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Re­form der gym­na­sia­len Matur: Kan­to­ne sind jetzt ge­for­dert

Nach dem heu­ti­gen Be­schluss des Bun­des­rats zur Re­vi­si­on der gym­na­sia­len Ma­tu­ri­tät sind nun die Bil­dungs­di­rek­to­rin­nen und -di­rek­to­ren in den Kan­to­nen ge­fragt. Es ist an ihnen, diese na­tio­nal gel­ten­den Min­dest­an­for­de­run­gen an die Ma­tu­ri­tät in ihren Kan­to­nen zu­kunfts­taug­lich um­zu­set­zen und die auf na­tio­na­ler Ebene ver­pass­ten Re­form­chan­cen ei­gen­stän­dig vor­an­zu­trei­ben.

Nach­dem letz­te Woche die Kon­fe­renz der kan­to­na­len Er­zie­hungs­di­rek­to­rin­nen und -di­rek­to­ren (EDK) die Re­vi­si­on der Ma­tu­ri­täts­ver­ord­nung und des Ma­tu­ri­täts­re­gle­ments (MAV/MAR) ver­ab­schie­det hat, ist ihr heute der Bun­des­rat ge­folgt. An der grund­le­gen­den Be­ur­tei­lung sei­tens der Wirt­schaft, die sich eine deut­lich mu­ti­ge­re und zu­kunfts­ge­rich­te­te­re Re­form ge­wünscht hätte, hat sich nach die­sen bei­den Be­schlüs­sen nichts ge­än­dert. Trotz­dem gilt es jetzt, in den Kan­to­nen die po­si­ti­ven Ele­men­te rasch um­zu­set­zen und dar­über hin­aus eine echte Re­form der Ma­tu­ra an­zu­stre­ben. Denn die neue Ver­ord­nung de­fi­niert ein­zig Min­dest­an­for­de­run­gen. Die Kan­to­ne haben dem­entspre­chend aus­rei­chend Spiel­raum. Die­sen gilt es nun zu nut­zen.

All­ge­mei­ne Stu­dier­fä­hig­keit: ba­sa­le Kom­pe­ten­zen müs­sen alle mit­brin­gen

Der alles über­ra­gen­de Vor­teil der Schwei­zer Ma­tu­ri­tät ist der prü­fungs­freie Über­tritt an alle Uni­ver­si­tä­ten und Hoch­schu­len. Diese so­ge­nann­te all­ge­mei­ne Stu­dier­fä­hig­keit gilt es zwin­gend zu er­hal­ten. Es ist daher er­freu­lich, dass das MAV die Be­deu­tung der ba­sa­len Kom­pe­ten­zen er­wähnt, die es für alle Stu­di­en­rich­tun­gen braucht. Lei­der wurde es ver­säumt, als Min­dest­an­for­de­rung fest­zu­hal­ten, dass die ba­sa­len Kom­pe­ten­zen zwin­gend aus­rei­chend er­wor­ben wer­den müs­sen. Die Gym­na­si­en müs­sen aber un­be­dingt si­cher­stel­len, dass alle Schü­le­rin­nen und Schü­ler, die er­folg­reich die Ma­tu­ra er­wor­ben haben, auch über die not­wen­di­gen ba­sa­len Kom­pe­ten­zen ver­fü­gen.

MINT-Fä­cher brau­chen einen hö­he­ren An­teil

In der neuen MAV be­trägt der Min­dest­an­teil der MINT-Fä­cher an der Un­ter­richts­zeit nur 27 Pro­zent. Mit der be­grüs­sens­wer­ten Ein­füh­rung des Grund­la­gen­fa­ches In­for­ma­tik und wegen der zu­neh­men­den Be­deu­tung der MINT-Kom­pe­ten­zen soll­te die­ser An­teil in den Kan­to­nen aber deut­lich über die­ser Min­dest­an­for­de­rung fest­ge­setzt wer­den. Eben­so soll­ten die Kan­to­ne die Be­deu­tung der MINT-Fä­cher auch in der Ge­wich­tung der Ma­tu­ri­täts­fä­cher ab­bil­den, damit Ma­tu­ran­den und Ma­tu­ran­din­nen mit MINT-Be­ga­bun­gen nicht be­nach­tei­ligt wer­den.

Be­rufs-, Stu­di­en- und Lauf­bahn­be­ra­tung

eco­no­mie­su­is­se un­ter­stützt, dass die Be­rufs-, Stu­di­en- und Lauf­bahn­be­ra­tung an den Gym­na­si­en einen hö­he­ren Stel­len­wert be­kom­men soll. Wich­tig ist nun aber, dass die Aus­ein­an­der­set­zung mit der Wahl des Stu­di­ums be­zie­hungs­wei­se des zu­künf­ti­gen Be­rufs bes­ser in den Schul­all­tag in­te­griert wird. Es reicht nicht aus, ir­gend­ein kos­ten­lo­ses An­ge­bot zur Ver­fü­gung zu stel­len, wie es das MAV als Min­dest­an­for­de­rung de­fi­niert. Die Be­ra­tung muss über alle vier Jahre (sechs Jahre bei den Lang­zeit­gym­na­si­en) er­fol­gen, damit die Aus­ein­an­der­set­zung mit den ei­ge­nen Stär­ken und Schwä­chen und der mög­li­chen Eig­nung für be­stimm­te Be­rufs­fel­der lau­fend er­folgt.

Wei­te­re ver­pass­te Chan­cen auf Stufe Kan­ton nut­zen

Lei­der wur­den in die­ser Re­form di­ver­se Chan­cen ver­passt. Die Kan­to­ne kön­nen je­doch die nun an­ste­hen­den Ver­än­de­run­gen nut­zen, um wei­ter­füh­ren­de Re­for­men zu er­grei­fen. So wäre es bei­spiels­wei­se be­grüs­sens­wert, wenn alle Kan­to­ne dem guten Bei­spiel des Kan­tons Aar­gau fol­gen und die Schwer­punkt- und Er­gän­zungs­fä­cher erst in den letz­ten bei­den Jah­ren der gym­na­sia­len Aus­bil­dung an­bie­ten wür­den. Dies ist nach­weis­lich bes­ser, da die Schü­le­rin­nen und Schü­ler ihre Fä­hig­kei­ten und Nei­gun­gen nach min­des­tens zwei Jah­ren im Gym­na­si­um bes­ser ken­nen und die Stu­di­en­wahl be­reits näher rückt. Es hat sich ge­zeigt, dass bei einer spä­te­ren Wahl deut­lich häu­fi­ger ein Schwer­punkt­fach aus dem MINT-Be­reich ge­wählt wird, ins­be­son­de­re von jun­gen Frau­en.

Eben­so soll­te das Thema Qua­li­täts­si­che­rung ernst ge­nom­men und stan­dar­di­sier­te In­di­ka­to­ren, die Ver­glei­che zwi­schen Kan­to­nen und Schu­len er­mög­li­chen, im­ple­men­tiert wer­den. Dazu bie­tet sich unter an­de­rem eine stan­dar­di­sier­te Mehr­wert­ana­ly­se an, wel­che die Kom­pe­ten­zen der Ma­tu­ran­din­nen und Ma­tu­ran­den beim Ein­tritt ins Gym­na­si­um mit einem Test zum Zeit­punkt des Aus­tritts ver­gleicht.