Wecker mit Union Jack Flagge

Ent­schei­dungs­wo­chen im Brex­it-End­spiel

Auch im zwei­ten An­lauf stimm­te das bri­ti­sche Un­ter­haus am 12. März mit gros­ser Mehr­heit gegen den aus­ge­han­del­ten Aus­tritts­ver­trag mit der EU. Damit dürf­te erst we­ni­ge Tage vor Ab­lauf der Frist Klar­heit über die künf­ti­ge Brex­it-Rea­li­tät be­ste­hen. Von einem un­ge­re­gel­ten Brex­it über eine Ver­schie­bung des Aus­tritts bis hin zu Neu­wah­len ist mo­men­tan nichts aus­zu­schlies­sen.

Up­date 2.4.2019

Tre­ten an Ort im bri­ti­schen Par­la­ment

Die De­bat­te im House of Com­mons über das wei­te­re Vor­ge­hen beim Brex­it gleicht immer mehr der Ab­stim­mungs­kas­ka­de über den aus­ge­han­del­ten Aus­tritts­ver­trag mit der EU: Auch in einem zwei­ten An­lauf war keine der vor­ge­schla­ge­nen Op­tio­nen mehr­heits­fä­hig (Zoll­uni­on, Ver­bleib in der EU, EU-Bin­nen­markt, Volks­ab­stim­mung). Auch zehn Tage vor dem neuen Aus­tritts­da­tum sind keine trag­fä­hi­gen Lan­de­zo­nen in Sicht. Pre­mier­mi­nis­te­rin May wird heute mit ihrem Ka­bi­nett das wei­te­re Vor­ge­hen – und al­len­falls ein vier­tes «mea­ningful vote» – dis­ku­tie­ren.

Der­weil hat die EU einen Brex­it-Son­der­gip­fel am 10. April an­ge­setzt. Ohne neue Ent­wick­lung in Gross­bri­tan­ni­en sind die Chan­cen auf eine zwei­te Frist­er­stre­ckung durch die EU je­doch ge­ring. Damit steigt das Ri­si­ko für einen un­ge­re­gel­ten Aus­tritt Gross­bri­tan­ni­ens am 12. April er­neut – ver­bun­den mit wirt­schaft­li­chen Tur­bu­len­zen und in­nen­po­li­ti­schen Ver­wer­fun­gen. Gleich­zei­tig ge­winnt auch die durch die Schweiz bi­la­te­ral aus­ge­han­del­te Auf­fang­lö­sung mit dem Ver­ei­nig­ten Kö­nig­reich an Be­deu­tung.


Up­date 28.3.2019

Die letz­ten Stun­den des May-Deals

Die Er­eig­nis­se in Gross­bri­tan­ni­en über­stürz­ten sich in den letz­ten Tagen förm­lich. Die Vor­ga­ben der EU sind klar: Ohne Zu­stim­mung des Un­ter­hau­ses zum aus­ge­han­del­ten Aus­tritts­ab­kom­men bis Ende die­ser Woche wird The­re­sa May der EU bis am 12. April einen Plan B prä­sen­tie­ren müs­sen. Um ihrem Deal in den nächs­ten Stun­den doch noch zu einer Mehr­heit zu ver­hel­fen, hat die Pre­mier­mi­nis­te­rin ihrer Par­tei für die­sen Fall ihren bal­di­gen Rück­tritt an­ge­bo­ten. Der Er­folg die­ser Stra­te­gie im Hin­blick auf die für Frei­tag an­ge­setz­te Ab­stim­mung ist je­doch völ­lig un­ge­wiss.

Der­weil konn­te sich das Par­la­ment im Rah­men einer Kon­sul­ta­tiv­ab­stim­mung auch nicht auf ein mög­li­ches Zu­kunfts­sze­na­rio mit der EU ei­ni­gen. Sämt­li­che Vor­stös­se (u.a. EWR, Zoll­uni­on, FHA, No-Deal, zwei­tes Re­fe­ren­dum, EU-Ver­bleib) wur­den in einem ers­ten An­lauf ab­ge­lehnt – teil­wei­se al­ler­dings nur knapp. Damit sucht Gross­bri­tan­ni­ens Po­li­tik auch wei­ter­hin er­folg­los nach einem mehr­heits­fä­hi­gen Plan B zum May-Deal. 

Die Schwei­zer Wirt­schaft war­tet damit un­ver­än­dert auf klare Ver­hält­nis­se. Ohne Ei­ni­gung mit der EU über das wei­te­re Vor­ge­hen wird das Worst-case-Sze­na­rio wei­ter­hin nur ver­scho­ben, aber kei­nes­falls ab­ge­wen­det. Ohne May-Deal und Plan B droht der Blind­flug im Brex­it-Drama.


Up­date 22.3.2019

EU bie­tet Ver­län­ge­rung mit Be­din­gun­gen – Un­si­cher­heit in den kom­men­den Tagen bleibt

Auch sie­ben Tage vor dem Brex­it-Aus­tritts­da­tum bleibt die Un­si­cher­heit über den Tren­nungs­pro­zess be­ste­hen. Nach­dem The­re­sa May ur­sprüng­lich um eine Frist­ver­län­ge­rung bis Ende Juni 2019 ge­be­ten hatte, er­teil­ten die EU-27 die­ser Idee mit Blick auf die kom­men­den EU-Par­la­ments­wah­len eine Ab­sa­ge. Gleich­zei­tig ei­nig­ten sie sich am Rats­gip­fel vom 21. März je­doch auf das wei­te­re Vor­ge­hen. Die Be­din­gun­gen für einen Frist­er­stre­ckung lau­ten wie folgt:

  • Stimmt das bri­ti­sche Un­ter­haus bis Ende März dem Aus­tritts­ab­kom­men noch zu, wird das Brex­it-Datum auf den 22. Mai ver­scho­ben, um Gross­bri­tan­ni­en Zeit für die not­wen­di­gen Ge­set­zes­an­pas­sun­gen zu ver­schaf­fen.
  • Schei­tert das Aus­tritts­ab­kom­men im bri­ti­schen Par­la­ment, er­war­tet die EU von The­re­sa May bis am 12. April An­ga­ben zum wei­te­ren Vor­ge­hen und ver­schiebt den Brex­it auf die­ses Datum.

Just für eine wei­te­re Ab­stim­mung im Un­ter­haus über den May-Deal hat der Spea­ker des bri­ti­schen Un­ter­hau­ses die Latte jüngst je­doch deut­lich er­höht: Ohne sub­stan­zi­el­le Än­de­run­gen an der Vor­la­ge werde er kein drit­tes «mea­ningful vote» trak­tan­die­ren – die EU lehnt Nach­ver­hand­lun­gen je­doch strikt ab. Somit ist mo­men­tan offen, ob es eine drit­te Ab­stim­mung geben wird.

Eu­ro­pa wird sich somit auch in den kom­men­den Tagen im Brex­it-Kri­sen­mo­dus be­fin­den. Die Bri­sanz die­ser wei­ter­hin ris­kan­ten Aus­gangs­la­ge wurde durch eine kürz­lich ver­öf­fent­lich­te Stu­die der Ber­tels­mann-Stif­tung er­neut un­ter­stri­chen: Ein har­ter Brex­it scha­det nicht nur Gross­bri­tan­ni­en, son­dern ganz Eu­ro­pa – auch der Schweiz. Klar ist: Nur bei einer An­nah­me des Aus­tritts­ab­kom­mens in der nächs­ten Woche kann ein hoher volks­wirt­schaft­li­cher Scha­den für Eu­ro­pa als Folge eines hard Brex­it ver­hin­dert wer­den.


Up­date 15.3.2019

Geht der Brex­it in die Ver­län­ge­rung?

Nach einer Serie von Ab­stim­mun­gen im bri­ti­schen Un­ter­haus scheint das wei­te­re Vor­ge­hen in Gross­bri­tan­ni­en nun kla­rer: Stimmt bis am 20. März eine Mehr­heit des Par­la­ments in einem drit­ten An­lauf doch noch für das Aus­tritts­ab­kom­men, soll eine Ver­län­ge­rung bis im Juni 2019 Zeit für die nö­ti­gen ge­setz­li­chen Vor­ar­bei­ten ver­schaf­fen. Schei­tert The­re­sa May je­doch er­neut, wird sie für den EU-Gip­fel vom 21. März eine län­ge­re Ver­schie­bung des Aus­tritts­da­tums be­an­tra­gen. Mit­tels Pro­be­ab­stim­mun­gen sol­len dann ver­schie­de­ne Brex­it-Op­tio­nen im Un­ter­haus son­diert wer­den.

So­fern die EU der bri­ti­schen Bitte ent­spricht, dürf­te damit ein chao­ti­scher Brex­it zu­min­dest für Ende März ver­mie­den wer­den. Nach einer Reihe schmerz­haf­ter Nie­der­la­gen konn­te die bri­ti­sche Pre­mier­mi­nis­te­rin damit für ein­mal als Sie­gern aus einer Par­la­ments­ab­stim­mung her­vor­ge­hen (412 zu 202 Stim­men). Auch der Schwei­zer Wirt­schaft ver­schafft diese Ent­wick­lung etwas Luft, aber die Un­si­cher­heit bleibt hoch. Denn wel­ches Ende der Brex­it tat­säch­lich nimmt, bleibt auch nach der heu­ti­gen Ab­stim­mung wei­ter­hin offen.


Up­date 14.3.2019

Bri­ti­sches Un­ter­haus ver­wirft No-Deal-Sze­na­rio deut­lich

Mit 321 zu 278 Stim­men hat sich das bri­ti­sche House of Com­mons gegen einen un­ge­re­gel­ten Aus­tritt aus der EU aus­ge­spro­chen (No-Deal). Ob­wohl recht­lich nicht bin­dend, sen­det das Par­la­ment damit ein kla­res Si­gnal an die Re­gie­rung: Es soll kei­nen Aus­tritt aus der EU ohne ein­ver­nehm­li­che Lö­sung geben, nicht nur für Ende März, son­dern ge­ne­rell. Gleich­zei­tig wurde je­doch auch das Aus­tritts­ab­kom­men am Vor­tag deut­lich ab­ge­lehnt.

Als Nächs­tes folgt nun wie er­war­tet eine Ab­stim­mung über eine Ver­schie­bung des Aus­tritts­da­tums. Die Re­gie­rung sieht eine Frist bis Ende Juni vor, im Par­la­ment be­ste­hen al­ler­dings un­ter­schied­li­che An­sich­ten über das wei­te­re Vor­ge­hen. Zu­min­dest vor­erst fehlt somit wei­ter­hin ein ver­bind­li­cher und ein­ver­nehm­li­cher Aus­weg aus dem Brex­it-Drama.

Die kürz­lich zwi­schen der Schweiz und Gross­bri­tan­ni­en aus­ge­han­del­ten Ab­kom­men tre­ten erst beim EU-Aus­tritt in Kraft.


Up­date 13.3.2019

Noch 17 Tage ver­blei­ben bis zum Brex­it-Datum und die bri­ti­sche Pre­mier­mi­nis­te­rin steht vor einer der wohl gröss­ten Her­aus­for­de­run­gen ihrer po­li­ti­schen Kar­rie­re: Trotz mehr­mo­na­ti­ger Ver­zö­ge­rungs­tak­tik, un­zäh­li­ger Ge­sprächs­run­den mit Brüs­sel und einem ein­dring­li­chen Auf­ruf ans Par­la­ment fand der Brex­it-Deal auch im zwei­ten An­lauf beim bri­ti­schen Un­ter­haus kein Gehör (242 zu 391 Stim­men). Auch die in den letz­ten Stun­den mit der EU ver­ein­bar­ten Prä­zi­sie­run­gen im Brex­it-Ver­trag rund um die Not­lö­sung der in­ner­i­ri­schen Gren­ze («back­stop») ver­moch­ten das Par­la­ment nicht um­zu­stim­men. 

Kurz vor Schluss­spurt: wich­ti­ge Ent­schei­de in die­ser Woche 

Noch in die­ser Woche wird Pre­mier­mi­nis­te­rin May dem bri­ti­schen Un­ter­haus nun zwei wich­ti­ge Fra­gen stel­len: Soll Gross­bri­tan­ni­en einen un­ge­re­gel­ten Brex­it ak­zep­tie­ren? Soll die EU um eine Ver­schie­bung des Aus­tritts er­sucht wer­den (Art. 50 TEU)? Letz­te­re wird zu­se­hends wahr­schein­li­cher, be­dingt je­doch die Zu­stim­mung sämt­li­cher 27 EU-Mit­glied­staa­ten sowie ein neues Aus­tritts­da­tum. 

Trotz allem kann ein un­ge­re­gel­ter Brex­it wei­ter­hin nicht aus­ge­schlos­sen wer­den. Dis­ku­tiert wird auch eine zwei­te Volks­ab­stim­mung, eine Reihe kon­sul­ta­ti­ver Ab­stim­mun­gen über das künf­ti­ge Ver­hält­nis mit der EU oder gar ein bal­di­ger Rück­tritt der Pre­mier­mi­nis­te­rin, ver­bun­den mit Neu­wah­len. 

Un­ge­nü­gen­de Vor­be­rei­tung auf einen No-Deal 

Gleich­zei­tig wurde in den letz­ten Tagen mehr­fach of­fen­sicht­lich, dass weder Gross­bri­tan­ni­en noch die EU-Mit­glied­staa­ten im Fall eines No-Deals am 29. März aus­rei­chend vor­be­rei­tet sein dürf­ten. Ent­spre­chend ein­dring­lich war­nen bri­ti­sche und kon­ti­nen­tal­eu­ro­päi­sche Un­ter­neh­men vor de­sas­trö­sen Kon­se­quen­zen einer schock­ar­ti­gen Des­in­te­gra­ti­on der seit über 25 Jah­ren be­ste­hen­den In­te­gra­ti­on in den EU-Bin­nen­markt. 

Kon­kret dro­hen etwa Eng­päs­se bei Ver­sor­gung und Zu­las­sung für be­stimm­te Nah­rungs­mit­tel und me­di­zi­ni­sche Güter, der Ver­zicht auf In­ves­ti­tio­nen, Ver­zö­ge­run­gen im Grenz­über­tritt von Ca­lais und Dover, Un­ter­brü­che der In­dus­trie­pro­duk­ti­on, der Ab­bruch lang­jäh­ri­ger Lie­fe­ran­ten­be­zie­hun­gen, Mehr­kos­ten in­fol­ge Auf­baus von Not­la­ger­be­stän­den oder Li­qui­di­täts­eng­päs­se an­ge­sichts der Un­si­cher­hei­ten in den künf­ti­gen Be­zie­hun­gen zwi­schen der EU und Gross­bri­tan­ni­en. 

Auch Schwei­zer Wirt­schaft hofft auf ge­ord­ne­ten Brex­it

Wie kaum ein an­de­res Land welt­weit konn­te die Schweiz im Rah­men ihrer «mind-the-gap»-Ar­bei­ten mit Gross­bri­tan­ni­en in sämt­li­chen re­le­van­ten Be­rei­chen (Han­del, Trans­port, Bür­ger­rech­te) wert­vol­le An­schluss­ver­ein­ba­run­gen aus­han­deln, die den Er­halt der engen ver­trag­li­chen Be­zie­hun­gen zu un­se­rem fünft­wich­tigs­ten Han­dels­part­ner weit­ge­hend ge­währ­leis­ten. Diese Auf­fang­lö­sung kann Schwei­zer Un­ter­neh­men je­doch nicht gänz­lich gegen ne­ga­ti­ve Kon­se­quen­zen eines chao­ti­schen Brex­its im­mu­ni­sie­ren. 

Auf­grund der star­ken In­te­gra­ti­on der Schwei­zer Wirt­schaft in den eu­ro­päi­schen Bin­nen­markt und pan­eu­ro­päi­sche Wert­schöp­fungs- und Lie­fer­ket­ten schafft ein­zig eine ein­ver­nehm­li­che Lö­sung zwi­schen Gross­bri­tan­ni­en und der EU den voll­stän­di­gen Er­halt des Sta­tus quo («mind-the-gap»). Die kom­men­den Tage wer­den hier­bei ent­schei­dend sein.