Ärztin hält Stethoskop an Patienten

Prä­mi­en­schock 2022: Was kann die Po­li­tik tun?

An­fang Ok­to­ber hat Bun­des­rat Alain Ber­set die neuen Grund­ver­si­che­rungs­prä­mi­en ver­kün­det. Sie stei­gen die­ses Jahr um 6,6 Pro­zent und damit stark über dem Durch­schnitt der letz­ten 15 Jahre von 2,6 Pro­zent. Was kann die Po­li­tik tun, damit das Kos­ten­wachs­tum in Zu­kunft nicht immer so hoch aus­fällt?

Stei­gen­de Ge­sund­heits­kos­ten sind in ent­wi­ckel­ten Län­dern ein om­ni­prä­sen­tes Phä­no­men. Das liegt am Me­ga­trend Ge­sund­heit, dem Wohl­stands­fort­schritt und der de­mo­gra­fi­schen Ent­wick­lung. Zudem ist der me­di­zi­ni­sche Fort­schritt ra­sant, und durch die hohe Per­so­nal­in­ten­si­tät kön­nen Ef­fi­zi­enz­ge­win­ne nicht so ein­fach rea­li­siert wer­den. Dar­über hin­aus ist das Ge­sund­heits­we­sen Teil der so­zia­len Si­che­rung und wird mass­geb­lich von Drit­ten be­zahlt. Dies führt zu einer ste­ti­gen Ver­po­li­ti­sie­rung des Ge­sund­heits­be­reichs mit allen In­ef­fi­zi­en­zen und Ad­mi­nis­tra­ti­ons­las­ten, die das mit sich bringt. Die Po­li­tik hätte es in der Hand, das Sys­tem zu ent­schla­cken und einen re­gu­lier­ten Leis­tungs­wett­be­werb an­zu­re­gen, der kos­ten­dämp­fend wirkt und gute Er­geb­nis­se her­vor­bringt.

Wo kann die Po­li­tik ein­grei­fen?

Die Po­li­tik ist zu­stän­dig für die Fi­nan­zie­rungs­auf­tei­lung, die ad­mi­nis­tra­ti­ven An­for­de­run­gen an eine Leis­tung und die Grund­la­gen für eine er­folg­rei­che Di­gi­ta­li­sie­rung. Doch ihr Leis­tungs­aus­weis in die­sen Be­rei­chen ist mager: Bei der Fi­nan­zie­rung hat die Po­li­tik die Kos­ten­be­tei­li­gung seit 2004 nicht mehr an­ge­passt. Damit hat sie die Dritt­zah­ler­pro­ble­ma­tik ver­schärft. Bei der Di­gi­ta­li­sie­rung hat sie die Ent­wick­lung ganz ver­schla­fen. Dafür hat sie an an­de­rer Stel­le fleis­sig re­gu­liert: 44 Re­for­men des Kran­ken­ver­si­che­rungs­ge­set­zes (KVG) und das neue Auf­sichts­ge­setz (KVAG) sowie über 180 Ver­ord­nungs­än­de­run­gen sind auf Par­la­men­ta­ri­sche In­itia­ti­ven, Mo­tio­nen, Pos­tu­la­te usw. zu­rück­zu­füh­ren. Dies blieb nicht ohne Fol­gen für den ad­mi­nis­tra­ti­ven Auf­wand. Ge­mäss einer re­prä­sen­ta­ti­ven Be­fra­gung des Ärz­te­ver­bands FMH muss die Spi­ta­l­ärz­te­schaft heute 20 Pro­zent ihrer Ar­beits­zeit für Ad­mi­nis­tra­ti­ves auf­wen­den. Neun Jahre zuvor waren es 15 Pro­zent.

Was ist eine gute Re­gu­lie­rungs­pra­xis?

Eine gute Re­gu­lie­rungs­pra­xis muss sich an Grund­sät­ze hal­ten. Mit fol­gen­den sie­ben Punk­ten kann die Re­gu­lie­rung im Ge­sund­heits­be­reich ver­bes­sert wer­den:

  1. Keine di­rek­te Steue­rung der Mark­t­er­geb­nis­se: Di­rek­te Markt­ein­grif­fe sind zu ver­mei­den. In­di­rek­te Markt­ein­grif­fe, zum Bei­spiel mit An­rei­zen, sind viel­ver­spre­chen­der. Bei­spiel: Qua­li­täts­vor­ga­ben sind di­rek­te Ein­grif­fe, hö­he­re Ta­ri­fe für gute Qua­li­tät grei­fen in­di­rekt ein.
     
  2. Sub­jekt­fi­nan­zie­rung statt Ob­jekt­fi­nan­zie­rung: In­sti­tu­tio­nen, Bran­chen und Be­rufs­ver­bän­de sol­len nicht sub­ven­tio­niert oder be­güns­tigt wer­den. Alle Ver­güns­ti­gun­gen sol­len di­rekt den Ver­si­cher­ten zu­kom­men.
     
  3. Sub­si­dia­ri­täts­prin­zip ge­mäss Bun­des­ver­fas­sung: De­zen­tra­le Lö­sun­gen sol­len ten­den­zi­ell ge­gen­über zen­tra­lis­ti­schen An­sät­zen be­vor­zugt wer­den.
     
  4. Die Mehr­fach­rol­le der Kan­to­ne (unter an­de­rem als Ei­gen­tü­mer, Auf­trag­ge­ber, Kon­trol­leur und Zah­ler) ist auf­zu­he­ben oder min­des­tens deren schäd­li­che Aus­wir­kun­gen durch Ge­wal­ten­tei­lung in­ner­halb der Kan­to­ne zu be­sei­ti­gen. Die Auf­ga­ben­tei­lung zwi­schen Bund und Kan­to­nen muss ent­flech­tet wer­den. Keine Misch­fi­nan­zie­rung: Pro Be­reich soll nur eine Par­tei fi­nan­zie­ren.
     
  5. Re­gu­lie­rungs­ver­sa­gen soll nicht durch neue Re­gu­lie­rung be­kämpft wer­den. Viel­mehr muss Be­ste­hen­des sau­ber um­ge­setzt wer­den, erst dann sol­len (wenn nötig) Re­form­vor­schlä­ge for­mu­liert und mit einer Re­gu­lie­rungs­fol­ge­ab­schät­zung be­glei­tet wer­den. Die Ge­schäfts­prü­fungs­kom­mis­si­on des Par­la­ments muss die Um­set­zung in der Ver­wal­tung kon­se­quen­ter über­prü­fen.
     
  6. Ver­ein­fa­chung von Ab­läu­fen mit den Be­hör­den im Be­reich Kon­sul­ta­tio­nen und Wei­sun­gen: Bei Da­ten­lie­fe­run­gen dem «once only-Prin­zip» fol­gen und durch­ge­hen­de Di­gi­ta­li­sie­rung an­stre­ben, statt In­sel­lö­sun­gen zu ver­fol­gen.
     
  7. Kos­ten-Nut­zen der Re­gu­lie­rung ex ante und ex post prü­fen, Kos­ten­trans­pa­renz an­stre­ben und Raum für Selbst­re­gu­lie­rung las­sen. Eine sorg­fäl­ti­ge Pro­blem­ana­ly­se im Vor­feld ist ent­schei­dend.

Fazit

Die Po­li­tik könn­te mit einer guten Re­gu­lie­rungs­pra­xis das Kos­ten­wachs­tum dämp­fen. Das be­dingt je­doch einen mas­si­ven Re­gu­lie­rungs­ab­bau mit einer Ana­ly­se be­ste­hen­der Ge­set­ze. Für all­fäl­li­ge neue Re­for­men muss eine Vor­ab­klä­rung mit einer Ab­schät­zung der Re­gu­lie­rungs­fol­gen durch­ge­führt wer­den.