Frau mit Maske, Winterjacke und Mütze

Corona-Auswirkungen: Folgt auf die Entspannung im Sommer der Winterblues?

Die jüngste Umfrage von economiesuisse unter den Schweizer Unternehmen, Branchenverbänden und Handelskammern zeigt, dass sich nach den ersten Erholungsschritten im Sommer wieder Skepsis breitmacht. Die Corona-Krise ist noch nicht überwunden – es wird ein schwieriger Winter erwartet.

Die wirtschaftliche Lage vieler Schweizer Unternehmen hat sich nach dem starken Einbruch im Frühling über den Sommer entspannt. Trotz der anhaltend schwierigen Lage war eine gewisse Erleichterung über die Teilerholung in der Bevölkerung wie auch der Wirtschaft zu spüren. Aus rund der Hälfte der Branchen wird dementsprechend vermeldet, dass sich die Situation im Vergleich zu Ende Mai verbessert habe. Es besteht jedoch unverändert eine Zweiteilung: Bei einem Fünftel der Antwortenden hat sich die Situation verschlechtert. Dies betrifft fast alle Exportbranchen ausser der Pharmaindustrie. Insbesondere bei Investitionsgütern wirken sich die fehlenden Bestellungen des letzten Halbjahrs immer stärker auf die Auslastung der Produktion aus.

In der Binnenwirtschaft leiden vor allem Unternehmen in denjenigen Branchen, die weiterhin nicht oder nur unter starken Einschränkungen operieren dürfen, wie beispielsweise die Eventbranche, die Reisebranche, die Gastronomie oder Marktfahrer. Neu berichten auch einzelne Versicherer von einer schlechteren Lage in ihrer Geschäftstätigkeit, weil sie weniger Versicherungsprodukte verkaufen und die Prämien zurückgehen. Bei den Firmen aus den Sparten Beratung, Kommunikation, Marketing und Werbung ist zumeist noch keine Erholung spürbar. Deren Auftragslage ist oft dünn, da viele Unternehmen Ausgaben für entsprechende Dienstleistungen einsparen, um rasch ihre Kosten zu senken.

Verdüsterte Aussichten

Nach dem relativ ruhigen Sommer, der weniger schlimm war als erwartet, verdüstert sich die Lage wieder. Während die Absatzschwierigkeiten im Inland im Sommer deutlich abgenommen hatten, werden sie in den nächsten zwei Monaten wohl wieder zunehmen. Die Exportmärkte haben sich bis jetzt noch nicht erholt. Mehr als 70 Prozent der Exportbetriebe haben Absatzschwierigkeiten im Ausland und rechnen in den nächsten zwei Monaten mit keinerlei Verbesserungen.

Die Arbeitsausfälle sind bereits jetzt deutlich gestiegen, da mehr Personen von Quarantäne- und Isolationsmassnahmen betroffen sind. Insbesondere bei Firmen, bei denen zwingend in Gruppen (z.B. Montage von Maschinen) gearbeitet werden muss, besteht die Gefahr, dass ganze Teams ausfallen, wenn ein Teammitglied Symptome hat. Arbeitsausfälle aufgrund von Quarantäne sind aber nicht nur bei der Arbeit in Gruppen eine Belastung für die Unternehmen. Sie stellen generell eine ernstzunehmende operative Herausforderung dar. Deshalb ist es für die Wirtschaft wichtig, dass die Testresultate möglichst schnell vorliegen und die Quarantäne nur so kurz wie nötig dauert, damit die Mitarbeitenden zeitnah wieder eingesetzt werden können.

Weniger Sorgen bereiten den Unternehmen im Moment die Lieferketten. Zwar bestehen beim Bezug von Vorprodukten immer noch gewisse Probleme, aber auf deutlich tieferem Niveau als im Frühling. Nur noch 21 Prozent der Branchen sind davon betroffen. Ein spezifisches Problem ist, dass gewisse Lieferanten aus nachvollziehbaren Gründen keine Verfügbarkeiten und Liefertermine garantieren. Dies erschwert die Planung bei der Bestellung von Vorprodukten. In den nächsten zwei Monaten werden auch bei diesem Problem grundsätzlich keine Veränderungen erwartet. Doch die Situation bleibt volatil. Es muss damit gerechnet werden, dass immer wieder andere Regionen und Branchen von Einschränkungen betroffen sein werden.

Grafik zur Unternehmensumfrage

 

Es drohen vermehrt Konkurse und Entlassungen

Während in Bezug auf das Bruttoinlandprodukt die Talsohle in den meisten Branchen durchschritten zu sein scheint, wird im Winter die wirtschaftliche Krise für die Bevölkerung spürbarer: Entlassungen, Betriebsschliessungen und Konkurse werden zunehmen, spätestens wenn die stützenden Massnahmen wie Covid-19-Kredite und Kurzarbeit auslaufen. Denn während viele Unternehmen kurzfristig vor allem mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen hatten, kommen nun auch längerfristige Zahlungsschwierigkeiten hinzu. Einerseits sind Covid-19-Kredite vielfach bereits ausgeschöpft und private Kredite schwieriger zu erhalten (vor allem in Branchen mit tiefen Gewinnmargen). Andererseits schmilzt aber auch das Eigenkapital der Firmen langsam weg und führt in einigen Fällen zu Solvenzproblemen – und diese sind unabhängig von staatlichen oder privaten Liquiditätsmassnahmen. Das gilt insbesondere für Firmen mit hohen Fixkosten, die ihr Geschäftsmodell nur langsam anpassen können. Im Schnitt dürfte diese Gefahr bei rund fünf Prozent der Unternehmen herrschen. Die Branchen sind aber unterschiedlich betroffen. Zahlen aus der Gastronomie, der Hotellerie und der MEM-Industrie deuten darauf hin, dass in diesen Branchen der Anteil der betroffenen Firmen zwischen 5 und 15 Prozent liegt. Von der Event- und der Reisebranche liegen keine Zahlen vor, doch dürfte das Problem auch dort gross sein.

Vieles hängt nun aber von den Entwicklungen in den kommenden Wochen und Monaten ab. Um Konkurse und Entlassungen zu verhindern, braucht es vor allem eine Normalisierung des Geschäftsbetriebs. Daher sind die Unternehmen vor allem darauf angewiesen, dass der Staat weitere Einschränkungen des Wirtschaftslebens oder sogar einen zweiten Teil-Lockdown zu verhindern weiss.


Informationen zur Umfrage

 

Die Umfrage wurde von economiesuisse gemeinsam mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) vom 17. bis zum 23. September 2020 durchgeführt. Sie umfasste unter anderem die gleichen Fragen wie die vorhergehenden Umfragen, deren Resultate economiesuisse am 9. Juni, 12. Mai, 17. April, und 26. März präsentiert hat. Teilgenommen haben 268 Personen. Die Umfrage deckt alle Landesteile der Schweiz ab. 28 Branchenverbände haben die Umfrage konsolidiert für ihre Branche ausgefüllt. Die Auswertung zeigt ein aktuelles Stimmungsbild der Schweizer Wirtschaft. Werden Prozentangaben genannt, sind diese lediglich als grobe Richtschnur zu verstehen. Die Antworten wurden jeweils nicht gewichtet.