMU wie­der­holt stren­ge­re Ge­set­ze ge­for­dert. Mit Ver­laub: Das ist gro­ber Unfug und reine Po­le­mik. Die weit­aus meis­ten der eco­no­mie­su­is­se an­ge­schlos­se­nen Un­ter­neh­men sind KMU in der Ma­schi­nen-, Uhren-, Tex­til-, Bau-, Le­bens­mit­tel- oder che­misch-phar­ma­zeu­ti­schen In­dus­trie, im Tou­ris­mus, in der Fi­nanz­bran­che und im Han­del. Auch für diese Un­ter­neh­men setzt sich eco­no­mie­su­is­se ein. Ei­ni­ge von ihnen sind üb­ri­gens auch Mit­glied des Ge­wer­be­ver­bands. Das müss­te dem ehe­ma­li­gen Kurz­zeit­di­rek­tor des Ver­bands für KMU und Gross­fir­men der schwei­ze­ri­schen Ma­schi­nen-, Elek­tro- und Me­tall-In­dus­trie (MEM-In­dus­trie) ei­gent­lich be­kannt sein.

Damit der Wirt­schafts­mo­tor rund läuft, braucht es alle, ob gross oder klein.

Für Big­ler indes ist klar: Hier die guten KMU, dort die bösen Kon­zer­ne, die den Klei­nen ans Leder wol­len. Als stu­dier­ter Öko­nom müss­te er wis­sen, dass die in­ter­na­tio­nal ver­netz­te Schwei­zer Wirt­schaft ein fein ver­zweig­tes Ge­flecht von klei­nen und gros­sen, von mit­tel­stän­di­schen und bör­sen­ko­tier­ten, von bin­nen­markt- und ex­port­ori­en­tier­ten Un­ter­neh­men ist. Damit der Wirt­schafts­mo­tor rund läuft, braucht es alle, ob gross oder klein, ob Auf­trag­ge­ber oder Auf­trag­neh­mer, ob Lie­fe­rant oder Ab­neh­mer. Im Kreis­lauf der Wirt­schaft sind sie alle auf­ein­an­der an­ge­wie­sen.

Doch zu­rück zur Un­ter­neh­mens-Ver­ant­wor­tungs-In­itia­ti­ve. Es sei im Mo­ment offen, ob er zur In­itia­ti­ve «Ja» oder «Nein» sage, er­zählt der Di­rek­tor des Wirt­schafts­ver­bands. Wie bitte? Seit Jah­ren ste­hen die Wirt­schafts­dach­ver­bän­de – auch der Ge­wer­be­ver­band – mit­ein­an­der im engen Aus­tausch über diese ex­tre­me In­itia­ti­ve und über den Ab­stim­mungs­kampf. Nun kri­ti­siert Big­ler öf­fent­lich die Ab­stim­mungs­kam­pa­gne der Wirt­schaft und der bür­ger­li­chen Par­tei­en gegen die Un­ter­neh­mens-Ver­ant­wor­tungs-In­itia­ti­ve. An­ge­trie­ben vom Wunsch nach Me­di­en­auf­merk­sam­keit und frei nach dem ef­fekt­hei­schen­den Motto «Kon­fron­ta­ti­on statt Ko­ope­ra­ti­on, Kon­flikt statt Kon­sens».

Der In­itia­tiv­text sieht für KMU kei­ner­lei Aus­nah­men im Haf­tungs­be­reich vor.

Dass KMU die Fol­gen der Un­ter­neh­mens-Ver­ant­wor­tungs-In­itia­ti­ve zu spü­ren be­kä­men, be­zeich­net er als «Un­sinn». Im In­itia­tiv­text stehe aus­drück­lich, dass KMU, die nicht in einem Hoch­ri­si­ko­sek­tor tätig sind, von der In­itia­ti­ve weit­ge­hend aus­ge­nom­men seien. Da hätte Big­ler bes­ser den In­itia­tiv­text ge­le­sen, bevor er mit sol­chen Be­haup­tun­gen der In­iti­an­ten sei­nen ei­ge­nen Mit­glie­dern Sand in die Augen streut. Der In­itia­tiv­text sieht näm­lich für KMU kei­ner­lei Aus­nah­men im Haf­tungs­be­reich vor und von «Kon­zer­nen» ist über­haupt nir­gends die Rede, son­dern le­dig­lich von «Un­ter­neh­men».

Und wie steht nun der Schwei­ze­ri­sche Ge­wer­be­ver­band zur In­itia­ti­ve? Er rech­ne damit, dass der Ge­wer­be­ver­band letzt­lich Nein zur In­itia­ti­ve sage, pro­gnos­ti­ziert Big­ler. Na also! Die Mit­glie­der des Ge­wer­be­ver­bands schei­nen of­fen­bar eine kla­re­re Hal­tung zu haben als ihr lau­ni­scher Di­rek­tor.

Was nun not­tue, so Big­ler in der «Ge­wer­be­zei­tung», seien Ex­po­nen­ten, die sich aus ihren «kli­ma­ti­sier­ten Büros hin­aus zum Volk wag­ten» (sic!) und im di­rek­ten Kon­takt die Vor­la­ge er­läu­ter­ten. Dazu brau­che es Glaub­wür­dig­keit und gute Ar­gu­men­te. Wohl­an denn! Wor­auf war­ten Sie noch, Herr Big­ler?