Rechts­form­neu­tra­li­tät: Ein sach­ge­rech­ter Kom­pro­miss zur Steu­er­vor­la­ge 17

Öf­fent­li­che Leis­tun­gen müs­sen fi­nan­ziert wer­den. Steu­ern las­sen sich darum nicht ver­mei­den. Ein gutes Steu­er­sys­tem mi­ni­miert aber die Kol­la­te­ral­schä­den. Das be­deu­tet: Steu­ern sol­len neu­tral sein. Was wir kau­fen, wie wir un­se­re Er­spar­nis­se an­le­gen und auch ob wir hei­ra­ten soll­te auf­grund per­sön­li­cher Prä­fe­ren­zen ent­schie­den wer­den und nicht, weil etwas steu­er­lich mehr oder we­ni­ger be­las­tet ist.

Wer­den etwa auf­grund der Fens­ter­steu­er in Eng­land bis ins 19. Jahr­hun­dert zahl­rei­che Fens­ter zu­ge­mau­ert oder auf­grund der Dach­steu­er in Ös­ter­reich viele Bur­gen auf­ge­ge­ben, dann ist die Neu­tra­li­tät sicht­bar ver­letzt. Len­kungs­steu­ern be­zwe­cken zwar eine Ver­hal­tens­än­de­rung. So etwa bei der von Zar Peter I. ein­ge­führ­ten Bart­steu­er für ein mo­der­nes Ant­litz Russ­lands. Ge­ra­de wegen des an­ge­pass­ten Ver­hal­tens brin­gen sol­che Steu­ern je­doch rück­läu­fi­ge Ein­nah­men und eig­nen sie sich nicht zur Fi­nan­zie­rung des Staats.

Die Neu­tra­li­tät soll­te auch hin­sicht­lich der Rechts­form von Fir­men gel­ten. Ein Per­so­nen­un­ter­neh­mer haf­tet mit sei­nem ge­sam­ten per­sön­li­chen Ver­mö­gen, ein Ka­pi­tal­un­ter­neh­mer nur mit dem ein­ge­setz­ten Ka­pi­tal. Beide Or­ga­ni­sa­ti­ons­for­men haben ihre Vor- und Nach­tei­le. Die Ent­schei­dung soll beim Un­ter­neh­mer lie­gen, wobei die­ser na­tür­lich die Prä­fe­ren­zen sei­ner Kun­den be­rück­sich­ti­gen muss.

Lange war das Steu­er­sys­tem hier nicht neu­tral. Zu­sätz­lich zur Ge­winn­steu­er wur­den Ka­pi­tal­un­ter­neh­mer mit der vol­len Ein­kom­mens­steu­er be­las­tet.

Lange war das Steu­er­sys­tem hier nicht neu­tral. Zu­sätz­lich zur Ge­winn­steu­er wur­den Ka­pi­tal­un­ter­neh­mer mit der vol­len Ein­kom­mens­steu­er be­las­tet. Der Per­so­nen­un­ter­neh­mer be­zahlt hin­ge­gen keine Ge­winn­steu­er. Als Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten or­ga­ni­sier­te KMU und Fa­mi­li­en­ge­sell­schaf­ten waren be­nach­tei­ligt. Es wur­den ver­mehrt hohe Löhne statt Di­vi­den­den aus­ge­schüt­tet. Erst die Un­ter­neh­mens­steu­er­re­form II (USR II) brach­te Mil­de­rung. Un­ter­neh­mer, die mehr als zehn Pro­zent eines KMU be­sit­zen, ver­steu­ern Di­vi­den­den seit­her nur teil­wei­se als Ein­kom­men. Per­so­nen- und Ka­pi­tal­un­ter­neh­mer sowie Löhne und Di­vi­den­den wer­den damit im We­sent­li­chen gleich be­las­tet.

Mit der Steu­er­vor­la­ge 17 ist das Thema wie­der ak­tu­ell. Linke Krei­se möch­ten Un­ter­neh­mer-Di­vi­den­den zur Ge­gen­fi­nan­zie­rung stär­ker be­las­ten. Im Sinne der Rechts­form­neu­tra­li­tät ist dies ge­recht­fer­tigt; aber nur in Kan­to­nen, wo die Ge­winn­steu­er tat­säch­lich sinkt. Ge­mäss den bun­des­rät­li­chen Eck­wer­ten sol­len aber alle Kan­to­ne ein Min­dest­ni­veau von 70 Pro­zent bei der Teil­be­steue­rung ein­hal­ten. Die­ser Vor­schlag er­scheint aus Sicht der Neu­tra­li­tät falsch. Die kan­to­na­len Steu­er­sys­te­me un­ter­schei­den sich er­heb­lich. Nicht nur Ge­winn- und Ein­kom­mens­steu­ern sind kan­to­nal ver­schie­den, auch bei Ka­pi­tal-  und Ver­mö­gens­steu­ern ist das Spek­trum breit. Nur ein dif­fe­ren­zier­ter Teil­be­steue­rungs­satz kann kan­to­na­le Ei­gen­hei­ten be­rück­sich­ti­gen und eine neu­tra­le Be­steue­rung si­chern.

Sicht auf die Stadt Bern

eco­no­mie­su­is­se schlägt des­halb vor, von einer Har­mo­ni­sie­rung ab­zu­se­hen. Statt­des­sen kön­nen die Kan­to­ne ge­setz­lich ver­pflich­tet wer­den, den Grund­satz der rechts­form­neu­tra­len Be­steue­rung ein­zu­hal­ten. Damit wür­den Über­be­las­tun­gen von KMU ver­hin­dert. In Kan­to­nen, wel­che die Ge­winn­steu­er si­gni­fi­kant sen­ken, wäre je­doch eine Ge­gen­fi­nan­zie­rung bei Di­vi­den­den ge­si­chert. Die Vor­ga­be der Rechts­form­neu­tra­li­tät ist sach­ge­recht und gleich­zei­tig ein so­wohl für linke Krei­se wie auch KMU und Fa­mi­li­en­ge­sell­schaf­ten ver­tret­ba­rer Kom­pro­miss. Nicht zu­letzt kommt diese Lö­sung auch den Kan­to­nen ent­ge­gen. So ver­trat die Fi­nanz­di­rek­to­ren­kon­fe­renz 2007 in den Be­ra­tun­gen zur USR II exakt die­sen Kom­pro­miss der kan­to­na­len Fle­xi­bi­li­tät bei Vor­ga­be der Rechts­form­neu­tra­li­tät, zu die­ser Zeit noch unter der da­ma­li­gen FDK-Prä­si­den­tin Eve­li­ne Wid­mer-Schlumpf.

Die­ser Ar­ti­kel er­schien erst­mals am 1. Fe­bru­ar 2018 als Gast­bei­trag in der Han­dels­zei­tung.