Statt Industriepolitik braucht die Wirtschaft bessere Rahmenbedingungen
Der Bundesrat hat in seinem Lagebericht recht: Die Schweiz sollte auch künftig auf eine aktivistische Industriepolitik verzichten. Stattdessen sollen die Rahmenbedingungen verbessert werden. Dazu braucht es aber nicht Worte, sondern Taten. Angesichts der riesigen Subventionen im Ausland drängt die Zeit.
Die Industriepolitik erlebt eine Renaissance: Grosse Industrienationen beschliessen milliardenschwere Subventionsprogramme. Prominente Beispiele sind der Inflation Reduction Act in den USA und der Green Deal Industrial Plan in der EU. Auch einzelne EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland und Frankreich sowie Länder wie Kanada und Grossbritannien setzen wieder verstärkt auf industriepolitische Massnahmen. Die verschiedenen Krisen der jüngeren Vergangenheit haben offenbar den Gestaltungswillen der Politik neu belebt. Industriepolitik und Protektionismus sind wieder salonfähig geworden. Die Schweiz als offene Volkswirtschaft ist diesen Entwicklungen ausgesetzt. Es ist daher folgerichtig, dass sich der Bundesrat in seinem Lagebericht zur Schweizer Volkswirtschaft 2024 mit den Auswirkungen der ausländischen Industriepolitik befasst.
Industriepolitik ist teurer und ineffizient
Eine mögliche Antwort auf die Industriepolitik im Ausland wäre eine verstärkte vertikale Industriepolitik in der Schweiz. Unter vertikal versteht der Bundesrat eine Festlegung von spezifischen Branchen, Produkten und Technologien, die der Staat als strategisch relevant erachtet. Diese würden dann gezielt gefördert. Die Probleme einer vertikalen Industriepolitik aber sind beträchtlich und hinreichend bekannt. Zum einen ist der Staat ein schlechter Unternehmer. Welche Unternehmen auf die richtigen Produkte und Innovationen setzen und in Zukunft profitabel sein werden, lässt sich aus den Amtsstuben nur schwer beurteilen. Zum anderen öffnet die vertikale Industriepolitik der politischen Einflussnahme Tür und Tor. Die Mittel fliessen nicht zu den produktivsten Unternehmen, sondern zu den politisch einflussreichsten. Industriepolitische Massnahmen dieser Art verzerren den Wettbewerb. Die Förderung bestimmter Produkte und Technologien bedeutet immer eine Benachteiligung anderer. Schliesslich gewöhnen sich die subventionierten Unternehmen an die Staatsunterstützung, werden träge, weniger innovativ und sorgen sich mehr um Politik statt darum, sich im Markt zu behaupten. Neben den direkten Kosten der Förderung entstehen so massive indirekte Kosten. Diese müssen die Bürgerinnen und Bürger über Steuern und überhöhte Preise bezahlen.
Die Analyse des Bundesrats ist richtig
Der Bundesrat betont im Lagebericht völlig zurecht, dass eine vertikale Industriepolitik für die Schweiz nicht zielführend ist. Industriepolitische Massnahmen dieser Art sind teuer und ineffizient. Dies gilt für die erwähnten Programme in den USA und der EU und würde in der kleinen Volkswirtschaft Schweiz in besonderem Masse gelten. Der Bundesrat tut gut daran, an seiner bisherigen Praxis festzuhalten. Er bezeichnet diese im Lagebericht als horizontale Industriepolitik. Darunter versteht er die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für alle Unternehmen und eine grundsätzlich branchen- und technologieneutrale Förderung, beispielsweise im Klima- und Energiebereich.
Die Politik muss Rahmenbedingungen verbessern und nicht nur davon reden!
Einleitend zeigt der Bundesrat im Lagebericht Bereiche auf, in denen die Rahmenbedingungen verbessert werden müssen. Dazu gehören beispielsweise die Stärkung einer sicheren und kostengünstigen Stromversorgung, die bessere Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials, die Stabilisierung des bilateralen Wegs mit der EU sowie der Abschluss weiterer Freihandelsabkommen. All diese Stossrichtungen unterstützt economiesuisse. Die Politik ist nun aber aufgerufen, in diesen Bereichen auch endlich einen Schritt vorwärtszumachen. Angesichts der zunehmenden Industriepolitik im Ausland drängt die Zeit. Und es ist nicht etwa so, dass die heutigen Rahmenbedingungen herausragend sind: Auch die Schweizer Politik war in den letzten Jahren zwar nicht in der Industriepolitik, aber in vielen anderen Bereichen zu aktivistisch. Deshalb leiden die hiesigen Unternehmen unter der zunehmenden Regulierungsdichte. Die Bürokratie wächst. Der ökonomische Freiraum wird eingeschränkt. Damit verbunden ist eine öffentliche Verwaltung, die in den letzten Jahren stark aufgebläht wurde. Der Bundesrat hat völlig Recht, wenn er statt auf Industriepolitik auf günstige Rahmenbedingungen setzen will. Nun gilt es aber, die Buchstaben des Lageberichts in politische Realität umzusetzen - nicht nur im Grossen, sondern in der gesamten Regulierungspraxis.