Rechtsvergleich zur Unternehmens-Verantwortungs-Initiative: Nein zur Sonderregulierung
«Unikum», «Singuläre Strenge», «fällt aus dem Rahmen». So lauten einige Schlussfolgerungen eines umfassenden, rechtsvergleichenden Privatgutachtens zur Unternehmens-Verantwortungs-Initiative, welches die Regulierungstrends der letzten Jahre berücksichtigt. Die Analyse des Direktors am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht entlarvt Behauptungen der Initianten auf der Basis von Lehre, Gesetztestexten und aktueller Rechtsprechung. Mit der Unternehmens-Verantwortungs-Initiative würde die Schweiz eine Sonderregulierung schaffen, die weltweit beispiellos wäre. Dasselbe gilt für den initiativnahen Gegenvorschlag des Nationalrats, der genau wie die Volksinitiative eine Kausalhaftung mit Beweislastumkehr einführen will.
Der internationale Rechtsvergleich stellt fest, dass die Unternehmens-Verantwortungs-Initiative (UVI) die enggefasste schweizerische Geschäftsherrenhaftung (Kausalhaftung) neu auf das Verhältnis zwischen zwei rechtlich unabhängigen Firmen (à rechtsträgerübergreifende Haftung) ausdehnen will. Unternehmen A soll auch für Handlungen von Unternehmen B Verantwortung tragen und unter Umständen direkt haftbar werden. Aus rechtlicher Perspektive fordert die UVI damit eine Ausdehnung der Haftung, wie sie weltweit ein «Unikum»[1] wäre. Damit widerlegt Prof. Holger Fleischer die Behauptung, dass die Übertragung des Konzepts der Geschäftsherrenhaftung auf Konzernsachverhalte und kontrollierte Unternehmen einem internationalen Trend entspreche.
Nein zu uferloser Rechtsunsicherheit
Die UVI verschiebt die natürlichen Grenzen der Haftung und schafft damit enorme Rechtsunsicherheiten. Während im Ausland speziell geschaffenen Bestimmungen ihre Anwendungsbereiche «sorgfältig kalibrieren», schafft die Schweiz «in scharfem Kontrast» eine unklare Verfassungsbestimmung, die «uferlose Reichweite und enorme tatbestandliche Unschärfen» aufweist. «Angesichts dieser tatbestandlichen Entgrenzung droht buchstäblich eine «grenzenlose» Haftung für Muttergesellschaften und Auftraggeber in globalen Lieferketten.»[2]
Weiter hält das Gutachten fest, dass der «einseitige Fokus auf die vorgeschlagene Haftungsregelung» im internationalen Vergleich aus dem Rahmen fällt und schädliche Nebenwirkungen für die Unternehmen haben kann. Es verweist schliesslich auch auf den «Bumerang-Effekt von Menschenrechtsklagen»[3]. Ziehen sich Schweizer Unternehmen aufgrund des höheren Haftungsrisikos aus Krisenländern zurück oder beenden ihre Lieferverträge mit lokalen Lieferanten, so ist niemandem geholfen.
Das französische Gesetz verzichtet bewusst auf eine Beweislastumkehr
Schliesslich widerlegt die Analyse auch die Behauptung, dass in Frankreich seit 2017 bereits umgesetzt sei, was die Volksinitiative fordere. Prof. Fleischer hält fest, dass die UVI «um einige Pegelstriche strenger als das spezialgesetzliche Haftungsregime der französischen Loi de vigilance [ist]». Im Gegensatz zur UVI trägt in Frankreich der Kläger «die Beweislast für ein Fehlverhalten […]. Eine ursprünglich vorgesehene Vermutung zulasten der Gesellschaft (présomption de faute) fand keinen Eingang in den endgültigen Gesetzestext. Zur Begründung hiess es, dadurch würden die im Ausland tätigen französischen Gesellschaften unter Generalverdacht gestellt, ihre Wettbewerbsfähigkeit und somit die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Frankreich gemindert.[4] (S. 32)».
Gleiche Mechanik von Initiative und initiativnahem Gegenvorschlag
Aufgrund dieser Konstruktionsfehler mit ihren Kollateralschäden lehnen Bundesrat, Ständerat und alle Dachverbände der Wirtschaft die Volksinitiative wie auch den initiativnahen Gegenvorschlag des Nationalrats ab. Beide Konstrukte verfolgen dieselbe Logik und wollen eine weltweit beispiellose Haftungsmechanik einführen, die dem Standort schadet, die Unternehmen benachteiligt und Mensch und Umwelt mehr schadet wie nützt.
Bundesrat und Ständerat haben eine Alternative zur Initiative erarbeitet. Sie schafft die gewünschte Verbindlichkeit zur Respektierung zentraler internationaler Standards durch Lieferanten von Schweizer Firmen im In- und Ausland, verhindert aber Erpressungsmöglichkeiten gegen Schweizer Unternehmen. economiesuisse akzeptiert diesen weit gehenden Kompromissvorschlag, weil dieser international koordiniert ist und auf bewährte Instrumente setzt.
economiesuisse beauftragte Prof. Dr. Holger Fleischer[5], Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht[6], ein rechtsvergleichendes Privatgutachten zur Unternehmens-Verantwortungs-Initiative zu erstellen und diese in den internationalen Kontext einzuordnen. Der Fokus der Analyse vom Oktober 2019 liegt auf der «haftungsrechtlichen Verantwortung inländischer Konzernmuttergesellschaften […] für ihre ausländischen Töchter und Zulieferer»[7] und befasst sich mit den massgebenden Regelungen in der EU, Deutschland, Frankreich, in den Niederlanden, im Vereinigten Königreich und in den Vereinigten Staaten.
Prof. Fleischer ist Experte für Gesellschaftsrecht, Rechtsvergleiche und Methodenlehre.
[1] Fleischer, H., Gutachterliche Stellungnahme zur rechtsvergleichenden Einordnung der Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen zum Schutz von Mensch und Umwelt», Seite 61
[2] Fleischer, H., Gutachterliche Stellungnahme zur rechtsvergleichenden Einordnung der Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen zum Schutz von Mensch und Umwelt»“, Seite 10
[3] Fleischer, H., Gutachterliche Stellungnahme zur rechtsvergleichenden Einordnung der Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen zum Schutz von Mensch und Umwelt», Seite 12,
[4] Fleischer, H., Gutachterliche Stellungnahme zur rechtsvergleichenden Einordnung der Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen zum Schutz von Mensch und Umwelt», Seite 32
[6] Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg widmet sich der Grundlagenforschung und dem Wissenstransfer in den Bereichen des vergleichenden und internationalen Privat- und Wirtschaftsrechts. Ausgehend von einer Analyse der Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Rechtsordnungen Europas und weltweit untersucht es das Zusammenwirken von privater Regelbildung, nationalen Rechtsordnungen, supranationalem Recht und zwischenstaatlichen Übereinkommen. www.mpipriv.de/
[7] Fleischer, H., Gutachterliche Stellungnahme zur rechtsvergleichenden Einordnung der Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen zum Schutz von Mensch und Umwelt», Seite 18