Stromleitung

Strom­ver­sor­gung: Auch die Nach­fra­ge­sei­te soll sich an der Win­ter­re­ser­ve be­tei­li­gen kön­nen

Auk­tio­nen zum Strom­spa­ren kön­nen eine sinn­vol­le Er­gän­zung der Win­ter­re­ser­ve dar­stel­len, wenn sie rich­tig aus­ge­stal­tet wer­den. En­er­gie­in­ten­si­ve Un­ter­neh­men sind die prä­des­ti­nier­te Ziel­grup­pe. Aber man muss sich auch den Gren­zen des An­sat­zes be­wusst sein.

Seit sich ab­zeich­net, dass die En­er­gie in die­sem und auch im nächs­ten Win­ter knapp wer­den könn­te, spries­sen die krea­ti­ven Ein­fäl­le aus dem Boden, um einer all­fäl­li­gen Not­si­tua­ti­on zu be­geg­nen. Eine schon län­ger kur­sie­ren­de Idee sind fi­nan­zi­el­le An­rei­ze für Strom­ein­spa­run­gen.

Das Kon­zept ist grund­sätz­lich sim­pel: Der Bund zahlt Ver­brau­chen­den (bei­spiels­wei­se in­dus­tri­el­len Gross­ver­brau­chern) eine Ab­gel­tung, damit sie ihre Nach­fra­ge in brenz­li­gen Si­tua­tio­nen dros­seln und so eine Kon­tin­gen­tie­rung oder Netz­ab­schal­tun­gen ver­hin­dern. So weit, so gut. Schaut man sich das Ganze etwas ge­nau­er an, zeigt sich je­doch schnell, dass der Teu­fel im De­tail der Um­set­zung liegt.

Ein Auk­ti­ons­sys­tem für Strom­ein­spa­run­gen ist mit drei Grund­pro­ble­men kon­fron­tiert:

  1. Kos­ten für den Staat: Damit Ver­brau­chen­de ihre Nach­fra­ge re­du­zie­ren, müs­sen ihre Op­por­tu­ni­täts­kos­ten ge­deckt sein. Das heisst, der Ver­zicht eines Un­ter­neh­mens auf die Pro­duk­ti­on muss ins­ge­samt güns­ti­ger sein, als bei hohen En­er­gie­prei­sen und einer un­si­che­ren Ver­sor­gung wei­ter zu pro­du­zie­ren. Die­ser «Preis der Fle­xi­bi­li­tät» könn­te hoch sein, ins­be­son­de­re wenn die Auk­ti­on kurz­fris­tig in einer aku­ten Man­gel­la­ge statt­fin­det – dar­auf deu­tet eine ak­tu­el­le Mo­del­l­ana­ly­se hin.
  2. Mit­nah­me­ef­fek­te: Um die Auk­tio­nen güns­tig und auch wirk­sam zu hal­ten, wird der Staat die­je­ni­gen Last­re­duk­tio­nen ent­schä­di­gen wol­len, die zu den tiefs­ten Kos­ten pro Ki­lo­watt­stun­de rea­li­siert wer­den kön­nen. Das dürf­ten zum Bei­spiel Un­ter­neh­men sein, die in ihrer Pro­duk­ti­on fle­xi­bel sind, also auf­grund ihrer Pro­zes­se re­la­tiv ein­fach En­er­gie ein­spa­ren kön­nen. In die­sem Fall würde der Staat je­doch of­fe­ne Türen ein­ren­nen und für Ein­spa­run­gen be­zah­len, die auf­grund der hohen En­er­gie­prei­se und un­si­che­ren Ver­sor­gung so­wie­so auch frei­wil­lig rea­li­siert wür­den. Fir­men ver­schwen­den schliess­lich keine En­er­gie und re­agie­ren auf die Preis­si­gna­le des Mark­tes.
  3. Trans­ak­ti­ons­kos­ten: Eine Auk­ti­on ist prin­zi­pi­ell eine schlan­ke und prag­ma­ti­sche Form der Preis­fin­dung, weil sie In­for­ma­ti­ons­asym­me­tri­en ent­schärft. Ein­fa­cher aus­ge­drückt: Es kann prak­tisch nicht ge­schum­melt wer­den. Den­noch braucht der Auf­bau eines Auk­ti­ons­sys­tems Zeit und Res­sour­cen, die man bei einer aku­ten Man­gel­la­ge wohl nicht hat. Damit man im Ernst­fall schnell han­deln kann, müss­te die Re­ser­ve vor­ge­hal­ten wer­den, was zu­sätz­li­che Kos­ten ver­ur­sacht.

Den­noch las­sen sich Auk­tio­nen auch so aus­ge­stal­ten, dass diese Pro­ble­me nicht auf­tre­ten: Der stra­pa­zier­te Bun­des­haus­halt kann ein Auk­ti­ons­sys­tem für Strom­ein­spa­run­gen nicht fi­nan­zie­ren. Da­ge­gen böte sich eine kurz­fris­ti­ge, tem­po­rä­re Fi­nan­zie­rung über be­ste­hen­de Netz­ge­büh­ren an, wie dies ähn­lich auch bei der neu ge­bil­de­ten Was­ser­kraft­re­ser­ve der Fall ist. Die Las­t­ab­wür­fe wären letzt­lich ein Bei­trag an die Sys­tem­sta­bi­li­tät, der auch im Sinne der Netz­be­trei­be­rin­nen ist.

Mit­nah­me­ef­fek­te las­sen sich re­du­zie­ren, indem die Ziel­grup­pe mög­lichst ein­heit­lich ge­hal­ten wird. Will heis­sen: Nur en­er­gie­in­ten­si­ve In­dus­trie­be­trie­be soll­ten für einen sol­chen Me­cha­nis­mus ins Auge ge­fasst wer­den. Diese ver­fü­gen über re­la­tiv ähn­li­che Vor­aus­set­zun­gen (gros­ser, kon­zen­trier­ter Ver­brauch, ähn­li­che Fle­xi­bi­li­tät). Das wäre am wirk­sams­ten, denn so könn­te mit we­ni­gen Las­t­ab­wür­fen kurz­fris­tig re­la­tiv viel Nach­fra­ge re­du­ziert wer­den. Damit würde die In­dus­trie in eine Vor­leis­tung gehen, die ein­schnei­den­de Mass­nah­men wie Kon­tin­gen­tie­run­gen und Netz­ab­schal­tun­gen ver­hin­dert. Ein an­ge­neh­mer Ne­ben­ef­fekt die­ses An­sat­zes wäre schliess­lich, dass eine der­art be­grenz­te Auk­ti­on auch die Trans­ak­ti­ons­kos­ten im Zaum hält.

Auk­tio­nen kön­nen sinn­voll sein

Zu guter Letzt darf man bei einem Auk­ti­ons­me­cha­nis­mus das gros­se Ganze nicht aus den Augen ver­lie­ren: In nor­ma­len Zei­ten braucht es keine zu­sätz­li­chen An­rei­ze des Staa­tes für Ef­fi­zi­enz­mass­nah­men oder Nach­fra­ge­re­duk­ti­on. Die Preis­si­gna­le des Mark­tes schaf­fen ge­nü­gend An­rei­ze. Hin­ge­gen kön­nen sie sinn­voll sein, wenn die Sys­tem­sta­bi­li­tät ge­fähr­det ist und es eine kurz­fris­ti­ge Re­ak­ti­on braucht. Spar­auk­tio­nen eig­nen sich als kom­ple­men­tä­res Mit­tel zu an­de­ren Re­ser­ve­bil­dungs­me­cha­nis­men wie der Was­ser­kraft­re­ser­ve oder den vom Bund an­ge­schaff­ten Gas­tur­bi­nen. Diese Mass­nah­men hel­fen, Kon­tin­gen­tie­run­gen oder gar Netz­ab­schal­tun­gen zu ver­hin­dern. Tritt trotz die­ser Mass­nah­men tat­säch­lich der Kon­tin­gen­tie­rungs­fall ein, bleibt der Han­del von Kon­tin­gen­ten eine un­er­läss­li­che, letz­te Ab­si­che­rung.

Auch mit­tel- bis lang­fris­tig bleibt die Stoss­rich­tung klar: Es braucht mehr Strom­pro­duk­ti­on und eine si­che­re En­er­gie­ver­sor­gung, um Not­fäl­len vor­zu­beu­gen. Um dann auch eine wirk­lich in­tel­li­gen­te Nach­fra­ge­sei­te zu er­rei­chen, braucht es keine staat­li­chen Auk­tio­nen, son­dern die Strom­markt­öff­nung und einen In­ves­ti­ti­ons- und In­no­va­ti­ons­schub.