Vier Metalle aus Afrika beschäftigen die Welt in Paris
Paris. Der Mann im blauen Anzug klappert auf der Laptop-Tastatur herum, bis er plötzlich aufhorcht. 120 Millionen. Er rümpft die Nase und schiebt seine Brille zurecht. 120 Millionen Menschen hängen weltweit von Einkünften aus dem Kleinbergbau ab. Das hat soeben eine Expertin den Staatsmännern, Menschenrechtlern und Unternehmensvertretern aufgezeigt, die an der dreitägigen OECD-Konferenz in Paris teilnehmen. Es geht um eine der grössten Herausforderungen der Welt: den Rohstoffabbau in prekären Regionen. Ich sitze neben dem Mann am Laptop, der wieder tippt und klickt. In seinem Gerät steckt Tantal, ein seltenes Metall. Und möglicherweise ein Konfliktmineral.
Bis zu 50 Prozent des weltweit produzierten Tantals schürfen Menschen in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) und damit aus dem Boden, auf dem seit Jahren ein blutiger Konflikt tobt. Diesen finanzieren die Kriegstreiber teilweise dadurch, dass sie die wertvollen Ressourcen der Region verkaufen – nicht nur Tantal, sondern auch Zinn, Wolfram und Gold. Betroffen sind neben der DRK auch ihre Nachbarstaaten.
Die OECD hat hierzu 2011 einen Leitfaden zu verantwortungsvollen Wertschöpfungsketten mit Mineralien aus prekären Regionen herausgegeben – dieser hilft Unternehmen, ihre Programme weiterzuentwickeln, mit denen sie die Herkunft ihrer Rohstoffe überprüfen können. Es geht nicht nur um die Finanzierung von Konflikten. Auch gibt es Fälle, in denen Kinder die Metalle schürfen, in denen Giftstoffe ein- sowie freigesetzt werden und somit die Umwelt verschmutzen.
Die Konferenzteilnehmenden setzen sich mit zahlreichen Fragen auseinander: Wie lassen sich die Leitlinien umsetzen? Wie können die Bemühungen untereinander abgestimmt, wie Doppelspurigkeiten verhindert werden? Und wie lassen sich die Kosten aufteilen? Wer nicht mitdiskutiert, wischt auf seinem Smartphone von Mail zu Mail. Als wichtigste Drehscheibe im Rohstoffhandel ist auch die Schweiz an der Konferenz vertreten – rund 60 Prozent des weltweiten Metallhandels wickeln Zuger, Genfer und Tessiner Firmen ab.
Mich persönlich beeindruckt dabei: Selbst wenn es sie erst seit fünf Jahren gibt, die freiwilligen OECD-Leitlinien zeigen bereits Wirkung. Gemäss Schätzungen überprüfen Unternehmen mittlerweile die Herkunft von 90 Prozent des geförderten Golds, 95 Prozent des Tantals und bis zu 85 Prozent des Zinns mit Programmen, die sich auf die Leitlinien stützen. Solche Programme haben 80'000 afrikanischen Bergbauarbeitern die Chance ermöglicht, ein Einkommen zu erwirtschaften und damit insgesamt 400'000 Menschen zu versorgen. China ist zwar nicht Mitglied der OECD, trotzdem hat das Land am Rande der Konferenz einen eigenen Leitfaden präsentiert, wie seine Unternehmen ihren Sorgfaltspflichten nachkommen sollen.
Doch stellen sich weiterhin Schwierigkeiten. Die Sorgfaltsprüfung ist eine aufwendige Angelegenheit. Der vollkommene Herkunftsnachweis ist zurzeit nicht einmal für Konzerne möglich, die Millionen in solche Programme investieren und zahlreiche Experten daran arbeiten lassen. Apple bezeichnet seine Produkte nicht als konfliktfrei.
Es stehen alle in der Verantwortung – vor allem auch wir, die Konsumenten
Viele kleinere Unternehmen können sich die geforderten Nachweisprogramme nicht leisten – insbesondere in Zeiten rekordtiefer Rohstoffpreise. Der Margendruck ist gewaltig, alle wollen möglichst billige Elektronikgeräte. Die Situation wird nicht einfacher, wenn beispielsweise Kleinbergbauer Gold schürfen.
Erschwerend kommt hinzu, dass Staaten wie etwa die USA einseitig Vorschriften erlassen haben: Sie verlangen, dass ihre Unternehmen darlegen müssen, ob sie in ihren Produkten Konfliktmineralien verwenden. Weil das nicht immer eindeutig möglich ist, verzichten viele Firmen gleich ganz auf Metalle aus der Demokratischen Republik Kongo und ihren Nachbarstaaten – wodurch dort Menschen ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen verlieren.
Solo schaffen Staaten weltweit keinen sorgfältigeren Rohstoffabbau, Fortschritte bedingen international abgestimmte Lösungen. Die Schweiz soll sich darum weiterhin im Rahmen der OECD einbringen und an Standards mitarbeiten, die weltweit mitgetragen werden. Denn um die Herausforderungen anzugehen, stehen alle in der Verantwortung – Regierungen vor Ort, die Staaten, die Entwicklungshilfe bereitstellen, die Zivilgesellschaft, selbstverständlich auch die Unternehmen. Und vor allem, doch das wird an der Konferenz kaum erwähnt: Wir, die Konsumentinnen und Konsumenten. Die sind hier zwar zahlreich vertreten, jeder hat einen Laptop, ein Smartphone oder Tablet dabei. Doch wer nimmt sich schon selbst gerne in die Pflicht?