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Die EU ziert sich: Ver­liert die Schweiz den Zu­gang zum eu­ro­päi­schen For­schungs­netz­werk?

Ei­gent­lich be­trifft das in­sti­tu­tio­nel­le Ab­kom­men mit der EU nur jene Ver­trä­ge, die den Markt­zu­tritt re­geln. Eine Teil­nah­me der Schweiz am ak­tu­el­len For­schungs­rah­men­pro­gramm «Ho­ri­zon 2020» und am Nach­fol­ge­pro­gramm «Ho­ri­zon Eu­ro­pe» hat damit ei­gent­lich wenig zu tun und müss­te im beid­sei­ti­gen In­ter­es­se lie­gen. Doch die Sache scheint rein po­li­tisch ent­schie­den zu wer­den.

Bei den der­zeit vor­ge­se­he­nen Zu­gangs­mög­lich­kei­ten zu den eu­ro­päi­schen For­schungs­rah­men­pro­gram­men fi­gu­riert die Schweiz nur noch als Dritt­staat. Im Ge­gen­satz zu heute wäre sie künf­tig also nicht mehr ein voll as­so­zi­ier­tes Mit­glied. Das ist ein we­sent­li­cher Un­ter­schied, denn Dritt­staa­ten haben deut­lich we­ni­ger Rech­te als voll as­so­zi­ier­te Mit­glie­der. Ent­spre­chend warn­ten die Prä­si­den­ten der Eid­ge­nös­sisch Tech­ni­schen Hoch­schu­len (ETH) am Diens­tag in Brüs­sel vor Ein­schrän­kun­gen bei der For­schungs­ko­ope­ra­ti­on mit der EU. Zu Recht. Denn für die Schweiz steht viel auf dem Spiel:

  • Die Schwei­zer For­schen­den müs­sen sich mit den Bes­ten mes­sen. Ohne die Pro­gram­me des Eu­ro­pean Re­se­arch Coun­sil (ERC) ver­liert die hie­si­ge For­schung nicht nur an Glanz, son­dern auch an Qua­li­tät. Spit­zen­for­scher wür­den den Auf­ent­halt in einem an­de­ren Land be­vor­zu­gen, das un­ein­ge­schränk­ten Zu­gang zu den eu­ro­päi­schen Pro­gram­men hat. 
  • Der Schwei­zer For­schungs­platz lebt davon, dass er aus­ge­zeich­net in das in­ter­na­tio­na­le For­schungs­netz­werk ein­ge­bun­den ist. Die eu­ro­päi­schen Pro­gram­me ver­tie­fen die Zu­sam­men­ar­beit unter For­schen­den, es wer­den Syn­er­gi­en er­zielt. Dazu ist es auch nötig, das Schwei­zer die Pro­jekt­ko­or­di­na­ti­on über­neh­men kön­nen, was je­doch as­so­zi­ier­ten Mit­glie­dern vor­be­hal­ten ist.
  • Gros­se Her­aus­for­de­run­gen in der an­ge­wand­ten For­schung kön­nen ein­zel­ne Un­ter­neh­men nicht al­lein stem­men, sie kön­nen nur eu­ro­pä­isch an­ge­gan­gen wer­den. Bei For­schungs­the­men wie der künst­li­chen In­tel­li­genz, der Na­no­tech­no­lo­gie oder der Raum­fahrt ist die Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen For­schungs­part­nern aus In­dus­trie und Hoch­schu­len auf eu­ro­päi­scher Ebene un­ab­ding­bar, um im welt­wei­ten Tech­no­lo­gie­wett­be­werb be­ste­hen zu kön­nen. Die Schwei­zer Un­ter­neh­men müs­sen hier ein­ge­bun­den blei­ben.
  • Die Schwei­zer For­schen­den ge­hö­ren in den eu­ro­päi­schen Pro­gram­men zu den er­folg­reichs­ten. Der meist po­si­ti­ve Mit­tel­rück­fluss für die Schweiz ist aber nicht der ent­schei­den­de Punkt, son­dern der Zu­gang zu qua­li­ta­tiv hoch­ste­hen­den Pro­jek­ten und der Auf­bau von Ko­ope­ra­tio­nen. Ge­mäss Schät­zun­gen führt der Ein­be­zug ins eu­ro­päi­sche For­schungs­netz­werk zu Ef­fi­zi­enz­ge­win­nen von bis zu 20 Pro­zent. Das Ab­kom­men ge­ne­riert da­durch einen Wert von über zwei Mil­li­ar­den Fran­ken jähr­lich.
  • Auch für die Wirt­schaft steht viel auf dem Spiel: Der erst­klas­si­ge For­schungs­platz ist stra­te­gisch von zen­tra­ler Be­deu­tung für den in­no­va­ti­ons­ba­sier­ten Wirt­schafts­stand­ort Schweiz.

Der­zeit muss davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Schweiz bei einem Nein zum in­sti­tu­tio­nel­len Ab­kom­men nicht mehr gleich­be­rech­tigt an den Eu­ro­päi­schen For­schungs­rah­men­pro­gram­men teil­neh­men kann. Die­ser rein po­li­ti­sche Ent­scheid würde sich sehr zum Scha­den des Schwei­zer For­schungs- und Wirt­schafts­stand­orts aus­wir­ken. Der Wert eines in­sti­tu­tio­nel­len Ab­kom­mens mit der EU geht eben deut­lich über die Vor­tei­le auf­grund der rei­nen Markt­zu­tritts­ab­kom­men hin­aus. Das haben wir kürz­lich aus­führ­li­cher in einem Dos­sier­po­li­tik auf­ge­zeigt. Ent­spre­chend set­zen sich nicht nur die eid­ge­nös­si­schen Hoch­schu­len, son­dern auch die Wirt­schaft für das in­sti­tu­tio­nel­le Ab­kom­men ein.