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Kroa­ti­en: Ri­si­ko­spiel des Stän­de­rats unter wack­li­gen An­nah­men

Nach dem Na­tio­nal­rat stimm­te heute auch der Stän­de­rat einer Ra­ti­fi­ka­ti­on der Aus­deh­nung der Per­so­nen­frei­zü­gig­keit auf Kroa­ti­en mit 40 zu 3 zu. Al­ler­dings knüpf­te er diese – mit 33 zu 10 – an eine heik­le Be­din­gung, wel­che erst noch auf zwei wack­li­gen An­nah­men ba­siert. Das Ge­schäft muss noch in die­ser Ses­si­on fer­tig be­ra­ten wer­den, um den engen Zeit­plan ein­zu­hal­ten.

Nach dem Bei­tritt des Lan­des zur Eu­ro­päi­schen Union am 1. Juli 2013 be­an­tragt der Bun­des­rat dem Par­la­ment die An­nah­me eines Zu­satz­pro­to­kolls zum Per­so­nen­frei­zü­gig­keits-Ab­kom­men, wel­ches Kroa­tin­nen und Kroa­ten im Per­so­nen­ver­kehr die­sel­ben Rech­te wie den üb­ri­gen EU-/EFTA-Bür­gern zu­ge­ste­hen soll. Eine ra­sche Ra­ti­fi­ka­ti­on bis zum 9. Fe­bru­ar 2017 sei­tens der Schweiz ist zen­tra­le Vor­aus­set­zung, um ei­ner­seits den bi­la­te­ra­len Weg zu si­chern und an­de­rer­seits die Vol­l­as­so­zi­ie­rung der Schweiz am EU-For­schungs­rah­men­pro­gramm Ho­ri­zon 2020 wie­der­her­zu­stel­len. 

Wäh­rend das Kroa­ti­en­pro­to­koll selbst in bei­den Räten er­freu­li­cher­wei­se un­be­strit­ten war, hat der Stän­de­rat in sei­nem heu­ti­gen Ent­scheid diese Ra­ti­fi­ka­ti­on je­doch an die Be­din­gung ge­knüpft, dass mit der Eu­ro­päi­schen Union zu­erst eine mit der Bun­des­ver­fas­sung ver­ein­bar­te Re­ge­lung zur Steue­rung der Zu­wan­de­rung be­ste­hen müsse. Damit die­ses Ri­si­ko­spiel auf­geht, sind je­doch gleich zwei äus­serst wack­li­ge An­nah­men Vor­aus­set­zung:

  • Eine ein­ver­nehm­li­che Lö­sung mit der EU be­züg­lich der Um­set­zung der Mas­sen­ein­wan­de­rungs­in­itia­ti­ve (MEI) muss bis Fe­bru­ar 2017 vor­lie­gen. Mit Blick auf die be­vor­ste­hen­de Ab­stim­mung über einen Aus­tritt Gross­bri­tan­ni­ens aus der EU (Brex­it) und den schlep­pen­den Ver­lauf der Ver­hand­lun­gen zwi­schen der Schweiz und der EU ist dies aber immer noch offen. 
  • Ohne Ei­ni­gung bei der MEI-Um­set­zung müss­te die EU aber min­des­tens einer Ver­län­ge­rung der Tei­las­so­zi­ie­rung zu Ho­ri­zon 2020 zu­stim­men, um den be­reits be­ste­hen­den Scha­den für die in­no­va­ti­ons­ba­sier­te Wirt­schaft und un­se­re Hoch­schu­len we­nigs­tens nicht noch zu ver­grös­sern. Die EU hat mit der Schweiz je­doch nichts der­glei­chen ver­ein­bart. Im Ge­gen­teil – bis Fe­bru­ar 2017 muss die Schweiz ge­mäss der 2014 ge­trof­fe­nen Über­gangs­lö­sung das Kroa­ti­en­pro­to­koll ra­ti­fi­ziert haben

Was ge­schieht nun, wenn sich diese An­nah­men bis Ende Jahr als falsch er­wei­sen soll­ten? In die­sem Fall droht die nun vom Stän­de­rat vor­ge­nom­me­ne Ver­knüp­fung von Kroa­ti­en und MEI-Um­set­zung eine Blo­cka­de zu ver­ur­sa­chen. Dann wäre die zu­sätz­li­che Be­din­gung des Stän­de­rats keine Er­folgs­stra­te­gie, son­dern ein eu­ro­pa­po­li­ti­sches Worst-Case-Sze­na­rio: Nicht nur würde die Schweiz aus Ho­ri­zon 2020 fal­len, son­dern die Dis­kri­mi­nie­rung Kroa­ti­ens als EU-Mit­glied­staat würde die bi­la­te­ra­len Ver­trä­ge als Gan­zes unter zu­sätz­li­chen Druck set­zen. Vor die­sem Hin­ter­grund wird die nun fol­gen­de Dif­fe­renz­ber­ei­ni­gung zwi­schen den Räten zu einem der wich­tigs­ten Ge­schäf­te der lau­fen­den Ses­si­on. 

Das Ziel einer ein­ver­nehm­li­chen Lö­sung bei der MEI-Um­set­zung ist zu un­ter­stüt­zen. Ge­nau­so wich­tig und rich­tig ist eine ra­sche Ra­ti­fi­ka­ti­on des Kroa­ti­en­pro­to­kolls. Pro­ble­ma­tisch ist je­doch eine Ver­knüp­fung bei­der Ge­schäf­te ohne po­li­ti­sche Not­wen­dig­keit. Im Ein­klang mit nam­haf­ten Staats- und Eu­ro­pa­recht­lern ist die Wirt­schaft des­halb der Auf­fas­sung, dass die nun vom Stän­de­rat be­schlos­se­ne Be­din­gung recht­lich gar nicht zwin­gend ist. Eine recht­li­che Fest­le­gung auf eine un­rea­lis­tisch kurze Frist geht wei­ter als die Ver­fas­sung und schwächt un­se­re Ver­hand­lungs­po­si­ti­on.