Sammelklagen: Das Parlament stellt die Vorlage zu Recht infrage
Der Bundesrat schlägt dem Parlament die Einführung von Sammelklagen zulasten des Wirtschaftsstandorts vor. Seine Vorlage überzeugt nicht, da zu viele Fragen offenbleiben. Das sieht jetzt auch die Rechtskommission des Nationalrats so. Sie entschied am vergangenen Freitag, das Eintreten auf die Vorlage aufzuschieben. Das zuständige Departement muss weitere Zusatzabklärungen treffen.
Der Bundesrat hatte am 10. Dezember 2021 die Botschaft zu den Sammelklagen verabschiedet (Keine Kommerzialisierung des Schweizer Rechts). Der Idee, in der Schweiz Sammelklagen zu ermöglichen, hatte sich die gesamte Wirtschaft entschlossen entgegengestellt. Sowohl die grossen wie auch die kleinen Unternehmen erkennen im vorgelegten Entwurf einen rechtlichen Paradigmenwechsel zulasten unseres Wirtschaftsstandorts und warnen vor dem riesigen Missbrauchspotenzial der Vorlage. Sie kämpfen daher geschlossen gegen den drohenden Paradigmenwechsel.
Kein Entscheid ohne weitere Abklärungen
Trotz der grossen Kritik hatte der Bundesrat seinen Entwurf ohne weitere Vernehmlassung direkt dem Parlament vorgelegt. Nach der Durchführung von Hearings entschied die Rechtskommission des Nationalrats am vergangenen Freitag mit 14 zu 5 Stimmen, bei 5 Enthaltungen, nicht auf die Sammelklagen einzutreten. Die Kommission begründete ihren Entscheid damit, dass die Botschaft des Bundesrats zu viele Fragen offen lasse. Es sei zum heutigen Zeitpunkt nicht möglich, über den Ausbau der sogenannten «kollektiven Rechtsdurchsetzung» zu entscheiden. Insbesondere seien die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die betroffenen schweizerischen Unternehmen nicht abschätzbar, weshalb die Kommission das zuständige Departement beauftragte, eine Regulierungsfolgeabschätzung durchzuführen und ihm weitere umfangreiche Prüfaufträge erteilte. Daher wird frühestens im zweiten Quartal 2023 die Weiterberatung der Vorlage wieder aufgenommen werden.
Wichtige Neuerungen wurden bisher nicht geprüft
Die Wirtschaft begrüsst diesen Entscheid der Rechtskommission des Nationalrats. Die Vorlage stammte in ihren Grundzügen noch von Mitte des letzten Jahrzehntes und war offensichtlich überholt. Es war für die Parlamentarier vor diesem Hintergrund nicht klar, was die Kosten der vorgeschlagenen Instrumente für unsere Volkswirtschaft sein würden, ob die Vorlage überhaupt notwendig wäre und ob es nicht Alternativen zu derartig weitgehenden Eingriffen in unser Rechtssystem gäbe. Wesentliche Neuerungen wie zum Beispiel die technologischen Möglichkeiten zur effizienten Geltendmachung von Forderungen (z.B. «Legal Tech») oder der Ausbau alternativer Streitbeilegungsinstrumente ohne inhärentes Missbrauchspotenzial wurden nicht geprüft. Dies, obwohl solche Instrumente ohne massive und gefährliche Eingriffe in unser Rechtssystem möglich wären, für die Beteiligten mehr Fairness als Gerichtsprozesse versprächen und auch keine Vertreter der Konfliktparteien als «lachende Dritte» bevorzugen würden (bewährte Instrumente gewährleisten besser den Zugang zur Gerechtigkeit). Die Wirtschaft begrüsst es daher sehr, dass die Kommission der Verwaltung weitere Abklärungen in Auftrag gegeben hat, die eine sorgfältige Entscheidfindung ermöglichen sollen. Die Kommission nimmt ihre Verantwortung ernst. Trotz der zahlreichen offenen Fragen auf die Vorlage einzutreten wäre einer Rechtssetzung im Blindflug gleichgekommen.