Ein klei­ner Schritt für die Schweiz, ein gros­ser Schritt für die Ver­sor­gungs­si­cher­heit

Das Wich­tigs­te in Kürze:

  • Die lang­fris­ti­ge Auf­recht­er­hal­tung der Ver­sor­gungs­si­cher­heit der Schweiz ist ent­schei­dend.
  • Das neue Strom­ab­kom­men mit der EU mar­kiert einen wich­ti­gen Schritt in diese Rich­tung.
  • Klein­kun­den ris­kie­ren nichts durch eine Markt­öff­nung, da sie die Wahl haben, bei der Grund­ver­sor­gung zu blei­ben oder ihren An­bie­ter frei zu wäh­len.

Es gibt die Star Wars-Saga und in der Schweiz die des Strom­mark­tes. Seit mehr als 20 Jah­ren strei­ten sich zwei Lager dar­über, wie die elek­tri­sche Kraft zu ma­na­gen ist, ent­we­der indem man sie der ver­meint­lich ob­sku­ren Macht des Mark­tes über­lässt oder dem an­ge­bo­re­nen Wohl­wol­len der Öf­fent­lich­keit. Mit dem Ab­schluss des Strom­ab­kom­mens zwi­schen der Schweiz und der EU hat eine neue Epi­so­de be­gon­nen. Wie in Star Wars ver­lie­ren die Un­ein­ge­weih­ten sehr schnell den Faden der Ge­schich­te und es ist gut, die zen­tra­len The­men die­ser De­bat­te zu be­leuch­ten. Das Wich­tigs­te ist die lang­fris­ti­ge Auf­recht­er­hal­tung der Ver­sor­gungs­si­cher­heit der Schweiz.

Der Markt ist (schon) über­all

Ist die Schweiz das letz­te eu­ro­päi­sche Land, das sich dem Strom­markt wi­der­setzt? Ober­fläch­lich be­trach­tet ja, aber nur ober­fläch­lich be­trach­tet. Das Volk hatte die voll­stän­di­ge Markt­öff­nung im Jahr 2002 ab­ge­lehnt und die Ver­su­che des Bun­des­ra­tes, das Thema er­neut auf­zu­grei­fen, sind alle ge­schei­tert. Den­noch ist der Markt be­reits weit­ge­hend ge­öff­net. Alle Kun­den, deren Ver­brauch einen be­stimm­ten Schwel­len­wert (100 MWh) über­schrei­tet, kön­nen be­reits ihre Lie­fe­ran­ten wäh­len. Zwei Drit­tel von ihnen haben sich für die Frei­heit ent­schie­den, was 80 Pro­zent der von den Kun­den ober­halb der Schwel­le ver­brauch­ten En­er­gie ent­spricht. Die rund 600 Strom­ver­sor­ger in der Schweiz, die sich alle in öf­fent­li­cher Hand be­fin­den, haben diese teil­wei­se Öff­nung of­fen­sicht­lich ohne Ver­lus­te oder Auf­se­hen be­wäl­tigt. Sie selbst kau­fen den Gross­teil ihres Stroms auf dem Markt, da nur ein Drit­tel davon selbst pro­du­ziert wird. Kurz ge­sagt, nur die Klein­kun­den haben keine Wahl und blei­ben Ge­fan­ge­ne ihres lo­ka­len Ver­sor­gers.

Klein­kun­den nicht wirk­lich ge­schützt

Die Geis­sel eines Preis­an­stiegs für Klein­kun­den wird von den Geg­nern einer voll­stän­di­gen Markt­öff­nung stän­dig ge­schwun­gen. Aber die Schwei­zer Ge­fan­ge­nen­kun­den haben nach dem An­griff Russ­lands auf die Ukrai­ne einen sprung­haf­ten An­stieg ihrer Rech­nun­gen er­lebt. Der feh­len­de Markt hat sie of­fen­sicht­lich nicht ge­schützt. Der Durch­schnitts­preis ist von 21 Cent pro Ki­lo­watt­stun­de im Jahr 2020 auf der­zeit 29 Cent ge­stie­gen, womit die Schweiz zu den teu­ers­ten Län­dern Eu­ro­pas ge­hört. Es sei daran er­in­nert, dass die Elek­tro­nen und damit der Markt nur etwa ein Drit­tel der Rech­nung aus­ma­chen, der Rest sind Trans­port­kos­ten und Steu­ern. Diese bei­den Pos­ten sind in den letz­ten Jah­ren so­wohl in der Schweiz als auch in Eu­ro­pa stark ge­stie­gen.

In Wirk­lich­keit ris­kie­ren klei­ne Kun­den nichts durch eine Markt­öff­nung. Ganz ein­fach, weil sie immer die Wahl haben, ent­we­der bei der Grund­ver­sor­gung ihres lo­ka­len An­bie­ters zu kon­trol­lier­ten Be­din­gun­gen zu blei­ben oder ihren An­bie­ter frei zu wäh­len. Das mit Eu­ro­pa aus­ge­han­del­te Ab­kom­men sieht dies vor und sehr viele EU-Län­der prak­ti­zie­ren die­ses Sys­tem. Ein ge­wis­ses Mass an Wett­be­werb würde den Kun­den ein­deu­tig zu­gu­te­kom­men, da er die Lie­fe­ran­ten dazu an­re­gen würde, ihren Ser­vice zu ver­bes­sern, ihre Leis­tun­gen wei­ter­zu­ent­wi­ckeln und die Ver­su­chung zu dämp­fen, die Prei­se für ihre ge­bun­de­nen Kun­den zu er­hö­hen.

Eu­ro­pa hält zu Recht an sei­nem Markt fest

Un­se­re eu­ro­päi­schen Nach­barn haben sich dafür ent­schie­den, ihre Strom­net­ze über einen Markt zu ver­bin­den, nicht aus Liebe zum Li­be­ra­lis­mus, son­dern um die Ver­sor­gungs­si­cher­heit für alle zu er­hö­hen. Diese Ent­schei­dung er­weist sich mehr als sinn­voll, da vor den Toren Eu­ro­pas ein Krieg tobt und die in­ter­na­tio­na­le Un­si­cher­heit ge­fähr­lich zu­nimmt. Ei­ni­ge hat­ten ge­hofft, dass der Markt die En­er­gie­kri­se von 2022 nicht über­le­ben würde. Das Ge­gen­teil ist ein­ge­tre­ten, mit einer An­pas­sung sei­ner Re­geln, um ihn ro­bus­ter zu ma­chen.

Das wahre Ri­si­ko be­steht darin, sich vom Markt fern­zu­hal­ten

Die Schweiz be­fin­det sich im Her­zen des eu­ro­päi­schen Strom­sys­tems, bleibt aber das ein­zi­ge Land, das nicht wirk­lich da­zu­ge­hört. Die­ses Pa­ra­do­xon könn­te uns immer mehr kos­ten. Die Be­trei­ber des Schwei­zer Strom­net­zes und die Pro­du­zen­ten sind prak­tisch vom eu­ro­päi­schen Netz­steue­rungs­sys­tem aus­ge­schlos­sen. Dies stört den Be­trieb un­se­res ei­ge­nen Net­zes und er­for­dert kost­spie­li­ge Ein­grif­fe, um es im Gleich­ge­wicht zu hal­ten. Das Ab­seits­ste­hen wird auch die Im­por­te ver­teu­ern und er­schwe­ren, die wir im Win­ter drin­gend be­nö­ti­gen. Die Nach­bar­län­der geben näm­lich ab die­sem Jahr dem ei­ge­nen Strom­aus­tausch auf ihrem Netz Vor­rang. Dar­über hin­aus kön­nen un­se­re Pro­du­zen­ten ihre Pro­duk­ti­on nicht voll­stän­dig ver­wer­ten. Unter die­sen Be­din­gun­gen ist es nicht ver­wun­der­lich, dass die Schwei­zer Strom­bran­che, allen voran der VSE und Swiss­grid, die volle Teil­nah­me am eu­ro­päi­schen Strom­sys­tem for­dern. Alles in allem würde dies nur mi­ni­ma­le und völ­lig über­schau­ba­re An­pas­sun­gen un­se­rer Vor­schrif­ten er­for­dern. Es wäre ein klei­ner Schritt für die Schweiz, aber ein sehr gros­ser Schritt zur Ver­bes­se­rung un­se­rer Ver­sor­gungs­si­cher­heit.

Die­ser Ar­ti­kel er­schien auf der Web­sei­te swis­spowers­hift.ch