Di­gi­ta­le Re­vo­lu­ti­on: Geht uns die Ar­beit aus?

Schon Marx war über­zeugt davon, dass die Ar­beit­neh­mer lang­fris­tig ver­lie­ren. Pro­duk­ti­vi­täts­stei­ge­run­gen wür­den zu einem Abbau von Ar­beits­plät­zen füh­ren und eine «in­dus­tri­el­le Re­ser­ve­ar­mee» be­ste­hend aus be­schäf­ti­gungs­lo­sen Pro­le­ta­ri­ern her­vor­brin­gen. Das war in der zwei­ten Hälf­te des 19. Jahr­hun­derts.

Pas­siert ist in den letz­ten 150 Jah­ren genau das Ge­gen­teil: Die Kauf­kraft der Ar­bei­ter ist in den ent­wi­ckel­ten Volks­wirt­schaf­ten mas­siv an­ge­stie­gen und ihre Ar­beits­zeit hat sich stark ver­kürzt. Trotz die­ser kla­ren Evi­denz wird heute er­neut in­ten­siv dis­ku­tiert, wel­che Jobs durch die tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lung weg­fal­len und wie die Po­li­tik mit der dar­aus re­sul­tie­ren­den Ar­beits­lo­sig­keit um­ge­hen soll. Ist es nun also doch so­weit: Geht uns die Ar­beit aus?

Es wird (wie in der Ver­gan­gen­heit auch) zu einem Struk­tur­wan­del kom­men.

Wie­der ein­mal funk­tio­niert der alte Trick mit ein­fa­chen, be­droh­li­chen Bil­dern: Der Ro­bo­ter er­setzt den Fliess­band­ar­bei­ter, die Droh­ne die Brief­trä­ge­rin, das selbst­fah­ren­de Auto den Ta­xi­chauf­feur, der Com­pu­ter die Bü­ro­an­ge­stell­te. Folge: eine rie­si­ge Re­ser­ve­ar­mee. Und wie Marx be­geht man den­sel­ben Denk­feh­ler, vom heute Be­kann­ten auf die künf­ti­ge Wirt­schaft zu schlies­sen.

Es ist zwar rich­tig, dass In­dus­trie 4.0 und Di­gi­ta­li­sie­rung zu Pro­duk­ti­vi­täts­stei­ge­run­gen füh­ren und we­ni­ger Ar­beits­kräf­te für die Pro­duk­ti­on der heute be­kann­ten Pro­duk­te und teil­wei­se auch Dienst­leis­tun­gen be­nö­tigt wer­den. Es wird daher (wie in der Ver­gan­gen­heit auch) zu einem Struk­tur­wan­del kom­men.

Doch zwei Ef­fek­te wir­ken po­si­tiv auf die Nach­fra­ge nach Ar­beits­kräf­ten. Ers­tens wer­den die heute be­kann­ten Pro­duk­te güns­ti­ger. Mit an­de­ren Wor­ten wer­den die Kon­su­men­tin­nen und Kon­su­men­ten dafür we­ni­ger Geld aus­ge­ben. Sie kön­nen sich ent­spre­chend an­de­re Dinge leis­ten, auf die sie heute noch ver­zich­ten müs­sen. Diese Nach­fra­ge lässt die Wert­schöp­fung stei­gen und schafft neue Ar­beits­plät­ze.

Zwei­tens haben wir heute noch keine Ah­nung davon, wel­che Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen in der Zu­kunft ent­wi­ckelt wer­den. Konn­ten Sie sich vor der Ein­füh­rung des Smart­pho­nes vor­stel­len, dass diese klei­nen Din­ger heute so viel kön­nen? Die tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lung wird auch künf­tig neue Dienst­leis­tun­gen und Pro­duk­te her­vor­brin­gen. Der Mensch ist krea­tiv und schafft immer wie­der Neues. Auch hier ent­ste­hen neue Ar­beits­plät­ze und Wert­schöp­fung.

Dank ihrem dua­len Bil­dungs­sys­tem ist die Schweiz für diese Her­aus­for­de­rung gut ge­rüs­tet.

Uns wird also die Ar­beit nicht aus­ge­hen. Zwar wird sie in vie­len Fäl­len an­spruchs­vol­ler wer­den. Rein re­pe­ti­ti­ve Tä­tig­kei­ten ver­schwin­den wahr­schein­lich in vie­len Fäl­len. Doch dank ihrem dua­len Bil­dungs­sys­tem ist die Schweiz für diese Her­aus­for­de­rung gut ge­rüs­tet: Fach­ar­bei­te­rin­nen und Fach­ar­bei­ter wird es auch in Zu­kunft brau­chen. Statt den Teu­fel an die Wand zu malen, soll­ten wir bes­ser die sich bie­ten­den Chan­cen pa­cken. Wir müs­sen die Rah­men­be­din­gun­gen ver­bes­sern, damit neue Ar­beits­stel­len in der Schweiz ent­ste­hen. Damit las­sen sich all­fäl­li­ge Ar­beits­platz­ver­lus­te in an­de­ren Be­rei­chen kom­pen­sie­ren. Den Struk­tur­wan­del auf­hal­ten zu wol­len, wird auch dies­mal nicht funk­tio­nie­ren.

Üb­ri­gens: Da­ni­el Lam­part vom Ge­werk­schafts­bund hat (mit Aus­nah­me des po­li­tisch ge­färb­ten letz­ten Ab­schnitts) einen sehr guten Blog­bei­trag zum Thema ge­schrie­ben.