Vorsicht vor falschen Heilsbringern!
Die Paradise Papers zeigen es wieder einmal deutlich: die Welt strotzt vor Heuchlern und Moralisten. Wer genau hinschaut, stellt fest: Diejenigen, die am lautesten schreien und dabei ihre politische Agenda als Heilmittel anpreisen, stellen sich damit gleich selbst ins Abseits.
Kennen Sie Bono, den Frontsänger der irischen Rockband U2? Bono ist in den vergangenen Jahren als unerschrockener Kämpfer gegen Armut und für Menschenrechte aufgetreten. Ausgerechnet er taucht nun – wie Königin Elisabeth II. und viele andere Prominente – in den Paradise Papers auf.
Wie verträgt sich die makellose Etikette des singenden Weltverbesserers mit den Taten des Steueroptimierers? Die Antwort gibt Bono gleich selbst: Wie alle Unternehmer sei er darauf angewiesen, angemessen besteuert zu werden. Damit trifft er den Nagel auf den Kopf: Bei den Paradise Papers geht es um Steueroptimierung im Rahmen des rechtlich Zulässigen. Bestehende Steuerregeln werden genutzt. Ob es ethisch ist, wenn ein als Moralapostel auftretender Popstar diese nutzt, kann hier offen bleiben. Tatsache ist aber, dass Recht und öffentliche Moral nicht immer das Gleiche sind.
Recht und öffentliche Moral sind nicht immer das Gleiche.
Steuerregeln werden dann zu Schlupflöchern, wenn sie international nicht abgestimmt sind. Die Schweiz hat die Zeichen der Zeit erkannt. Sie engagiert sich konstruktiv im entsprechenden Projekt der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): Dieses hat zum Ziel, dass die Unternehmen dort Steuern zahlen, wo sie Gewinne erarbeiten, also wo die Werte geschaffen werden. Seit geraumer Zeit geht der internationale Trend ganz klar in Richtung einer transparenten Steuerpolitik. Bereits im nächsten Jahr setzt die Schweiz auch den internationalen Informationsaustausch im Bereich der Firmenbesteuerung um. Früher teils beliebte Formen der Steuerstrukturierung werden deshalb heute von in- und ausländischen Unternehmen in der Schweiz gemieden. Diese Entwicklungen fanden weitgehend unbemerkt von der öffentlichen Wahrnehmung statt. Bei den Paradise Papers geht es denn auch nicht um die Schweiz – im Fokus der Kritik stehen andere Länder und Territorien.
Trotzdem ist die Empörung über die publik gewordenen legalen Praktiken gross. Die Linke will daraus innenpolitisches Kapital schlagen und konstruiert einen Zusammenhang zur Unternehmens-Verantwortungs-Initiative. Sie sieht die Volksinitiative als Antwort auf die Paradise Papers und preist diese als Heilmittel gegen internationale Steuerpraktiken an. Diese Verknüpfung ist rein politisch motiviert und sachlich in keiner Weise gerechtfertigt.
Will man in der Steuerpolitik etwas verändern, braucht es ein international koordiniertes Vorgehen mit Spielregeln, an die sich alle Staaten halten müssen. Die Schweiz wirkt hier aktiv mit. Denn von einem echten «level playing field» kann unser Land nur profitieren. Die Unternehmens-Verantwortungs-Initiative hingegen hat nichts mit Steuern, Steuervermeidung und damit verbundenen Strukturierungen zu tun. Die Initiative nimmt die Lieferkette der Unternehmen ins Visier und verlangt dort zusätzliche und weltweit einzigartige Haftungsbestimmungen für alle Unternehmen mit Sitz in der Schweiz.
Mit ihrer Polemik versucht die Linke zu kaschieren, um was es bei der Unternehmens-Verantwortungs-Initiative konkret geht. Denn trotz aller Nebelpetarden wird immer klarer, dass ihre Initiative einen vollkommen falschen Ansatz verfolgt und quer zur internationalen Entwicklung steht. Ein besserer Schutz von Mensch und Umwelt – dieses Ziel teilt auch die Wirtschaft – ist nicht durch nationale Sondervorschriften und eine weitgehende Verrechtlichung, sondern durch eine international abgestimmte, bessere Zusammenarbeit von Unternehmen, Behörden und Nichtregierungsorganisationen zu erzielen. Die Unternehmens-Verantwortungs-Initiative setzt auf Konfrontation und mündet in eine Sackgasse. Sie schadet der Schweiz, führt zu einer grenzenlosen Bürokratie und öffnet Klagen gegen Schweizer Firmen Tür und Tor.
Moralisten, die wider besseres Wissen und getrieben von ihrer politischen Agenda versuchen, ein für eine gute Sache schädliches Instrument zu verkaufen, benehmen sich im Grunde genommen wie Quacksalber: Sie bieten marktschreierisch Heilmittel an, welche nichts nützen, sondern vielmehr schaden.