Es ist nicht die Zeit für hoch­ris­kan­te Ex­pe­ri­men­te à la Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve

Am 27. Sep­tem­ber steht der nächs­te eid­ge­nös­si­sche Ur­nen­gang an. Unter dem Deck­man­tel «Be­gren­zungs­in­itia­ti­ve» wird dem Schwei­zer Stimm­volk vor­ge­gau­kelt, dass es über eine Be­gren­zung der Zu­wan­de­rung ent­schei­den könne. Ehr­li­cher ist der Name «Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve». Denn im Kern geht es um die Frage: Kann die Schweiz den bi­la­te­ra­len Weg wei­ter­ge­hen oder nicht? Bei die­ser eu­ro­pa­po­li­ti­schen Schick­sals­ab­stim­mung sind wir alle ge­fragt. Es zählt jede Stim­me.

Viele von uns er­in­nern sich wohl nur sehr un­gern an das Jahr 2014 zu­rück. Die An­nah­me der Mas­sen­ein­wan­de­rungs­in­itia­ti­ve hat viele Schwei­ze­rin­nen und Schwei­zer tief er­schüt­tert. Viele waren über­rascht über den äus­serst knap­pen Aus­gang der Ab­stim­mung. Zu­ge­ge­be­ner­mas­sen: Das Votum war auch für die Schwei­zer Wirt­schaft eine ne­ga­ti­ve Über­ra­schung. Denn wir sind eine Ex­port­na­ti­on. Un­se­re Fir­men sind auf gute Be­zie­hun­gen zu den eu­ro­päi­schen Nach­barn, Rechts- und Pla­nungs­si­cher­heit sowie at­trak­ti­ve Rah­men­be­din­gun­gen an­ge­wie­sen.

Die In­itia­ti­ve be­grenzt nicht die Zu­wan­de­rung, sie kün­digt die Per­so­nen­frei­zü­gig­keit und damit ver­bun­den das ganze Paket der Bi­la­te­ra­len I.

In we­ni­ger als zwei Wo­chen steht mit der Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve nun die nächs­te eu­ro­pa­po­li­ti­sche Wei­chen­stel­lung bevor. Diese ra­di­ka­le In­itia­ti­ve for­dert nicht etwa eine Be­gren­zung der Zu­wan­de­rung, wie der Titel ver­mu­ten lies­se. Nein, sie ver­langt statt­des­sen ex­pli­zit die Kün­di­gung der Per­so­nen­frei­zü­gig­keit mit Eu­ro­pa – und dies in­ner­halb von nur 13 Mo­na­ten. Dies wird im vor­lie­gen­den In­itia­tiv­text klipp und klar fest­ge­hal­ten. Damit ist die­ses Vor­ha­ben noch ra­di­ka­ler als da­mals die Mas­sen­ein­wan­de­rungs­in­itia­ti­ve und die Fol­gen auf Wirt­schaft, Po­li­tik und Ge­sell­schaft ent­spre­chend weit­rei­chen­der. 

Die Kün­di­gung der Bi­la­te­ra­len ohne Al­ter­na­ti­ve ist ein Hoch­ri­si­ko­ex­pe­ri­ment für das Ex­port­land Schweiz.

Denn Fakt ist: Ohne Per­so­nen­frei­zü­gig­keit gibt es keine Bi­la­te­ra­len I. Das be­sagt die Guil­lo­ti­ne-Klau­sel. Zwar ist es das Recht der In­iti­an­ten, da­ge­gen eine In­itia­ti­ve zu lan­cie­ren. Wenn aber für die Schweiz der­art viel auf dem Spiel steht, er­war­te ich eine Al­ter­na­ti­ve. Bei der Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve sucht man ver­ge­bens da­nach. Es gibt keine Lö­sung, die der Schweiz auch ohne Bi­la­te­ra­le die Teil­nah­me am eu­ro­päi­schen Bin­nen­markt ga­ran­tiert. Die Schweiz wäre ge­gen­über der EU in einer denk­bar schwa­chen Ver­hand­lungs­po­si­ti­on. Er­schwe­rend hinzu kommt, dass wir uns wegen der Co­ro­na-Krise in einer wirt­schaft­lich sehr her­aus­for­dern­den Zeit be­fin­den. Un­nö­ti­ge Hoch­ri­si­ko­ex­pe­ri­men­te kön­nen wir uns schlicht nicht leis­ten.

Um­fra­gen sind Um­fra­gen. Ent­schie­den wird am 27. Sep­tem­ber. Und die­ses Mal braucht es uns alle.

Die bis­he­ri­gen Um­fra­ge­re­sul­ta­te stim­men im Hin­blick auf den Ur­nen­gang vom 27. Sep­tem­ber zwar po­si­tiv. Eine Mehr­heit der Be­frag­ten würde die Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve Stand heute ab­leh­nen. Das war aber auch vor der Ab­stim­mung über die Mas­sen­ein­wan­de­rungs­in­itia­ti­ve der Fall. Und ginge es immer nach Um­fra­gen, wäre Do­nald Trump heute auch nicht US-Prä­si­dent und Gross­bri­tan­ni­en wäre nie aus der EU aus­ge­tre­ten. Ge­won­nen ist also noch gar nichts. Der Bun­des­rat, das Par­la­ment, die Kan­to­ne, die Städ­te und die aus­ser­ge­wöhn­lich brei­te Al­li­anz von stark+ver­netzt aus rund 80 Par­tei­en, Wirt­schafts­ver­bän­den, Ge­werk­schaf­ten sowie Ak­teu­ren aus der Wis­sen­schaft, Kul­tur und Zi­vil­ge­sell­schaft spre­chen sich klar für ein NEIN zur Kün­di­gungs­in­itia­ti­ve aus. Doch nun kommt es auf Sie an. Die In­itia­ti­ve nur schlecht fin­den, reicht nicht. Ihre Stim­me zählt und kann den Un­ter­schied ma­chen. Es braucht jetzt jede Ein­zel­ne und jeden Ein­zel­nen, denn die Wirt­schaft sind wir alle. Nur so schaf­fen wir es, den er­folg­rei­chen bi­la­te­ra­len Weg auch in Zu­kunft wei­ter­zu­ge­hen.