Schweizerische und britische Finanzdienstleister fordern neues Handelsmodell
Die Corona-Pandemie stellt die Wirtschaft vor grosse Herausforderungen. Davor ist auch die Finanzdienstleistungsbranche nicht gefeit. Für die Krisenbewältigung braucht es nun ein starkes Signal für offene Märkte für Finanzdienstleistungen und vertiefte grenzüberschreitende Zusammenarbeit. In einem gemeinsamen Positionspapier fordern economiesuisse und TheCityUK ihre Regierungen deshalb auf, die bilateralen Handelsbeziehungen basierend auf der gegenseitigen Anerkennung von Regulierungen möglichst rasch zu vertiefen.
Die Schweiz und Grossbritannien zählen zu den stärksten Finanzplätzen und grössten Exporteuren von Finanzdienstleistungen weltweit. Gleichzeitig verbindet sie langjährige und enge Wirtschaftsbeziehungen. Diese konnten durch eine Reihe bilateraler Abkommen, die zwischen Dezember 2018 und Februar 2019 unterzeichnet wurden, auch über den Zeitpunkt des Brexit hinaus weitgehend gesichert werden. So wertvoll diese Lösung auch ist, eine weitere Vertiefung im gegenseitigen Marktzugang für Finanzdienstleister beider Staaten ist nur über ein neues Handelsabkommen zu erreichen.
Neues Positionspapier zur Stärkung der Handelsbeziehungen für Finanzdienstleistungen
economiesuisse und TheCityUK haben hierzu mit massgeblicher Unterstützung der relevanten Branchenverbände der Finanz- und Assekuranzindustrie beider Länder in den letzten Monaten ein gemeinsames Positionspapier erarbeitet. Es skizziert die Eckpunkte und Prioritäten für die bilateralen Handelsbeziehungen der nächsten Generation im Finanzdienstleistungsbereich aus Sicht der Industrie und enthält wesentliche Vorschläge zuhanden beider Regierungen. «Die Herausforderung, die das Corona-Virus mit sich bringt, erfordert, dass wir härter denn je daran arbeiten müssen, die internationalen Märkte offenzuhalten und die Fortsetzung der Handelsströme zu ermöglichen», sagt Monika Rühl, Vorsitzende der Geschäftsleitung von economiesuisse und ergänzt: «Deshalb sollten wir in unseren bilateralen Beziehungen mit Grossbritannien nun einen Schritt vorwärtsmachen.»
Bessere Rahmenbedingungen für grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen als Hauptziel
Vor dem Hintergrund der Vergleichbarkeit der Ansätze zur Finanzmarktregulierung und der Ähnlichkeit allgemeiner Aufsichtsregelungen ist das Prinzip der Äquivalenz von Finanzdienstleistungen, wie es bisher von der EU angewandt wird, für eine zukünftige bilaterale Vereinbarung zwischen der Schweiz und Grossbritannien nicht ausreichend. Stattdessen sollte der Marktzugang für grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen in verschiedenen Bereichen ausgeweitet werden. Dazu zählen etwa Banking und Investment, Asset Management, Versicherungen oder die Finanzmarktinfrastruktur. Das Schlüsselprinzip soll dabei die gegenseitige Anerkennung der jeweiligen relevanten nationalen regulatorischen Vorgaben (mutual recognition) auf der Grundlage vergleichbarer Ergebnisse, anstatt harmonisierter Regulierungen sein. Zusätzlich sollten in einer künftigen Vereinbarung auch Themenbereiche wie etwa die Daten- und Cybersicherheit abgedeckt werden. Miles Celic, CEO von TheCityUK: «Wir haben hier die Gelegenheit, einen neuen Goldstandard für den globalen Dienstleistungshandel zwischen zwei souveränen Nationen zu setzen.»
Memorandum of Understanding so rasch wie möglich unterzeichnen
Die Schweiz und Grossbritannien sollen hierzu baldmöglichst eine Absichtserklärung (Memorandum of Unterstanding) unterzeichnen. Diese sollte den Willen zur Vertiefung der institutionellen, regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Zusammenarbeit, zur Stärkung globaler Regulierungsstandards im Finanzbereich und zum gemeinsamen Engagement für künftige Liberalisierungen des Finanzdienstleistungshandels auf globaler Ebene bekräftigen. Zudem soll die Vereinbarung einen zeitlichen Fahrplan für ein massgeschneidertes bilaterales Abkommen beinhalten, der auch den Einbezug der Aufsichtsbehörden sowie der Industrie mit einschliesst. Mit Blick auf die gemeinsamen Interessen der Schweiz und Grossbritanniens und das grosse Potenzial im bilateralen Finanzdienstleistungshandel kann ein solches Abkommen rasch erreicht werden und für beide Länder Vorteile bringen.