Konjunktur

Wachs­tum mit an­ge­zo­ge­ner Hand­brem­se

Die schwa­che Kon­junk­tur in ver­schie­de­nen Ex­port­märk­ten auf­grund von In­fla­ti­on, geo­po­li­ti­schen Un­si­cher­hei­ten und hö­he­ren Zin­sen dämpft die Aus­lands­nach­fra­ge nach Schwei­zer Gü­tern und Dienst­leis­tun­gen. Die In­land­nach­fra­ge ist da­ge­gen ver­gleichs­wei­se sta­bil. Die Schwei­zer Wirt­schaft be­haup­tet sich im schwie­ri­gen Markt­um­feld, wenn auch das Wachs­tum un­ter­durch­schnitt­lich bleibt: eco­no­mie­su­is­se schätzt die Zu­nah­me des Schwei­zer Brut­to­in­lands­pro­dukts (BIP) für 2023 auf 1,0 Pro­zent und geht davon aus, dass die ver­hal­te­ne Wirt­schafts­ent­wick­lung mit einem Wachs­tum von 1,1 Pro­zent auch 2024 an­hal­ten wird. Die Ar­beits­lo­sen­quo­te steigt nicht we­sent­lich an und die In­fla­ti­on ver­harrt bei rund zwei Pro­zent.

Die Welt­wirt­schaft wächst nur lang­sam und der Welt­han­del schrumpft der­zeit sogar. Ei­ni­ge Län­der be­fin­den sich in einer Re­zes­si­on. Dies stellt die Schwei­zer Ex­port­wirt­schaft vor Her­aus­for­de­run­gen. Ei­gent­lich müss­ten wegen der Auf­wer­tung des Fran­kens und den hö­he­ren In­fla­ti­ons­ra­ten im Aus­land die Prei­se er­höht wer­den. Doch ge­ra­de in der In­ves­ti­ti­ons­gü­ter­in­dus­trie sind der­zeit Preis­er­hö­hun­gen schwie­rig durch­zu­set­zen, da die schwa­che Nach­fra­ge die Kon­kur­renz­si­tua­ti­on ver­schärft. In Deutsch­land und China schwä­chelt die In­dus­trie und sucht drin­gend nach Ab­satz­mög­lich­kei­ten. So sind die Wa­ren­ex­por­te Chi­nas und Deutsch­lands seit ei­ni­gen Mo­na­ten rück­läu­fig. In bei­den wich­ti­gen Ab­satz­märk­ten sin­ken zudem die Im­mo­bi­li­en­prei­se und der Neu­bau stockt. In China wirkt sich dies stark ne­ga­tiv auf den pri­va­ten Kon­sum aus, da die Kon­su­men­ten ver­un­si­chert sind und sie als Folge der Im­mo­bi­li­en­kri­se einen Ver­lust auf ihrem Er­spar­ten hin­neh­men müs­sen. China wächst zwar 2023, aber deut­lich unter dem Po­ten­zi­al. In Deutsch­land wird der Kon­sum zudem durch die stark ge­stie­ge­nen Prei­se be­las­tet, so dass die Wirt­schaft ins­ge­samt in die­sem Jahr sta­gniert oder sogar leicht schrumpft (siehe hier). Dem­ge­gen­über wächst die Wirt­schaft der USA der­zeit bes­ser als er­war­tet und sie scheint die Zins­er­hö­hun­gen der jün­ge­ren Ver­gan­gen­heit be­mer­kens­wert gut zu ver­kraf­ten.

Die Schwei­zer Ex­port­wirt­schaft be­haup­tet sich in die­sem an­spruchs­vol­len Um­feld er­staun­lich gut, und die Waren- und Dienst­leis­tungs­ex­por­te legen die­ses Jahr auf hohem Ni­veau noch zu. Dies hängt auch damit zu­sam­men, dass ei­ni­ge wich­ti­ge Bran­chen der Schweiz wie die Phar­ma- und die Me­di­zin­tech­nik­in­dus­trie wenig kon­junk­tur­sen­si­bel sind. Die im Ver­gleich zu vor der Pan­de­mie stark ge­stie­ge­nen En­er­gie­prei­se be­las­ten aber die hie­si­gen Pro­du­zen­ten. Sie pro­fi­tie­ren aber davon, dass so­wohl die In­fla­ti­on als auch die Zin­sen im Ver­gleich zum Aus­land deut­lich tie­fer sind. Ent­spre­chend ist auch der Kon­sum in der Schweiz we­ni­ger unter Druck, ob­wohl die No­mi­nal­löh­ne in den letz­ten zwei Jah­ren nicht mit der Preis­ent­wick­lung mit­hal­ten konn­ten. Die Si­tua­ti­on in der Bin­nen­wirt­schaft wird al­ler­dings durch eine schwa­che In­ves­ti­ti­ons­tä­tig­keit ge­trübt, wobei die Aus­rüs­tungs­in­ves­ti­tio­nen sich bes­ser ent­wi­ckeln als die Bau­kon­junk­tur.

Aus­sich­ten sind ver­hal­ten, aber mehr­heit­lich po­si­tiv

Für 2024 er­war­tet die Schwei­zer Wirt­schaft ins­ge­samt eine ähn­li­che wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung wie 2023. Die al­ler­meis­ten Bran­chen gehen davon aus, dass sie 2024 zu­min­dest leicht zu­le­gen wer­den. In der pro­du­zie­ren­den Wirt­schaft bli­cken die Phar­ma-, die Me­di­zi­nal­tech­nik-, die Uhren- und die Le­bens­mit­tel­in­dus­trie po­si­tiv in die Zu­kunft. In­ner­halb der Tex­til­in­dus­trie und der Bau­wirt­schaft wech­seln sich Licht und Schat­ten ab. Deut­lich schwie­ri­ger wird es aber für die Tech-In­dus­trie (Ma­schi­nen-, Elek­tro- und Me­tall­in­dus­trie sowie ver­wand­te Tech­no­lo­gie­bran­chen), wo die ak­tu­el­len Auf­trags­be­stän­de für 2024 einen deut­li­chen Wert­schöp­fungs­rück­gang er­war­ten las­sen. Eben­falls vor einem schwie­ri­gen Jahr steht die che­mi­sche In­dus­trie.

Auch bei den Dienst­leis­tun­gen gehen nur we­ni­ge Bran­chen davon aus, dass ihre Wert­schöp­fung im nächs­ten Jahr sin­ken wird. Dies be­trifft das Druck- und Ver­lags­we­sen und die Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on, die vor allem struk­tu­rell be­dingt eine wei­te­re Schrump­fung er­war­ten. Das Gros der Dienst­leis­tungs­bran­chen aber – Ban­ken, Ver­si­che­run­gen, Be­ra­tung, Gas­tro, Ho­tel­le­rie und Tou­ris­mus, Trans­port, Ge­sund­heit, In­for­ma­tik, De­tail­han­del – er­war­ten für 2024 ein mehr oder we­ni­ger star­kes Wachs­tum.

Nur leich­te Ent­span­nung auf dem Ar­beits­markt

Die Be­schäf­ti­gungs­aus­sich­ten sind nach wie vor gut, auch wenn die An­span­nung auf dem Ar­beits­markt etwas zu­rück­geht. Das Stel­len­wachs­tum und die Zahl der of­fe­nen Stel­len wer­den 2024 etwas zu­rück­ge­hen, und es wird ver­mehrt Un­ter­neh­men geben, die ihren Per­so­nal­be­stand re­du­zie­ren. Al­ler­dings führt der an­hal­ten­de Ar­beits­kräf­te­man­gel dazu, dass viele Un­ter­neh­men, die of­fe­ne Stel­len haben, diese nach Mög­lich­keit be­set­zen wer­den. Die Ar­beits­lo­sen­quo­te ver­harrt daher mit 2,3 Pro­zent wei­ter­hin auf tie­fem Ni­veau.

In­fla­ti­on hält sich im Rah­men

Die In­fla­ti­on ist auch in der Schweiz noch nicht be­siegt. Zwar ist die Teue­rung im Laufe die­ses Jah­res deut­lich zu­rück­ge­gan­gen, doch dies ist vor allem auf die Preis­ent­wick­lung bei den fos­si­len Brenn- und Treib­stof­fen zu­rück­zu­füh­ren. Die gute Nach­richt ist, dass im Ge­gen­satz zu den USA oder der Euro-Zone die Kern­in­fla­ti­on (ohne En­er­gie- und Nah­rungs­mit­tel) in der Schweiz mit der­zeit 1,4 Pro­zent das In­fla­ti­ons­ziel der Schwei­ze­ri­schen Na­tio­nal­bank von 0 bis 2 Pro­zent er­füllt. Die schlech­te Nach­richt aber lau­tet, dass sich für 2024 ei­ni­ge preis­trei­ben­de Fak­to­ren ab­zeich­nen: Der An­stieg der No­mi­nal­löh­ne, deut­lich hö­he­re Strom­prei­se in der Grund­ver­sor­gung, ein An­stieg der Mehr­wert­steu­er und stei­gen­de Mie­ten wer­den die Teue­rung wie­der etwas an­fa­chen. Wer­den die Prei­se für fos­si­le En­er­gie gleich­blei­ben oder sogar sin­ken, soll­te die Teue­rung auf­grund der schwa­chen Wirt­schafts­ent­wick­lung im Jah­res­durch­schnitt aber in der Grös­sen­ord­nung von zwei Pro­zent zu lie­gen kom­men. Es ist daher davon aus­zu­ge­hen, dass die SNB in nächs­ter Zeit höchs­tens einen wei­te­ren Zins­schritt von 0,25 Pro­zent ma­chen wird.

Hand­brem­se bleibt an­ge­zo­gen

In Bezug auf die Ver­wen­dungs­sei­te des Brut­to­in­land­pro­duk­tes be­deu­tet dies, dass der pri­va­te Kon­sum 2024 wei­ter­hin mo­derat zu­neh­men wird. Die tiefe Ar­beits­lo­sig­keit und eine Preis­ent­wick­lung nahe der Preis­sta­bi­li­tät stüt­zen die Nach­fra­ge. Auch die In­ves­ti­ti­ons­tä­tig­kei­ten neh­men in der Schweiz ins­ge­samt leicht zu, wobei der Bau die Tal­soh­le durch­schrit­ten haben soll­te und die Aus­rüs­tungs­in­ves­ti­tio­nen etwas an­stei­gen. eco­no­mie­su­is­se er­war­tet für die­ses Jahr ein Wachs­tum des rea­len Brut­to­in­land­pro­dukts von 1,0 Pro­zent und mit 1,1 Pro­zent ein ähn­lich hohes Wachs­tum im Jahr 2024. Damit ver­harrt das Wirt­schafts­wachs­tum deut­lich unter dem Po­ten­zi­al­wachs­tum. Kaum Wachs­tums­im­pul­se aus dem Aus­land, der an­hal­ten­de Ar­beits­kräf­te­man­gel und gros­se geo­po­li­ti­sche Un­si­cher­hei­ten füh­ren dazu, dass sich die Schwei­zer Wirt­schaft nur mit an­ge­zo­ge­ner Hand­brem­se vor­wärts­be­wegt.

Kon­junk­tur­ri­si­ken blei­ben gross

Die gröss­ten Kon­junk­tur­ri­si­ken sind ge­mäss der Ein­schät­zung der Teil­neh­mer der Um­fra­ge von eco­no­mie­su­is­se:

 

Kon­junk­tur­ri­si­ko

Pro­zent Nen­nun­gen

Geo­po­li­ti­sche Span­nun­gen

22%

Nach­fra­ge­rück­gang

13%

Kon­junk­tur im Aus­land

10%

Ar­beits­kräf­te­man­gel

10%

In­fla­ti­on

10%

Stei­gen­de Zin­sen

10%

(Über-)Re­gu­lie­rung

9%

Wech­sel­kurs

8%

En­er­gie­prei­se

8%

Quel­le: Um­fra­ge eco­no­mie­su­is­se, n=291

 

Die Ri­si­ken lie­gen also in ers­ter Linie im Aus­land und sind oft an­ein­an­der­ge­kop­pelt: Geo­po­li­ti­sche Kri­sen wie eine Aus­wei­tung des Nah­ost-Kon­flik­tes oder des Ukrai­ne-Krie­ges wür­den die Welt­wirt­schaft in Mit­lei­den­schaft zie­hen, den Fran­ken er­star­ken las­sen, po­ten­zi­ell zu star­ken Stei­ge­run­gen der En­er­gie­prei­se füh­ren und so die Nach­fra­ge nach Schwei­zer Pro­duk­ten und Dienst­leis­tun­gen ein­schrän­ken. Dem­ge­gen­über stel­len der Ar­beits­kräf­te­man­gel und die Über­re­gu­lie­rung Wachs­tums­hemm­nis­se aus dem In­land dar.

Zin­sen und In­fla­ti­on be­las­ten eben­falls, ins­be­son­de­re die aus­län­di­schen Märk­te: Die hohen Zin­sen in den USA und in Eu­ro­pa ver­schär­fen die Kre­dit­be­din­gun­gen für Un­ter­neh­men, pri­va­te Haus­hal­te und Staats­haus­hal­te erst nach und nach. Soll­ten sich zudem die Kre­dit­aus­fäl­le ak­zen­tu­ie­ren, könn­te sich dies zu einer Im­mo­bi­li­en- und Ban­ken­kri­se aus­wach­sen. Falls Staa­ten wie Ita­li­en in den Fokus der Märk­te ge­rie­ten, hätte dies weit­rei­chen­de Kon­se­quen­zen für die Welt­wirt­schaft und damit auch für die Schwei­zer Wirt­schaft. Doch es gibt auch Auf­wärts­po­ten­zia­le: Ei­ni­ge Zei­chen deu­ten dar­auf hin, dass sich die In­dus­trie­pro­duk­ti­on 2024 etwas er­ho­len könn­te. Soll­te die In­fla­ti­on zudem Zins­sen­kun­gen in den USA und Eu­ro­pa zu­las­sen, würde dies die Kon­junk­tur be­le­ben.

 

Pro­gno­sen Volks­wirt­schaft­li­che Ge­samt­rech­nung                                                                      

Ver­än­de­rung ge­gen­über Vor­jahr (%)          

 

2020

2021

2022

2023P

2024P

Brut­to­in­land­pro­dukt, real

-2.1

5.4

2.6

1.0

1.1

Pri­va­ter Kon­sum

-3.4

1.8

4.2

1.8

1.5

Öf­fent­li­cher Kon­sum

3.8

3.3

-0.8

0.5

0.6

Bau­in­ves­ti­tio­nen

-1.0

-3.1

-5.5

-1.8

0.0

Aus­rüs­tungs­in­ves­ti­tio­nen

-1.5

5.9

4.5

0.2

2.2

           

Ex­por­te (Total)1

-4.7

12.8

4.1

3.8

1.5

Im­por­te (Total)1

-6.2

6.0

6.1

4.6

2.1

           

1Ohne nicht mo­ne­tä­res Gold und Wert­sa­chen

 

       

 

 

Pro­gno­sen Prei­se und Ar­beits­markt

In­fla­ti­ons­ra­te

-0.7

0.6

2.8

2.2

2.2

Ar­beits­lo­sen­quo­te

3.1

3.0

2.2

2.0

2.3

 

 

Exo­ge­ne An­nah­men*

   
 

2023

2024

Wech­sel­kurs CHF/Euro

0.97

0.94

Wech­sel­kurs CHF/$

0.90

0.85

Öl­preis in $

83

83

Wachs­tums­ra­te U.S.

0.8

1.3

Wachs­tums­ra­te Euro-Zone

0.5

0.8

Wachs­tums­ra­te China

4.2

4.0

Kurz­fris­ti­ge Zin­sen

1.7

1.7

Ren­di­te Bun­des­ob­li­ga­tio­nen

1.1

1.7

     

* In­put­grös­sen für die Schät­zung der Kon­junk­tur­pro­gno­sen