Zwei Anwälte diskutieren

Schwei­zer Un­ter­neh­men wol­len keine Sam­mel­kla­gen

Im Auf­trag von eco­no­mie­su­is­se und Swiss­Hol­dings führ­te die For­schungs­stel­le So­to­mo unter der Lei­tung von Po­lit­geo­graf Mi­cha­el Her­mann eine Stu­die zur Be­wer­tung von Sam­mel­kla­gen durch. Be­fragt wur­den ju­ris­tisch ver­sier­te Fach­per­so­nen aus un­ter­schied­lichs­ten Un­ter­neh­men und aus allen Bran­chen. Das Er­geb­nis zeigt klar, dass die Un­ter­neh­men die Vor­la­ge des Bun­des­rats mehr­heit­lich sehr skep­tisch be­ur­tei­len.

Seit über zehn Jah­ren wird in der Schweiz über die Ein­füh­rung von Sam­mel­kla­gen dis­ku­tiert. Seit zwei Jah­ren berät die Rechts­kom­mis­si­on des Na­tio­nal­rats über die Ein­füh­rung von er­wei­ter­ten Ver­bands­kla­gen und Grup­pen­ver­glei­chen. Sie ist noch nicht auf die Vor­la­ge ein­ge­tre­ten, da sie be­rech­tig­te Zwei­fel daran hat, ob die Vor­la­ge des Bun­des­ra­tes nicht doch mit einer um­fas­sen­den Sys­tem­än­de­rung in un­se­rem Rechts­sys­tem ver­bun­den wäre, deren Aus­wir­kun­gen auf den Stand­ort Schweiz, unser Rechts­ver­ständ­nis und un­se­re Streit­kul­tur (zu) gross wären. Um die Wir­kung die­ser In­stru­men­te in der Pra­xis auf­zei­gen zu kön­nen, hat eco­no­mie­su­is­se zu­sam­men mit SwissHod­lings dazu bei der For­schungs­stel­le So­to­mo eine Stu­die in Auf­trag ge­ge­ben.
 

​ Down­load der So­to­mo-Stu­die ​

 

Die Schwei­zer Un­ter­neh­men wol­len keine Sam­mel­kla­gen

Die Aus­wer­tung der Um­fra­ge er­mög­licht es, ein ob­jek­ti­ves Bild von Sei­ten der Un­ter­neh­men zu er­hal­ten, wie sie die ak­tu­el­le Rechts­la­ge bei Kol­lek­tiv­schä­den ein­schät­zen und wel­che Ver­än­de­run­gen sie im Falle der Ein­füh­rung von Sam­mel­kla­gen er­war­ten wür­den. Und die Er­geb­nis­se zei­gen ein kla­res Bild: Sam­mel­kla­gen sind aus Sicht der Schwei­zer Un­ter­neh­men nicht ziel­füh­rend und grund­sätz­lich ab­zu­leh­nen. Die Un­ter­neh­men spre­chen sich gross­mehr­heit­lich und klar gegen die Ein­füh­rung von Sam­mel­kla­gen aus Ins­be­son­de­re er­war­ten sie eine Zu­nah­me von be­son­ders öf­fent­lich­keits­wirk­sa­men Ge­richts­ver­fah­ren gegen Un­ter­neh­men in der Schweiz und damit ver­bun­den auch gros­se Re­pu­ta­ti­ons­ri­si­ken. Sie be­fürch­ten, dass der Druck auf die Un­ter­neh­men zu­nimmt, sich vor­schnell auf einen Ver­gleich ein­zu­las­sen.

Pro­fes­sio­nel­le Pro­zess­fi­nan­zie­rer als Haupt­pro­fi­teu­re

So­weit Un­ter­neh­men In­stru­men­te zur Durch­set­zung von kol­lek­ti­ven Schä­den schär­fen wol­len, set­zen sie auf Al­ter­na­ti­ven wie Om­buds­ver­fah­ren, tech­no­lo­gi­sche Mit­tel oder auf die Op­ti­mie­rung der be­ste­hen­den Kla­ge­ty­pen. Diese be­wer­ten sie ge­gen­über den Sam­mel­kla­gen als klar über­le­gen. Sam­mel­kla­gen füh­ren zudem zu er­höh­ten Ri­si­ko­kos­ten, die auch den Kon­su­men­tin­nen und Kon­su­men­ten wei­ter­ge­reicht wer­den könn­ten. Davon wür­den ins­be­son­de­re An­wäl­tin­nen und An­wäl­te, NGOs und Ak­ti­vis­ten aber ins­be­son­de­re auch pro­fes­sio­nel­le Pro­zess­fi­nan­zie­rer pro­fi­tie­ren. Ver­lie­rer wäre der Wirt­schafts­stand­ort Schweiz.

Er­fah­run­gen aus dem Aus­land schre­cken ab

Je grös­ser ein Un­ter­neh­men ist und je mehr Er­fah­run­gen ein Un­ter­neh­men mit Sam­mel­kla­gen – ins­be­son­de­re im Aus­land – hat, desto stär­ker über­wie­gen die Be­den­ken ge­gen­über der Vor­la­ge. Damit be­stä­tigt die Um­fra­ge auch die oft ge­äus­ser­te Haupt­sor­ge: dass ge­ra­de die Schweiz mit gros­sen und fi­nanz­kräf­ti­gen Un­ter­neh­men ein sehr at­trak­ti­ves Ziel ist für Or­ga­ni­sa­tio­nen, die dar­auf spe­zia­li­siert sind, mit Sam­mel­kla­gen Ge­winn zu ma­chen.

Die Rechts­kom­mis­si­on des Na­tio­nal­ra­tes wird am 11. April 2024 ihre Be­ra­tun­gen über Ein­tre­ten auf die Vor­la­ge des Bun­des­ra­tes fort­set­zen. An­ge­sichts der er­heb­li­chen Schwä­chen des Bun­des­rats­vor­schla­ges und der damit ver­bun­de­nen Ge­fah­ren für den Stand­ort Schweiz setzt die Wirt­schaft dar­auf, dass die Kom­mis­si­on diese rechts­tech­nisch über­hol­te Vor­la­ge nicht mehr wei­ter ver­folgt.

Bei Rück­fra­gen ste­hen De­ni­se Lau­fer (Mit­glied der Ge­schäfts­lei­tung Swiss­Hol­dings) und Erich Her­zog (Lei­ter Wett­be­werb und Re­gu­la­to­ri­sches eco­no­mie­su­is­se) gerne zur Ver­fü­gung.